Businessbegriffe gelangen selten auf diese Liste, und technische, deren Bedeutung 99 Prozent der normalen Zeitungsleser nicht kennen, schon gar nicht.
Doch Big Data hat es geschafft: Unter den "Wörtern des Jahres 2013", zusammengestellt von der altehrwürdigen Gesellschaft für Deutsche Sprache, landete das schwammige Buzz-Word auf Platz 5, umgeben von den Begriffen GroKo, Protz-Bischof, Generation Sandsack, Ausländermaut, falsche Neun und einigen anderen.
Was uns das sagt? Möglicherweise dass ein Begriff gerade dann inflationär verwendet wird und entsprechende Aufmerksamkeit erregt, wenn seine exakte Bedeutung und konkrete Anwendungsszenarien noch unklar sind. Ursache dieser Unklarheit ist nicht, dass die Verwender des Begriffs sich nicht auskennen, sondern dass er einfach schwammig ist. Am häufigsten verwendet wird "Big Data" für die Analyse des Verhaltens der Nutzer von was auch immer auf Basis der Auswertung großer Datenmengen.
Erfolgsgeschichten sind selten
Solche Analysen gibt es schon mindestens zehn Jahre länger als den Begriff. Allerdings sind heute die technischen Möglichkeiten der Datenauswertung durch massenhaft und preiswert verfügbare Rechenleistung drastisch gewachsen. Außerdem braucht in Zeiten von Hadoop-Clustern nicht jeder, der Analysen will, selbst entsprechende Kapazitäten vorzuhalten.
Spätestens hier stellt sich die Frage, warum es zwar eine Allgegenwärtigkeit des Begriffs in Meetings und Medien gibt, aber kaum aktuelle, konkrete, spannende Erfolgsgeschichten - abgesehen von den üblichen Verdächtigen Netflix, Amazon etc.?
Um Erfolgsgeschichten zu schreiben, müssten Unternehmen sich überlegen, was sie wollen und die Voraussetzungen schaffen.
Die meisten Unternehmen, schrieb Anfang Juli Autor Jeremy Levy auf techcrunch, sitzen aber schlicht auf einem großen Haufen von Datenschrott. Laut einer Untersuchung von Experian, einem Anbieter von Software zur Analyse von Datenqualität, schlagen sich 88 Prozent aller Unternehmen mit schlechter Datenqualität herum und verlieren dadurch bis zu 12 Prozent ihres Umsatzes.
Daten-Schleppnetze mit unermesslich viel Müll
Die zentrale Ursache dieses Problems ist eine historische: Datenbestände sind - zwangsläufig - über die Jahre immer mehr angewachsen und wurden dabei ebenso unvermeidlich in den unterschiedlichsten Formaten und Programmen abgelegt.
Und als vor einigen Jahren die Gerüchte über den nächsten Goldrausch die Runde machten, die Verheißung, möglichst viele Daten führten zwangsläuft zu hohen Gewinnen, da ging die Sammelwut richtig los.
Aber - wie Jeremy Levy so schön formuliert hat - statt mit der Harpune gezielt auf Schmackhaftes zu zielen, zogen die Unternehmen riesige Daten-Schleppnetze hinter sich her, in denen sich unermesslich viel Müll verfing.
Um das Wenige, das davon brauchbar ist, herauszufiltern, mussten anschließend Data Scientist-Teams gebildet werden, die ihre Zeit damit verbrachten, zu sichten, zu reinigen und zu strukturieren, und das nicht selten mit manuellen bis semi-automatischen Mitteln.
Daten aussortieren ist die Hauptbeschäftigung
Wie sagte doch DJ Patil, oberster Data Scientist des Weißen Hauses einmal: "Daten sind nun mal chaotisch, und das Aussortieren wird immer 80 Prozent der Beschäftigung mit ihnen ausmachen. Anders gesagt: Daten sind ein Problem."
Und dabei suchen Unternehmen darin doch das genaue Gegenteil, nämlich Lösungen. Aber weil sie nicht wissen, wie sie sonst dorthin gelangen sollen, kaufen sie sackweise Tools, multifunktionale Macheten sozusagen, mit denen sich hoffentlich eine Schneise durch den Datendschungel schlagen lässt.
Nach Angaben der US-Analyseplattform Wikibon werden 52 Prozent aller Investments in Daten-Tools auf Werkzeuge verwandt, die die Infoberge lediglich so strukturieren, dass sich systematisch darauf zugreifen lässt. Anders gesagt: Mehr als die Hälfte des Budgets ist bereits verbraucht, bevor eine einzige Auswertung - also Nutzung - der Daten stattgefunden hat.
Big Data - es kann nicht oft genug gesagt werden - ist vor allem Big Business. Und je unklarer die genaue Bedeutung und der Nutzen des dahinter Stehenden, desto besser lassen sich "nützliche" Hard- und Softwarelösungen in die Unternehmen hineinverkaufen.
Wie also sollten CXOs auf den künstlichen Hype und den damit verbundenen Handlungsdruck reagieren, wie am effizientesten davon profitieren?
Keine Datensammlung ohne Sinnfrage
"Wenn es um den intelligenten Umgang mit großen Datenmengen geht, haben deutsche Unternehmen noch viel Luft nach oben. Das Potenzial, das in analytischen Plattformen steckt, schöpfen bisher die Wenigsten aus", sagt Lars Schlömer, Head of Business Intelligence bei Sopra Steria Consulting. "Wichtig ist, dass die Unternehmen vorher überlegen, wofür sie die erhobenen Daten nutzen möchten und zunächst sinnvolle Anwendungsfälle definieren."
Klingt banal? Vielleicht. Dennoch scheint hier die zentrale Schwäche der Big Data-Nutzung zu liegen: Unternehmen sammeln Daten, ohne sich vorher zu überlegen, was sie damit genau anfangen wollen.
In drei Schritten zur richtigen Strategie
Nach Ansicht von techcrunch-Big Data-Spezialist Jeremy Levy sollte der erste Schritt in diesem Prozess gar nichts mit Daten zu tun haben - sondern mit der übergeordneten Unternehmensstrategie. Motto: Wo will ich hin? Und: Können mir strukturierte Daten auf diesem Weg helfen? Zitat: "Jede noch so kleine Dateneinheit muss eine analytische Funktion haben, Teil einer Problemlösung sein."
Zweitens: analysieren, welche Art von Daten das Unternehmen zum Erreichen seiner Ziele braucht. Die Sammelwut sollte - wenn überhaupt - erst nach dieser Analyse beginnen.
Wichtig für CXOs ist auch, nicht zu stark zu delegieren in diesem Prozess. Entscheidend ist, dass diejenigen, die mit den Daten am Ende konkret arbeiten, verstehen, wie sie gesammelt und strukturiert werden. Nur so können sie die Möglichkeiten und Grenzen des Ganzen beurteilen.
Drittens: Unternehmen sollten nur die Analysetools kaufen, die sie wirklich brauchen und im Zweifelsfall den potenziellen Nutzen höher bewerten als irgendwelche coolen Features.
Denn am Ende geht es ja nicht darum, sinnlose Sammlungen aufzubauen, sondern smarte, nutzbare Daten zum gewinnbringenden Bestandteil des eigenen Businessmodells zu machen.