Die Gelegenheiten, an denen Edward Snowden sich öffentlich geäußert hat, kann man an einer Hand abzählen. Somit war sein erstes Fernsehinterview seit der Flucht nach Moskau eine kleine Sensation. Schließlich hat er die Weltmacht USA und deren mächtigen Geheimdient NSA bloßgestellt, und seine Dokumente über die Überwachungsprogramme ungeahnten Ausmaßes sorgen weiterhin für Aufsehen. Doch dann sagte Snowden genau das, was er bisher auch gesagt hat. Wer auf politische Forderungen hoffte, wurde enttäuscht: Damit fühlt der 30-Jährige Computerexperte sich sichtlich unwohl.
Das Gespräch prägte ein Hauch von Steifheit. Snowden thronte auf einem riesigen Stuhl, im Hintergrund leuchteten verschnörkelte Lampen von einer Anrichte. Ein ehemaliger Kollege erzählte der US-Webseite "Forbes" einmal, Snowden habe bei der Arbeit häufig einen schwarzen Kapuzenpulli mit dem Aufdruck einer Bürgerrechtsorganisation getragen. Die Öffentlichkeit kennt ein anderes Bild des ehemaligen Systemadministrators der NSA: Bei seinen wenigen Interviews und Auftritten war er stets akkurat gekleidet.
Seine Äußerungen sind ebenso zurückhaltend. Er wolle nicht den Journalisten vorgreifen, sagt er während des Interviews gleich mehrmals. Sie sollen entscheiden, "was im öffentlichen Interesse liegt und was veröffentlicht werden sollte". Das ist ein Stück weit notwendige Taktik. Denn Snowden bekam Asyl in Russland auch unter der Bedingung, dass er keine weiteren Informationen veröffentlicht, die den USA schaden. Er muss also darauf bedacht sein, dass nicht der Eindruck entsteht, er steuere die Enthüllungen.
Gleichzeitig hat er mit seiner Entscheidung, tausende geheime Dokumente an Journalisten zu übergeben, große Erwartungen auf sich gezogen. Der 30-Jährige will die Rolle des politischen Vordenkers allerdings nicht annehmen. Mit Forderungen ist er vorsichtig, auch wenn er eine dezidierte Meinung zu den Überwachungsprogrammen hat. "Der Knackpunkt ist, dass die Überwachung und der Missbrauch nicht dann stattfinden, wenn Leute sich die Daten ansehen. Sie geschehen, wenn Leute die Daten überhaupt sammeln", sagt er.
Die Technik dahinter kennt Snowden genau. Er weiß, wie der Geheimdienst NSA arbeitet. Detailliert beschreibt er, wie die Software "XKeyscore" funktioniert. "Es ist eine einzige Anlaufstelle, über die man an alle Informationen der NSA gelangt." Analysten könnten einzelne Personen verfolgen: "Ich kann Ihren Benutzernamen auf einer Webseite auf einem Formular irgendwo herausfinden, ich kann Ihren echten Namen herausfinden, ich kann Beziehungen zu Ihren Freunden verfolgen, und ich kann etwas bilden, das man als Finderabdruck bezeichnet, das heißt eine Netzwerkidentität, die einzigartig für Sie ist."
Wer einmal im Visier ist, kann sich nicht mehr verstecken: "Egal wohin Sie auf der Welt gehen, egal wo Sie versuchen, Ihre Online-Präsenz, Ihre Identität zu verbergen, kann die NSA Sie finden." Auch der BND benutzt nach Berichten des "Spiegel" die "XKeyscore"-Software. Die Zusammenarbeit des BND mit der NSA und den Diensten von Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien sei "eng", sagt Snowden. Solche Informationen wollen auch deutsche Politiker gerne von Snowden bekommen. Die Grünen erneuerten ihre Forderung, den Amerikaner vor einem Untersuchungsausschuss im Bundestag zu befragen. (dpa/rs)