Der Diskussion um eine möglicherweise neu entstehende Rolle eines Chief Digital Officers setzt Ernst & Young (EY) eine Studie über CIOs entgegen, die als besonders digital affin gelten können. Der Report "Born to be digital" basiert auf einer quantitativen Umfrage unter 467 IT-Entscheidern und auf qualitativen Interviews mit ausgewählten CIOs.
"Aufgrund ihres Fachwissens haben CIOs die besten Voraussetzungen, um großen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung zu nehmen - gerade angesichts der erheblichen Umwälzungen im Zuge der digitalen Transformation", sagt Olaf Riedel, verantwortlicher Partner für EY in der DACH Region. Führende CIOs beschreibt er als "sehr offen" gegenüber Ratschlägen und neuen Trends. "Das ist wichtig, da sie ansonsten Gefahr laufen, dass andere Manager oder neue Spezialisten wie der Chief Digital Officer sie abhängen und sich als interne digitale Experten etablieren", so Riedel.
Die Befragten selbst halten die Mitarbeit an der Unternehmensstrategie für die wichtigste Fähigkeit eines digital affinen CIO (83 Prozent der Nennungen). Gute Kenntnisse der jeweiligen Branche und Schlüsselmärkte nennen 70 Prozent.
CIOs, die den digitalen Wandel in ihrem Unternehmen mitgestalten, legen vor allem auf einen engen Austausch mit dem CEO wert. Außerdem pflegen sie - zumindest laut Selbsteinschätzung in der Umfrage - einen engen Austausch mit dem CMO (Chief Marketing Officer).
Die 6 Merkmale des CIO
Aufgrund der Befragung und den CIO-Gesprächen benennt EY sechs Charakteristika als typisch für einen digital affinen CIO:
1. Vision und Umsetzung
Ein digital affiner CIO entwickelt eine Vision davon, wo sein Unternehmen hin will - allerdings ist diese umsetzungstauglich. Das heißt: Der CEO entwirft eine Vision neuer geschäftlicher Aktivitäten, der CIO arbeitet an der technologischen Umsetzung dieser Vorgaben.
Laut Philipp Erler, CIO von Zalando, kann sein Team weit mehr als nur Prozesse unterstützen. "Wir sind in der Lage, geschäftskritische Prozesse zu beschreiben und zu definieren, wie wir sie verändern werden."
2. Innovation
Sowohl im Hinblick auf ganze Geschäftsmodelle als auch auf einzelne Produkte und Services treibt der digital affine CIO Innovationen voran. Dabei kann es beispielsweise um neue mobile Schnittstellen gehen, um den Einsatz von Social Media in der Kommunikation mit den Kunden des Unternehmens oder neue Erkenntnisse aus intelligenter Daten-Analyse.
EY zitiert den CIO einer großen chinesischen Versicherungsgesellschaft, der sich Anonymität ausbedungen hat, mit den Worten: "In unserem Geschäft erwartet der Vorstand, dass die IT genug Innovationskraft aufbringt, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen."
3. Wachstum und die nötige Kooperation
EY betont, wie stark digital affine CIOs das Wachstum ihres Unternehmens zu ihrem eigenen Ziel machen. Dafür suchen sie den Schulterschluss mit Top-Entscheidern wie etwa dem Chief Marketing Officer (CMO). Als Beispiel einer solch gelungenen Zusammenarbeit gelten Michael Golz, der CIO Americas von SAP, und CMO Jonathan Becher.
Becher verweist auf den vielzitierten Spruch, wonach die Hälfte des Werbe-Budgets hinausgeschmissenes Geld sei - man wisse nur leider nicht, welche Hälfte. "Das zählt nicht mehr als Entschuldigung", sagt er. Heute sei es durch intelligente Daten-Analysen möglich, die Wirksamkeit aller Marketing-Aktivitäten zu messen.
4. Verständlichkeit
Das Entwickeln einer technologischen Vision ist das eine - das andere ist, diese auch verständlich zu machen. Laut EY sind digital affine CIOs auch in kommunikativen Skills überdurchschnittlich stark.
Diego Calegari, Spanish South American CIO Executive bei IBM, formuliert das so: "Storytelling is a key skill."
5. Mehr als Operations und Infrastruktur
EY will keinem CIO nahelegen, Operations und Infrastruktur seien unwichtig. IT-Chefs müssen sicherstellen, dass diese Bereiche so effizient wie möglich laufen - brauchen sich aber nicht zwingend selbst darum zu kümmern.
"Wir haben pro Jahr 150 Projekte am Laufen", sagt etwa CIO Herman de Prins vom belgischen Pharmakonzern UCB. "Ich traue meinem Team zu, diese gut zu managen." Dadurch könne er sich auf die Gebiete konzentrieren, auf denen er die digitale Transformation mitgestalten will. Positiver Nebeneffekt: mehr Zeit für externes Netzwerken.
6. Mut zum Risiko
Digital affine CIOs brauchen einen gewissen Mut zum Risiko, konkret zur Einschätzung neuer Technologien. Das erfordert Experimentierfreudigkeit und das Bewusstsein dafür, dass nicht alleDigitalisierungsprojekte den erhofften Nutzen bringen werden.
Nicht einfach - zumal angesichts des allgegenwärtigen Kostendrucks, wie EY selbst einräumt. Kronzeuge ist hier nochmals de Prins. Ihm sei es gelungen, die IT-Betriebskosten um ein Viertel zu senken. Dieses Geld stehe nun für Innovationen bereit.