Was hat der Rasen eines Fußballplatzes mit Predictive Maintenance zu tun? Nichts? Nein, denn das Grün im Fußballstadion ist ein wichtiges Asset, ohne das es ein spannendes Match nicht geben kann. Klar, der Rasen muss kurz geschnitten sein, denkt sich der Laie. Aber sonst?
Gerade für technisch versierte Kicker ist die Qualität des Geläufs entscheidend. Gerade zwischen den Spielen sei die Pflege des oft strapazierten Rasens eine Wissenschaft für sich, wie Uwe Stadler, Betriebsleiter der Münchner Allianz Arena, berichtet. Hier schlägt die Stunde der absoluten Spezialisten, dern sogenannten Greenkeeper, denn: Je besser das Spielfeld, desto besser das Spiel und damit das Erlebnis für die Besucher.
Rasenpflege- eine Wissenschaft
Mit dem einfachen Wässern des Grüns ist es nicht getan, leidet der Rasen doch nicht nur unter den Spielen, sondern auch unter den eher widrigen Umweltbedingungen eines Stadions. Beispielsweise muss der Rasen in der Allianz Arena etwa beleuchtet werden, da es im Stadion zu wenig Sonne gibt. Ebenso muss die Wassermenge genau dosiert werden, denn im Gegensatz zu einer normalen Wiese, die durch Wind und Sonneneinstrahlung getrocknet wird, fehlt dieses Regulativ im Stadion weitgehend. Und ein feuchter Rasen ist anfällig für Pilze.
Natürlich verstehen die Greenkeeper in der Allianz Arena ihr Handwerk, aber es gibt Umstände, da sind auch sie machtlos. Fällt beispielsweise im Winter die Rasenheizung aus, dann ist nicht nur das Spiel gefährdet, sondern auch das Spielfeld - und zwar auf längere Sicht.
Predictive Maintenance in der Allianz Arena
Warum also kein Predictive Maintenance für den Rasen eines Fußballstadions einführen? Gemeinsam mit Siemens - der Münchner Konzern ist seit 2017 offizieller Performance Partner des FC Bayerns - machte man sich an das Projekt. Ziel war es zum einem, per Predictive Maintenance Ausfälle technischer Systeme, insbesondere der Rasenheizung, künftig zu vermeiden. Zum anderen sollten die Greenkeeper bei ihrer täglichen Arbeit entlastet und unterstützt werden, indem sie genaue Daten über den Rasenzustand, Düngemenge, Wasserbedarf etc. erhalten.
Den Partnern spielte dabei in die Hände, dass die hierfür benötigte Sensorik mittlerweile deutlich günstiger erhältlich ist als noch vor einigen Jahren. Für die Pflege des Rasens wurde eine MindSphere-basierte App entwickelt. Darüber können etwa die Wasserzufuhr, die Beleuchtungszeit oder die Belüftung für den Rasen gesteuert werden. Mittels KI soll zudem ein Forecast der Bedingungen ermöglicht werden, so dass die Rasenpflege proaktiv geändert werden kann.
Noch ist das Handwerkszeug im Stadion nicht hundertprozentig IoT-fähig. Geräte zum Düngen etwa müssen noch mit der entsprechenden Sensorik nachgerüstet werden. Und bei manchem Device ist eine IoT-Zukunft grundsätzlich unsicher, so bei den Rasenmähern der Allianz Arena. Hier handelt es sich um von Muskelkraft angetriebene Handrasenmäher, da diese laut Betriebsleiter Stadler als einzige sicherstellen, dass das gemähte Gras vollständig aufgefangen werden kann. Eine Nachrüstung dieser rein mechanischen Rasenmäher mit Sensorik erscheint derzeit nicht sinnvoll abbildbar.
Allianz Arena auf dem Weg zum smarten Stadion
In der Allianz Arena wird das Internet of Things nicht nur auf dem rasen Einzug halten. Mittelfristiges Ziel ist es laut Stadler, das Stadion zu einem Smart Building mit automatisiertem Management weiterzuentwickeln, bei dem die Vielzahl an Elementen, auf denen die Infrastruktur basiert, in Echtzeit überwacht werden. Und last, but not least soll MindSphere dem FC Bayern dabei helfen, eine eigene Facility-Management-App zu entwickeln. Darüber könnten dann Betriebszeiten und Verfügbarkeiten gesteuert werden.
Im Endausbau könnte das intelligente Stadion seine Besucher dann automatisch durch das Gebäude führen - etwa in der Halbzeit zum Bierausschank mit der kürzesten Schlange oder nach Spielende in den Fanshop. Oder das intelligente Gebäude hilft, die Ausfahrt der Fans aus dem Parkhaus der Allianz Arena, zu beschleunigen. Schließlich sind die Parkhaus-Schlangen nach dem Ende einer Veranstaltung berüchtigt.
Letzteres sind allerdings noch Visionen, auch wenn mit Siemens an verschiedenen IoT-Projekten auf MindSphere-Basis parallel gearbeitet wird. Im Vordergrund steht dabei erstmal eine höhere Ausfallsicherheit der technischen Komponenten im Stadion. Mit Schaudern erinnert sich Betriebsleiter Stadler noch an den kostspieligen Komplettausfall einer Kältemaschine. Wie man sich erzählt, hatte damals ein Bauteil der Maschine seltsame Geräusche von sich gegeben. Da aber an das Bauteil schwer heranzukommen war, schenkte dem niemand weitere Beachtung, bis die Maschine komplett ausfiel.
Mit KI zur automatisierten Besucherführung
Solchen Ausfällen will man in der Allianz Arena künftig per Predictive Maintenance vorbeugen. Dazu sollen die entsprechenden Maschinen und Devices mit IoT-Sensoren ausgerüstet werden - auch nachträglich. Auf diese Weise sollen Stromversorgung, Heizung, Lüftung, Klimaanlagen und andere Maschinen in Echtzeit überwacht und mögliche Ausfälle bereits im Vorfeld erkannt werden. An den entsprechenden Algorithmen für KI und Machine Learning arbeiten die Bayern gemeinsam mit Siemens und den Universitäten.
Im Endausbau soll dann das smarte Stadion die Besucherführung automatisch übernehmen. Die Kosten für die Realisierung sind, wie Stadler einräumt, hoch. Doch ein perfektes Stadionerlebnis ist den Machern des FC Bayern wichtig.