Gotzing, ein Zwölf-Seelen-Dorf aus dem Bayerischen, geriet einmal bundesweit in die Schlagzeilen. Der Dialektpfleger Hans Triebel stellte ein Verkehrsschild auf, das das Örtchen als "Tschüss-freie Zone" auswies. Aus der Landeshauptstadt München kam ein zustimmendes "Mia san mia!". In München befindet sich auch einer der zwei Standorte von Swiss Life Deutschland. Der andere liegt in Hannover. Da also, wo man das beste Deutsch des Landes hochhält.
Dieses Bild mag illustrieren, was Matthias Trabandtmeint, wenn er von "zwei historisch gewachsenen, unterschiedlichen Kulturen" der beiden Standorte spricht. Trabandt ist Chief Operating Officer (COO) und oberster IT-Entscheider bei der deutschen Tochter desVersicherungskonzerns. Ende 2012 beschloss die Firmenspitze, die Standorte kulturell enger zusammenwachsen zu lassen. Eine gemeinsame gute Kultur, geprägt durch den Begriff der Wertschätzung, sollte entstehen. Jeder Mitarbeiter soll sich und die Kollegen besser kennenlernen, jeder soll sein eigenes Potenzial besser entwickeln können. Im Idealfall denkt und handelt der einzelne Mitarbeiter unternehmerisch.
These: das Interne wirkt nach außen
Konkret geht es vor allem um das Aufbrechen von Silos, leichteren Wissens- und Informationsaustausch sowie bessere Zusammenarbeit. "Das wollen wir auch zum Differenzierungsmerkmal machen", erklärt Trabandt. Die Firmenspitze ist überzeugt davon, dass die interne Kultur nach außen wirkt. Dass man diese Wirkung nicht messen kann, wird hingenommen.
2013 kam der Schweizer Markus Leibundgut zu Swiss Life Deutschland, zunächst als COO und damit Mitglied der Geschäftsführung. Seit April 2014 ist er CEO. Er brachte Erfahrungen des Cultural Change aus dem Heimatkonzern mit. Im Frühjahr 2014 wechselte auch Trabandt, zuvor CIO von Novartis, zur Swiss Life. Gemeinsam mit drei Kollegen - dem Chief Financial Officer sowie den Leitern Vertrieb und Versicherungsproduktion - stellen sie seitdem die Geschäftsführung. 2015 begannen die Manager, neue Führungs- und Verhaltensrichtlinien zu erarbeiten.
Der Change gilt als Chefsache. In Kooperation mit den Personalern folgt die Swiss Life einem Top-Down-Ansatz. Trabandt war klar: "Unser Ziel erreichen wir nicht, indem wir alle in ein Seminar schicken." Die Firmenspitze wollte nachhaltige Veränderungen erreichen. 2016 erhielten alle Führungskräfte eine "Train the Trainer"-Ausbildung. Danach ging es in die Fläche.
Manche Führungskraft sperrte sich
Auf dieser Fläche läuft es nicht immer glatt. Als die Führungskräfte ihre Teams nach den neuen Verhaltens- und Kommunikationsregeln schulen wollten, gab es schon mal Reaktionen wie: "Müssen wir dann alle im Kreis sitzen und Räucherstäbchen anzünden…?" Im Rückblick kann Trabandt darüber schmunzeln. Er weiß: "Viele der anfangs größten Skeptiker sind heute die größten Fans!" Übrigens gab es auch unter den Führungskräften Fälle, in denen die Firmenspitze zu hören bekam: "Ich trainiere meine Leute nicht, das ist nicht meine Aufgabe!"
In die Fläche heißt bei der Swiss Life, dass Trabandts IT-Team dieselben Schulungen bekommt wie der Kantinenchef und seine Leute. "Das bewegt die Menschen", beobachtet der COO. In den Schulungen lernen die Kollegen zum Beispiel, anderen auf wertschätzende Weise Feedback zu geben, oder in den eigenen Verhaltensweisen zu erkennen, wo man einen "roten Knopf" hat. Und eben nicht mehr an die Decke zu gehen, wenn dieser Knopf gedrückt wird.
Die Swiss Life Deutschland gewährte für den Change insgesamt fünf Tage pro Mitarbeiter. So wurde die Belegschaft etwa zu Schulungszwecken in München und Hannover in Hotels eingeladen. "Viele unserer Mitarbeiter wohnen natürlich in diesen Städten", sagt Trabandt, "aber wir wollten, dass man abends noch bei einem Glas Wein an der Bar zusammensitzt und sich unterhält."
Rund drei Jahre braucht ein solcher Change
Rund drei Jahre, schätzt die Firmenspitze, braucht man für einen solchen Change. Trabandts Motto: besser langsam und nachhaltig. Mit dem Ergebnis bei Swiss Life Deutschland ist er sehr zufrieden. Es gibt heute viel mehr Austausch zwischen IT- und Fachabteilungen. Die Sachbearbeiter kennen sich untereinander, aus den Fachbereichen geht man aktiv auf die IT zu. Dass auch die IT hinter dem Veränderungsprozess steht, führt der COO auf die Anwendung von Scrum zurück. Das ist seiner Erfahrung nach sehr viel mehr als eine agile Methode der Software-Entwicklung. Scrumsei eine Arbeitsweise, die zu mehr Kommunikation zwischen denProjektbeteiligten führt, beobachtet er.
Auch die HR-Abteilung (Human Ressources) als Treiber und Organisator äußert sich positiv. Wird nach Vorstellungsgesprächen ein Bewerber zurück an den Aufzug begleitet, höre man oft: "Mir gefällt der Umgang hier!"