"Ihren Namen, bitte! In welcher Branche arbeiten Sie? Nein, Sie dürfen nicht mit Ihrem Fahrzeug auf das Unternehmensgelände fahren! Wir schicken einen Fahrer." Am Tor zum McLaren-Technologiecenter im britischen Woking bekomme ich bereits beim Pförtner eine erste Ahnung, wie McLaren tickt.
Entworfen vom britischen Stararchitekt Norman Foster, eröffnet von der Queen: Das extravagante Bauwerk sieht aus wie ein gelandetes UFO und gilt als das modernste im Motorsport überhaupt.
Im Inneren keine Spur von trister Bürogebäude-Atmosphäre. Die Räumlichkeiten erinnern eher an eine Galerie. Neben Formel-1-Boliden aus der über 50-jährigen Geschichte von McLaren mischt sich High-Tech. Jeder Schritt in das Innere des Gebäudes macht eines immer wieder deutlich: McLaren legt penibel sehr großen Wert auf jedes Detail.
McLaren - das zweiterfolgreichste Formel-1-Team in der Geschichte - lässt sich nicht lumpen. Dieses Gebäude setzt einerseits die Unternehmensphilosophie - dem Streben nach absoluter Perfektion - konsequent fort. Andererseits "soll es die Mitarbeiter zu Höchstleistung motivieren", sagt Stuart Birrell, CIO der McLaren Group. Er weiß nur zu gut, was es heißt, hohe Standards zu erfüllen.
Beim Daten-Management der McLaren Group setzt der CIO auf Zentralität. Auf den sogenannten "Strategie-Servern" im Technologiecenter in der englischen Stadt Woking, 40 Kilometer von London entfernt, liegen alle Formel-1-Trainingsdaten, die Qualifying-Daten sowie alle verfügbaren Daten von jedem Rennen und von jedem der beiden Formel-1-Boliden. Hinzu kommen Analysen, Vorausberechnungen, Wetter-Daten, Aerodynamik-Daten aus dem hauseigenen Windkanal usw. "Das ist Big Data", sagt der CIO mit einem Lächeln auf den Lippen.
Wie abhängig die Formel-1-Renningenieure mittlerweile von diesen Daten sind, zeigte sich im Rennen im italienischen Monza Anfang September dieses Jahres. Dort sind die Fahrerdaten ausgefallen, erinnert sich Birrell. Das ist sofort ein Nachteil. Denn "Entscheidungen werden an Hand von Daten getroffen", so Birrell weiter. Doch nicht erst während des Formel-1-Rennens am Sonntag, sondern bereits am Donnerstag davor steht der Plan fest, in welcher Runde das Formel-1-Team mit welchem Fahrer welche Strategie verfolgt. Da werden Szenarien für Boxenstopps in Verbindung mit eintretendem Regen oder dem Safety Car durchgespielt, um nur ein Beispiel zu nennen.
Entscheidungen in Echtzeit treffen
Doch nicht alles lässt sich im Voraus simulieren. Genauso wichtig ist es, "Entscheidungen in Echtzeit zu treffen", weiß Birrell. Für die Zusammenarbeit der Renningenieure an der Strecke mit den Experten im Technologiecenter in Woking setzt der CIO eine SaaS-Plattform von Intralinks ein. "Es sind mehrere Hundert Ingenieure und Partner an der Entwicklung des Formel-1-Autos beteiligt - rund um die Uhr, das ganze Jahr. Auch während des Rennwochenendes steht der Innovationszyklus nicht still", erklärt der CIO.
McLarens wichtigste Anforderungen an das Collaboration-System: Die IT-Abteilung muss die Sicherheit jedes einzelnen Dokuments sicherstellen. Ausnahmslos alle gesammelten Daten unterliegen höchster Geheimhaltung. "Wenn ein Dokument in die falschen Hände fällt, erleidet McLaren Nachteile. Das IT-Team muss sicherstellen, dass es zu keinen unrechtmäßigen Datenaustausch kommt", erklärt Birrell.
Die Daten und Dokumente bleiben stets im Besitz von McLaren. Da es nicht selten vorkommt, dass McLaren-Mechaniker von anderen Formel-1-Teams abgeworben werden, ist diese Sicherheitsmaßnahme nicht unerheblich, um Datendiebstahl vorzubeugen.
Wie wichtig mobiles Arbeiten mit Notebooks oder Tablets für das Team ist, weiß der CIO nur zu gut. Es geht nicht ohne. Seiner Einschätzung nach ist die Sicherheit über die Plattform gewährleistet. Denn bei Verlust eines mobilen Geräts gehen keine sensiblen Daten verloren oder gelangen in die Hände konkurrierender Formel-1-Teams, so Birrell weiter. Alle Daten bleiben auf den Servern in Woking. Die mobilen Devices haben nur Zugang zur Plattform.
Und wo viele Daten sind, da ist auch Excel nicht weit. Das Plugin-freie System von Intralinks nutzt die Microsoft Office Applikationen. Neben Excel öffnen die McLaren-Mitarbeiter Powerpoint, Word und Co. im Browser.
Ringen um tausendstel Sekunden
Vor dem Rollout der Collaboration-Lösung nutzte das McLaren-Team FTP-Zugänge, E-Mails oder Filesharing-Dienste wie Dropbox. Für CIO Stuart Birrell war es so unmöglich, eine Datenhoheit herzustellen. Welche Daten welcher Mitarbeiter wann wem zur Verfügung stellte, wusste am Ende keiner so genau. Versionskonflikte bei Dokumenten zum Beispiel von Design-Spezifikationen kosteten vor allem Zeit. Zeit, die McLaren nicht hat, sagt Stuart Birrell: "Wir müssen sicherstellen, dass unsere Renningenieure einen einfachen und sicheren Zugang zur letzten Version der Strategie haben - auch wenn die am anderen Ende der Welt gemacht wird. Arbeiten wir mit veralteten Plänen, könnte das bedeuten, tausendstel Sekunden pro Runde liegen zu lassen. Und die machen am Ende den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage."
Fakten zum Formel 1 Team McLaren Mercedes (Saison 2014):
Budget: 170 Millionen Euro (viertgrößtes Formel-1-Budget hinter Mercedes, Red Bull und Ferrari)
Mannschaftsstärke: 560 (drittgrößte Mannschaft der Formel 1)
Fahrer: Jenson Button und Kevin Magnussen
Teamchef: Eric Boullier
Technikdirektor: Tim Goss
Teammanager: David Redding
Aerodynamikchef: Peter Prodromou
CIO: Stuart Birrell
Fahrzeug: McLaren MP4-29
Motor: Mercedes-Benz PU106A Hybrid
McLaren Racing Team:
Gegründet: 1963
Gründer: Teddy Mayer, Bruce McLaren