Wegen aufwändiger, teurer Verkabelung mit KNX-und anderen Bussystemen konnten lange Zeit nur Unternehmen oder sehr betuchte Privatkunden ihren Traum vom Smart Home verwirklichen. Gelohnt hat sich das meist nur bei Neubauten oder Kernsanierung im Luxussegment. Mittlerweile hat sich aber um die Heimvernetzung ein richtiger neuer Hype entsponnen, der aus unterschiedlichen Gründen nun auch immer mehr vermeintlich artfremde ITK-Unternehmen mitreißt. Dazu gehören unter anderem Cisco mit dem verwandten Fokusthema Smart Grid, die Deutsche Telekom, Mobilcom, Google, Samsung, AVM, D-Link, Gembird und viele mehr, von Haushaltgeräteherstellern wie Bosch, Liebherr und Miele ganz zu schweigen.
Da anderswo kaum noch solche Margen winken, können sich dafür plötzlich auch immer mehr ITK- Händler erwärmen, um mit Do-it-yourself-Lösungen den auf Heimvernetzung spezialisierten Handwerksbetrieben ein Stück vom Rahm abzuschöpfen.
Was treibt Smart Home?
Der Durchbruch von Smart Home kam von unten, konkret aus dem Keller, wo sich gewöhnlich die Heizungsanlage befindet. RWE und Buderus habe gerade eine Kooperation für Smart Home bekanntgegeben. Laut Jens Dreising, Leiter der BU Consumer/Festnetz bei Also Deutschland, lag der Schwerpunkt des Interesses anfangs tatsächlich "im Bereich Heizungssteuerung verbunden mit den angrenzenden Feldern Licht- und Jalousiesteuerung". Viele Ferienheimbesitzer schätzen es, mit Anlagen wie dem vor Jahren abgekündigten Hometronic-System von Honeywell, die Heizung einfach per Telefon ein- und ausschalten zu können. In Kurorten findet man daher viele Elektrofachbetriebe vor, die sich Smart Home auf die Fahne heften. Schließlich gibt es auch noch andere Anbieter solcher Anlagen wie die Eaton-Tochter Moeller. Komfort ist ein großer Motivator. Mittlerweile geht der Trend laut Dreising zu Themen wie Sicherheit und Alarmanlagenfunktionalitäten.
Der Sicherheitsaspekt hat mehrere Facetten. Miele-Sprecher Michael Prempert zufolge biete die Möglichkeit, den Elektroherd aus der Ferne zu bedienen, neben Komfort auch ein Stück Sicherheit. Denn so kann man von unterwegs schnell nachprüfen, ob der Herd oder Ofen wirklich aus ist. Zunehmend genutzt wird auch die Anwesenheitssimulation zum Abschrecken von Einbrechern durch unvermutetes Betätigen verschiedener Lampen und Jalousien.
Tagesaktuelle Zeitschaltuhren tun es natürlich auch und sind wesentlich günstiger, aber erstens nicht mehr zeitgemäß und zweitens meist zu umständlich einzustellen. Das bringt unter anderem Gembird mit Submarke EnerGenie und bequem vom Smartphone aus programmierbaren Steckdosenleisten auf den Plan. Je mehr Geräte und Gebäudefunktionen es über Schalter stationär oder per Funk zu steuern gilt, desto mehr wächst vielleicht der Wunsch, diese alle in einem Smart Home miteinander zu vernetzen - was für viele Verbraucher zusammen mit Smartphones und Tablets, Smart-TVs und anderen netzwerkfähige Geräte als Initialzünder neudeutsch auch cool ist.
Emotionen und Spieltrieb als Erfolgsfaktor
Der Faktor Status, Image und Emotionen ist für Deniz Turgut von dem deutschen Schalterspezialisten Jung ganz entscheidend. Schließlich macht das vernetzte Heim auch viel her, wenn vor den Gästen mit einem Wisch auf dem Bedienfeld des Tablets oder der Hightech-Schalttafel das Licht plötzlich heimeliger wird oder die Jalousie sich senkt.
Cloud-Dienste wie mydlink von D-Link mit Netzwerkkameras und anderer Peripherie, intelligente Steckdosen wie FritzPowerline und FritzDect von AVM, WLAN, Bluetooth und einfache Kabelverbindungen haben dazu beigetragen, dass sich unabhängig von mehrheitlich durch Handwerksbetriebe installierte Profi-Lösungen ein wachsender Do-it-yourself-Markt entwickelt hat.
