Die Bundesbildungsministerin versprach "einen großen Sprung nach vorn". Flächendeckend sollten die Schulen in Deutschland mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, WLAN und Geräten versorgt werden. Doch in der Amtszeit von Ex-Ressortchefin Johanna Wanka (CDU) wurde es nichts mehr mit dem schon im Oktober 2016 angekündigten Digitalpakt. Nun sind Bund und Länder unter Zugzwang, Digitalisierung hat plötzlich Vorrang. Wie kann sie aussehen, die neue digitale Welt?
Quietschende Kreide auf der Tafel gehört am Robert-Koch-Gymnasium im niederbayerischen Deggendorf der Vergangenheit an. Die Schule setzt auf moderne Technik: Möglich macht das ein im vergangenen Jahr eingeweihter, gut 20 Millionen Euro teurer Neubau. Die Lehrer unterrichten an Smartboards - über Computer steuerbare Tafeln. "Sie bieten weitreichende Vernetzungsmöglichkeiten mit Dokumentenkameras, mit Lehrer- und Schülercomputern, Datenbanken und dem Internet", sagt Schulleiter Heinz-Peter Meidinger.
Als Präsident des Deutschen Lehrerverbands ist Meidinger bekannt - ein Lobbyist für klassische Bildungsideale und den Traditionsberuf Lehrer. Sein internetfähiges Gymnasium sieht der 63-Jährige als Modell für die kreidefreie Schule.
Lehrer unterrichten an Smartboards
Alle hätten hier den Ehrgeiz, die Möglichkeiten zu nutzen. "Die Schüler finden die Tafeln natürlich toll, aber dieser Anfangseffekt schleift sich bald ab.". Entscheidend findet Meidinger, die Technik pädagogisch gewinnbringend einzusetzen. Ein schlechter Unterricht werde durch digitale Geräte nicht besser. Guter Unterricht könne so aber noch effektiver und abwechslungsreicher gestaltet werden.
Davon, den Unterricht zu stark auf Lernprogramme auszurichten, hält Meidinger nichts. Auch im Zeitalter der Digitalisierung bleibe der Lehrer die entscheidende Vermittlungsinstanz. Ohne persönlichen Austausch werde Lernen eindimensional und langweilig.
Neuste Technik und Breitbandanschluss gehören noch immer zu den Ausnahmen. Allein im wohlhabenden Bayern sind von den rund 400 Gymnasien wohl keine zwei Dutzend so ausgestattet wie Meidingers Schule. Wenn alle maroden oder sanierungsbedürftigen Schulen in Deutschland saniert würden, koste es 34 Milliarden Euro, sagt Meidinger unter Berufung auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Gerade in Berlin und den neuen Ländern seien viele Schulen marode.
Koalitionsvertrag sieht 5 Milliarden Euro vor
Warum tut sich Deutschland bisher so schwer, seine rund 40.000 staatlichen Schulen in die digitale Zukunft zu führen? Nachdem Wanka den Digitalpakt angekündigt hatte, stand erstmal der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf der Bremse. Nun sind im Koalitionsvertrag erneut 5 Milliarden Euro dafür vorgesehen, allerdings nur 3,5 Milliarden bis zum Ende dieser Wahlperiode. Doch wie es konkret gelingen soll, alle Schulen auf neusten digitalen Stand zu bringen, ist erst in Grundzügen zu sehen.
Schon im Juni zwar zurrten die Länder in ihrer Kultusministerkonferenz (KMK) Eckpunkte fest, wie sie die Digitalisierung umsetzen wollten. Die geplante Arbeitsteilung: Der Bund finanziert die Technik, die Länder kümmern sich um Lehrer-Weiterbildung und pädagogische Umsetzung. Unklar bleibt aber selbst jetzt, nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags und dem Regierungsstart, wie das Ganze umgesetzt werden soll.
Denn die Länder wachen streng darauf, dass ihre Bildungszuständigkeit nicht beschnitten wird. Dennoch: Jetzt scheinen die Zeichen auf Realisierung des Großprojekts zu stehen. Wanka-Nachfolgerin Anja Karliczek (CDU) will digitale Ausstattung zu einem "neuen Schwerpunkt" machen. KMK-Präsident Helmut Hulter (Linke/Bildungsminister Thüringen) sagt: "Die Länder wollen zügig mit dem Bund in Gespräche über die Ausgestaltung des Digitalpakts eintreten." (dpa/rs)