"Bis vor wenigen Jahren war der Konzern geprägt von ständigen Käufen und Verkäufen von Unternehmen – damals machte eine IT-Integration der Töchter keinen Sinn“, berichtet ein Branchen-Insider. "Die IT-Strategie war ausgerichtet auf die interne Optimierung der hinzugekommenen Unternehmen, nicht aber auf die Integration in die Gesamt-IT des Konzerns.“ Noch im Jahre 2002 sagte der Vossloh-IT-Leiter Ulrich Konrad, er sähe es als unproblematisch an, dass die in den vergangenen Jahren erworbenen Gesellschaften wie die Vossloh System-Technik oder Vossloh Schienenfahrzeugtechnik ihre IT-Eigenständigkeit erhalten. "Es macht grundsätzlich keinen Sinn, neu hinzugekommenen Unternehmen unsere Systeme aufzuzwingen. In jedem Einzelfall muss die Sinnhaftigkeit in Bezug auf Nutzen und Kosten überprüft werden“, sagte der IT-Leiter in der Firmenzeitschrift Vossloh-Inside.
Seinerzeit basierten Materialwirtschaft, Produktionsplanung und -steuerung sowie der Vertrieb auf der Software von Brain International. Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung und Anlagenverwaltung wurden mit dem ERP-System von Dr. Claus Wellenreuther (DCW) abgewickelt. Die zentralen PC-Server basierten auf Windows NT, als Mail-System wurde Lotus Notes eingesetzt.
Während Brain International unterdessen Insolvenz angemeldet hat, ist DCW seit 2004 mit Steeb-Anwendungssysteme verschmolzen und nun eine hundertprozentige SAP-Tochter. "Vossloh hat heute noch DCW im Einsatz“, sagt ein Branchenkenner. "Üblicherweise wählen DCW-Anwender den Migrationspfad zu SAP/R3“. Die DCW-Software wird seit zwei Jahren nicht mehr weiter entwickelt – ob und wann Vossloh eine Migration anstrebt ist nicht bekannt. "Bei der Struktur des Vossloh-Konzerns kommt aber sicher nur ein Wechsel zu SAP in Frage“, vermutet der Branchen-Kenner.
Inzwischen hat Vossloh alle Unternehmen der Lichtsparte verkauft und konzentriert sich ausschließlich auf die Verkehrstechnologie. Die Vossloh AG mit Sitz in Werdohl bei Hagen fungiert als Management- und Finanzholding für die drei Geschäftsbereiche Rail Infrastructure (Gleisbau, Schienenbefestigungen und Weichensysteme), Motive Power (Diesellokomotiven und elektrische Systeme für Straßenbahnen und Trolleybusse) sowie Information Technologies (Leit- und Sicherungstechnik, Fahrgastinformationssysteme). Im Geschäftsjahr 2004 erzielte der Konzern einen Umsatz von 922 Millionen Euro. Ende 2004 beschäftigte Vossloh rund 4.500 Mitarbeiter.
Ob und in welchem Maße sich die Konzentration auf die Verkehrstechnik sich auf ERP-Systeme, System-Architektur und IT-Strategie auswirkt, lässt sich nur mutmaßen: Vossloh wollte dazu keine detaillierten Auskünfte geben.
Die 2004 begonnene Implementation eines konzernweiten Informationssystems auf Basis von Websphere Portal von IBM und Cognos Controller lässt indes vermuten, dass zumindest das interne Berichtswesen zunehmend zentralisiert und optimiert wird. Außerdem strebt IT-Leiter Konrad im Rahmen einer "sinnvollen Standardisierung“ eine Vereinheitlichung der Mail-Systeme sowie eine Harmonisierung der ERP-Systeme in Teilkonzernen an – auf welchem Standard wollte er nicht verraten. Als IT-Dienstleister spielt IBM eine wichtige Rolle für die teilweise Auslagerung der Hotline, Hardwaresupport sowie Server- und Netzüberwachung. Das Wide-Area-Network des Konzerns betreibt der TK-Dienstleister AT&T.
Für eine zunehmende Prozess-Integration spricht auch der Best-Practice-Award, der Vossloh im November 2004 vom Institut für Produktivität und Qualität (IPQ) und der FAZ verliehen wurde. Ausgezeichnet wurde der Konzern für die erfolgreiche Wandlung von einen Konglomerat zu einem Unternehmen mit der Kernkompetenz "Verkehrstechnik“. Vossloh-Vorstandschef Burkhard Schuchmann erläuterte in der Dankesrede seine Strategie: "Die Prozessverantwortung für das operative Geschäft liegt bei den Tochtergesellschaften, bereichsübergreifende Prozesse werden von der Holding gesteuert“. Daneben koordiniert die Holding alle Prozesse der Töchter mit Synergiepotenzialen. Wegen der Verschiedenartigkeit der Geschäftsfelder sieht er diese vor allem auf der Vertriebsseite. "Besondere Bedeutung hat die Verbesserung der Geschäftsprozesse bei Neuakquisitionen im Rahmen der Post-Merger-Integration“.
Basis für das Maß der möglichen Integration ist eine quantitative Analyse der Treiber des Unternehmens- und Kundenwerts auf Ebene der Holding. "Auf Basis dieses quantitativen Prozessverständnis diskutieren wir die Optimierungsstoßrichtung mit den Töchtern“, sagt Schuchmann, "die Verantwortung für die Ausgestaltung der einzelnen Prozessschritte bleibt aber immer bei den Tochtergesellschaften“.