Aber auch etablierte Schalter- und Control-Panel-Anbieter wie Busch-Jaeger, Gira, Honeywell und Jung finden heute mehr zu drahtlosen Systemen, die sich besonders bei den vielen Bestandsbauten anbieten. Und somit wächst samt vernetzter weißer Ware von Bosch, Miele, Samsung, Siemens und Co. alles immer mehr zusammen, auch wenn das Interesse mitunter eher auf Smart Grid und die intelligente Nutzung von Strom gerichtet ist.
Smart Grid - das intelligente Stromnetz
Doch so groß die Hoffnung der Versorgungsunternehmen wie RWE, von Cisco, Siemens und anderen Akteuren auch sein mag, Smart Grid steckt in Deutschland abgesehen von einigen Pilotprojekten noch in den Kinderschuhen. Dabei ergäben sich durch intelligente Förderung, Verbreitung, Nutzung und Speicherung im Zusammenspiel mit Elektroautos immense Potenziale für die politisch gewollte und langfristig notwendige Energiewende.
Smart Meter, intelligente Stromzähler, sind zwar bei Neubauten mittlerweile Pflicht in Deutschland, in anderen Ländern wie Italien, der Türkei und Schweden aus unterschiedlichen Gründen aber sehr viel mehr verbreitet. Je teurer Energie wird, desto mehr wird sich der Einsatz dieser intelligenten Zähler und daran angehängter Hausgeräte aber lohnen, denkt man nur an billigen Nachtstrom oder an die Möglichkeit, an Sonnentagen Solarstrom billiger anzubieten.
Liebherr hat mittlerweile schon mehrere smarte Kühlschränke im Programm und in einem Modellversuch mit EnBW in Baden-Württemberg vor Jahren 250 Haushalte damit ausgestattet. Selbst bei Miele gibt es laut Prempert schon konkrete Überlegungen, mit energiesparenden intelligenten Lösungen ins Geschäft mit Kühlgeräten einzusteigen. Die deutsche Edelmarke sieht sich mit Blick auf Smart Home und Smart Grid seit vielen Jahren als einer der Innovationstreiber, auch auf Vernetzungsebene. Mehr dazu später.
Standards verbinden Inseln
"Smart Home und das Geheimnis der vielen Inseln" überschrieb Jung-Manager Turgut auf einer Preview zur Fachmesse Light + Building in München seinen Vortrag, in dem er zunächst lobte, dass der Do-it-yourself-Markt und iPads sehr geholfen hätten, das Bewusstsein für die Heimvernetzung zu wecken. Im professionellen Umfeld, in dem sein Unternehmen seit über 20 Jahren aktiv ist, habe sich KNX (Konnex) als einzig offener Standard für eine gemeinsame "verbindende Sprache" bis heute bewährt. KNX gibt es zwar auch als Powerline- und Funkvariante, aber die Schalteranbieter Jung und Gira setzen neuerdings auf ein neues bidirektionales Funk-Bussystem namens eNet, das sich kompatibel zu den bestehenden Lösungen gut zur Nachrüstung und nachträglichen Montage eignen und zudem einfacher zu programmieren sein soll.
Honeywell hat sich vor etwa vier Jahren von Hometronic verabschiedet, weil die Kabel-Bussysteme meist erforderten, samt Elektrohandwerk mehrere Gewerke zusammenzuführen, wofür sich vor Ort oft zu wenige Fachbetriebe eigneten. Deshalb sei man zunächst zu einer proprietären drahtlosen Technologie übergegangen, so der Marketingleiter Jens Bredemeier. Ab kommendem Jahr plane Honeywell dann auch Lösungen mit WLAN anzubieten, was den nachträglichen Einbau noch mehr vereinfache.
