Auch wenn die Entwicklung im Bereich Machine Learning und Künstliche Intelligenz voranschreitet, müssen wir uns in komplexen Digitalisierungsprojekten doch nach wie vor auf das Wissen und die Erfahrung menschlicher Berater verlassen. Dabei ist eine sorgfältige Auswahl unerlässlich. Folgende fünf Tipps geben Hilfestellung:
1. Kombinationen aus IT-Expertise und Domänenwissen bevorzugen
Nur wenige digitale Vorhaben entstehen innerhalb einer Disziplin. Wir arbeiten heutzutage in cross-funktionalen Teams, abteilungsübergreifend und interdisziplinär. In einem Workshop sitzen häufig die Vertreter des Fachbereichs, der Informatik, der Produktentwicklung, der Rechtsabteilung und, nicht zuletzt, externe IT-Dienstleiter am gleichen Tisch. Daher müssen IT-Berater in der Lage sein, in einem solchen Team zu arbeiten, entsprechende Fachlichkeit aufzunehmen und diese zu verarbeiten. Nur so kann man sicherstellen, dass Interessen der Stakeholder berücksichtigt und, vor allem, widerspruchsfrei gemacht wurden.
Ein Beispiel: Ein führender schweizerischer Logistikdienstleister hat sich entschieden, den Fakturierungsprozess zu digitalisieren. Gefragt wurden Spezialisten für ERP-Systeme und Datenintegration. Die Fakturierung –inklusive Preisberechnung – erfolgt zwar in einem ERP-System, es müssen jedoch vorgängig die Leistungsdaten automatisch konsolidiert und validiert werden.
Dieses technische Know-how alleine ist keine Erfolgsgarantie. Entscheidend waren Kenntnisse der zugehörigen Finanzprozesse, insbesondere zugehöriger Compliance und der Anforderungen Interner Kontrollsysteme (IKS). Mit diesem Domänenwissen ist es dem Digitalisierungspartner gelungen, einen neuen Fakturierungsstandard zu entwickeln, der von der Fachseite als spürbare Verbesserung wahrgenommen wurde.
2. Konzeption und Implementierung aus einer Hand wählen
Wir alle kennen das: gute Idee, schlechte Umsetzung. Daher sind IT-Dienstleister, welche Konzeption und Implementierung aus einer Hand anbieten, durchweg eine gute Wahl. Mit der Beteiligung am Umsetzungsprozess entwickeln die Berater ein verlässliches Gefühl für machbare, pragmatische und– vor allem – nachhaltige Lösungen.
Wieder ein Beispiel: Eine schweizerische Versicherung lancierte neue digitale Services für ihre Kunden. Mit einer neuen App sollten Kunden und Interessenten jederzeit in der Lage sein, eine Versicherungspolice direkt auf dem Smartphone zu rechnen und aktuelle Informationen zu ihrem Versicherungsschutz abrufen zu können. Kunden sollen in der Lage sein, eine Schadensmeldung abzugeben und Vertragsanpassungen zu machen.
Die Fragen der Datensicherheit, Plattformunabhängigkeit und einer einfachen Bedienung sind in diesem Fall genauso wichtig und erfolgsentscheidend, wie das betriebswirtschaftliche Konzept an sich. Das Versicherungsunternehmen hat sich für einen IT-Dienstleister entschieden, der sowohl Managementberatung als auch technische Umsetzung aus einer Hand anbieten konnte.
Fairerweise muss man anmerken, der IT-Dienstleiter nicht alles unter einem Dach haben muss. Eine strategische Allianz aus einer Unternehmensberatung und einem IT-Dienstleister ist an dieser Stelle völlig ausreichend. Wichtig ist, dass die beiden zusammen einheitlich auftreten.