KNX und andere gemeinsame Sprachen
Doch zurück zu KNX: Der Standard, dem sich mehr als 300 Hersteller verpflichtet haben, gilt als Mercedes unter den kabelgebundenen Bussystemen mit einem von der Stromversorgung unabhängigen eigenen Datennetz. Trotz der durch den hohen Verkabelungsaufwand verbundenen hohen Mehrkosten von 20.000 Euro aufwärts (samt Server) bietet der EIB-Nachfolger KNX zwei gewichtige Vorteile: Es lassen sich die Informationen hintereinander geschalteter Geräte leichter transportieren, außerdem vereinfacht das die Umprogrammierung der Aktoren genannten Schalter (von Licht auf Jalousie etwa). Mit der Powerline- oder der Funkvariante entfällt der zusätzliche Verkabelungsaufwand.
Ein alternatives Bussystem bietet die Firma Issendorff mit LCN (Local Control Network) an, das durch bedarfsgerecht verteilte Aktoren und Sensoren Einstiegskosten ab etwa 10.000 Euro verspricht. Obwohl LCN nur an einem Anbieter hängt, erfreut sich das System einer breiten Unterstützung durch Installateure in Deutschland.
Einen eigenen Standard für Heimvernetzung hat die Schweizer Firma Aizo mit digitalSTROM über im Haus oder in der Wohnung verteilte Mikrocomputer entwickelt, die aussehen wie etwas klobig geratene Lüsterklemmen. Diese sind laut Anbieter Schalter, Dimmer, Motorsteuerung, Rechner, Datenspeicher und Netzwerkadapter zugleich. Samt Server, acht im Stromkasten eingesetzter digitalStrom-Meter (Stromkreismesser), drei Entstörungsfilter und nahezu 30 Klemmen für Licht und anderer Funktionen hat ein Blogger bei Housecontrollers.de für digitalStrom Hardwarekosten von rund 5.000 Euro errechnet, zuzüglich Arbeitskosten. Um den Elektrofachbetrieb wird man beim Einbau der Stromkreismesser kaum herumkommen, aber ansonsten scheint digitalSTROM eine günstige Alternative zu sein. Einen ähnlichen Weg mit Miniservern geht Loxone, unter anderem mit Apple als prominentes Aushängeschild.
Qivicon als "Sprachmittler"
Derweil gibt es verschiedene Ansätze, zu einer standardübergreifenden gemeinsamen Plattform zu finden. Als sehr vielversprechend gilt hier die Telekom-Initiative Qivicon. Zu den Partnerunternehmen gehören die Deutsche Telekom selbst, digitalSTROM, Belkin, Miele, Samsung, D-Link, Herweck und Integrierte Informationssysteme, um nur einige zu nennen.
Qivicon ist, wie Diefenbach sagt, kein eigener Standard, sondern eine Plattform, die mit der von der Telekom-Tochter entwickelten Home Base ermöglicht, viele Standards und smarte Produkte verschiedener Hersteller zu integrieren. Der Trend werde durch alle Geräte, die mithilfe von Funktechnologien wie WLAN und NFC miteinander kommunizieren können, vorangetrieben.
Miele ist als innovationsgetriebenes Unternehmen Gründungsmitglied der Qivicon-Allianz. Die unter dem Label Miele@home vermarkteten nachrüstbaren Kommunikationsmodule und entsprechenden Gateways werden mit Blick auf die Qivicon-Plattform derzeit von Powerline auf den Funkstandard ZigBee umgestellt. Über LAN, WLAN oder über ZigBee geht es dann zur Schaltzentrale wie dem ComfortPanel von Busch-Jaeger, die wiederum über KNX als auch Multimedia einbindenden systemübergreifenden etablierten Standard mit der gesamten Haussteuerung verbunden ist.
Wie einbruchssicher sind die Systeme?
Neben Qivicon gibt es noch andere Initiativen wie ein im Oktober 2013 von ABB, Bosch, Cisco und LG unterzeichnetes "Memorandum of Unterstanding", das die Schaffung einer offenen Architektur für Datenaustausch zum Ziel hat. Sobald eine gemeinsame Sprache gefunden ist und die Standards vorliegen, sollen die kompatiblen Geräte über WiFi, ZigBee oder über Kabelverbindungen wie KNX miteinander kommunizieren können, heißt es da.
Basistechnologien und Bussysteme für Smart Home im Überblick | ||
Technologie | Übertragungsweg | Proprietär |
KNX-TP | Datenleitung | nein |
KNX-PL | Stromleitung (Powerline) | nein |
KNX-RF | Funk | nein |
LCN | Datenleitung | ja |
HomeMatic | Funk/Datenleitung | ja |
EnOcean | Funk | nein |
eNet | Funk | nein |
digitalSTROM | Stromleitung | nein |
Bluetooth | Funk | nein |
io-homecontrol | Funk | ja |
WLAN | Funk | nein |
Bluetooth | Funk | nein |
ZigBee Pro | Funk | nein |
Z-Wave | Funk | nein |
NFC | Funk | nein |
Wie sicher die genannten Bussystem und anderen Basistechnologien für die Übertragung der Informationen (siehe Tabelle) sind, das steht auf einem anderen Blatt, denn vielen von ihnen, einschließlich KNX, sehen gar keine Verschlüsselung vor. Auf jüngste Hacker-Angriffe auf AVMs Fritzbox angesprochen, betonte Jung-Manager Turgut, dass er kein gehacktes KNX-System bekannt sei.
"Man muss einfach wissen, für was KNX ist: Effizienz- und Komfortsteigerung bei Kostensparen im Wohn- und Objektbereich. KNX war nie gedacht, die Deutsche Bundesbank vor bösen Buben zu schützen", merkt hingegen ein Blogger namens Michael im KNX-user-club.de an. ZigBee erlaubt zwar wie Bluetooth die AES-128-Verschlüsselung, steht aber unter dem Verdacht, angreifbar zu sein wie WLAN mit WPA-, WPA2- und WEP-Verschlüsselung.
Die Vision vom sich selbst füllenden Kühlschrank
Im modernen Privathaushalt, wo es darum geht, Garagentor, Jalousie, Licht und smarte Haushaltsgeräte zu steuern, mag der Sicherheitsaspekt zweitrangig sein, es sei denn, es geht um große Vermögenswerte oder besonders schützenswerte Personen. Hollywood bringt immer wieder Thriller hervor, in denen Bösewichter in die Gebäudeautomation eindringen und alle Sicherheitssysteme aushebeln. Was im Smart Home alles möglich ist, darüber gibt es viele Gedankenspiele, die gar nicht so weit von Science Fiction sind.
Eine lange gehegte Vision, die einem bei Thema Smart Home spontan einfällt, ist der sich selbst auffüllende Kühlschrank. Verschiedene Hersteller, darunter Siemens (siehe Bild), haben schon Lösungen präsentiert, die in diese Richtung gehen. Die technischen Voraussetzungen wie integrierte Sensoren, RFID-Lesegerät und Kamera sind heute kein Problem mehr. Allerdings müsste dann auch eine Verbindung zu anderen Getränke- und Lebensmittelvorräten hergestellt werden, damit der Kühlschrank nicht unnötig viel nachbestellt. Schließlich müsste man das Gerät selbst noch in einen von den eigenen Räumen abgetrennten Bereich verbannen. Denn das Sicherheitsrisiko durch wechselnde Lieferanten wäre sonst zu groß. Doch dann wartet man doch lieber auf die Bestellung oder geht selbst einkaufen.
Wie Samsung-Managerin Diefenbach sagt, wolle man den Kunden auch nicht den "Wocheneinkaufspaß" nehmen. Vielmehr gehe es um das Wissen, welche Lebensmittel sich im Kühlschrank befinden und was nachgekauft werden müsse. Das biete schon einen Mehrwert, weshalb ihr und andere Unternehmen nach Lösungen für die Kommunikation zwischen Kühlschrank und Smartphone suchen, zum Beispiel über den EAN-Strichcode.
Fazit: Cool, aber nicht absolut sicher
Mit Smartphones, Tablets und Smart-TVs wird die oft als dröge bezeichnete Netzwerkthematik plötzlich cool. Bei aller Begeisterung für Smart Home ist keine der eingesetzten Übertragungs- und Verbindungstechniken absolut zugriffssicher, es sei denn es handelt sich um ein komplett in sich geschlossenes System, das dann wieder keinen Fernzugriff erlaubt. Je smarter das Leben wird, desto greifbarer wird das Schreckgespenst von der totalen Überwachbarkeit. An Omas kleinem Häuschen werden Hacker, NSA und Co. wohl weniger Interesse haben. Unternehmen müssen jedoch in weitergehende Sicherheitsmaßnahmen investieren.