3. Erfahrungen im Umgang mit Unsicherheit bei digitalen Vorhaben einfordern
Digitalisierungsprojekte sind bekanntlich von großer Unsicherheit geprägt. Es ist unklar, ob die Idee fruchtet, ob das Konzept wie geplant überhaupt umsetzbar ist und der Kunde darauf anspricht. Daher sind agile Methoden für die Realisierungsphase häufig eine gute Wahl. Man kann an dieser Stelle insbesondere über Scrum nachdenken. Kurze Entwicklungszyklen und schnelles Kundenfeedback sind die richtigen Ansätze, um mit solchen Unsicherheiten umzugehen. Daher sollte man ruhig dieses Thema mit dem externen Dienstleister diskutieren. Sie können prüfen, ob der Einsatz von Scrum sich für das konkrete Vorhaben lohnt.
Ein weiteres effektives Werkzeug im Umgang mit der Unsicherheit ist die Erstellung eines MVP (Minimum Viable Product). Der Begriff stammt aus der Gründerszene und beschreibt einen kleinstmöglichen Umfang an Funktionalität, der einen Business-Nutzen stiftet. Mit einem MVP lassen sich digitale Vorhaben gut erproben. Sollte beispielsweise ein Fakturierungsprozess digitalisiert werden, so kann die Abrechnung für eine bestimmte Kundengruppe oder geografische Region ein geeignetes MVP sein, um das Vorhaben zu erproben. Ein MVP wird umgesetzt und produktiv genutzt. Durch das Feedback der Anwender lässt sich das weitere Vorgehen steuern.
Gute IT-Dienstleister kennen die Arten der Unsicherheit bei Digitalisierungsprojekten und können durch eine geeignete Methodenauswahl helfen, diese Unsicherheit und damit verbundene Risiken zu minimieren.
4. Den Unterschied zwischen Coaching und Beratung kennen
Das Beratungsgeschäft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wo früher hinter geschlossenen Türen Business-Blueprints geschrieben wurden, finden heute Open-Space-Veranstaltungen und Mitarbeiter-Workshops statt. Berater treten anders auf und führen ein anderes Leistungsportfolio.
Neben der klassischen Beratung wird öfters das Coaching angefragt. Ein Coach befähigt seinen Schützling, übernimmt aber keine aktive Rolle in der eigentlichen Durchführung des Vorhabens. Wie bei einem Tennis-Coach: Er beherrscht die Technik des Spielens und bringt seinem Schüler diese Technik bei, übernimmt aber nicht das eigentliche Spielen für ihn.
Bei der Planung eines digitalen Vorhabens sollte man auch darüber nachdenken: Wo ist ein klassischer Berater gefragt und wo kommt man mit einem Coach weiter?
5. Einen digitalen Business Case aufstellen
Seien wir ehrlich: Unabhängig davon, wie spannend ein digitales Vorhaben ist, wird dieses im Endeffekt durch Eigentümer oder Investoren finanziert. Und die Geldgeber wollen ihre Erfolgsaussichten kennen. Dafür wird in der Regel ein Business Case erstellt. Bei digitalen Vorhaben ist es nicht anders.
Es ist verständlich, dass es oft schwer fällt, den Nutzen aus einem digitalen Projekt klar zu bestimmen und in Zahlen zu übersetzen. Andererseits existieren einige Methoden und Tools, um risikoreiche und unsichere Investments zu bewerten. Da wo die klassische NPV-Methode (Net Present Value, Kapitalwertmethode) nicht anwendbar ist, kann beispielsweise die Bewertung mit einem Real-Options-Ansatz vorgenommen werden.
Bei der Erstellung eines digitalen Business Case muss den Entscheidern unbedingt deutlich gemacht werden, dass Kosteneffizienz und Qualität nicht immer die einzigen Ziele des digitalen Vorhabens sind. Es geht mehr um Agilität und Wandlungsfähigkeit, um später ohne grossen Aufwand Prozesse an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Aus Sicht des Kundennutzens geht es oft um Kundenzentrierung, die kurze Reaktionszeiten und individualisierte Prozesse erfordert.
Eine gute Beratungsfirma, die sich auf die Digitalisierungsberatung spezialisiert, ist durchaus in der Lage, einen belastbaren digitalen Business Case zusammen mit dem Management des Kunden zu entwickeln. Wichtig ist, dass realistische Annahmen getroffen und die Risiken ehrlich bewertet werden.