Retrospektive in Scrum

So gelingt konstruktives Feedback im Team

26.01.2018 von Markus Fidelak
Im Framework Scrum zählt der Sprint und dessen Analyse längst zum Standard im Projektmanagement sowie der Softwareentwicklung. Wie jeder Scrum Master die Teamarbeit im Projekt mit Hilfe der Retrospektive verbessern kann, erklärt dieser Ratgeber.
  • Die Retrospektive eignet sich besonders in heterogenen Teamstrukturen.
  • Ergebnisse können auf Wunsch in Mitarbeitergespräche einfließen.
  • Die Selbstreflexion ist Bestandteil von Feedback-Runden.

In Scrum-Projekten sind Retrospektiven ein integraler Bestandteil der Projektarbeit. Sie dienen dazu, den vorangegangenen Sprint zu analysieren, um sowohl aus Fehlern als auch aus positiven Geschehnissen zu lernen. Dadurch sollen die Teamarbeit kontinuierlich verbessert und der Projekterfolg sichergestellt werden. Eine auf Feedback von Kunden, Vorgesetzten und Kollegen ausgelegte Retrospektive bietet darüber hinaus die Chance, daraus einen Nutzen für die persönliche Weiterentwicklung zu ziehen.

Ein faires und konstruktives Feedback aller Teammitglieder in der Retrospektive kann den Projektverlauf positiv beeinflussen.
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Besonders wertvoll ist in Scrum das Feedback von Personen aus dem direkten Arbeitsumfeld, denn selbst erfahrenen Führungskräften fällt es oft schwer, ihren Mitarbeitern konstruktive Rückmeldungen zu geben, wenn sie nicht unmittelbar mit ihnen zusammenarbeiten. Feedback-Gespräche im Projektteam bergen jedoch auch einige Herausforderungen, die es zu meistern gilt: Manche Kollegen möchten zum Beispiel nicht als "Besserwisser" wahrgenommen werden und trauen sich daher nicht, offen auf Schwächen und Stärken anderer hinzuweisen. Andere äußern Kritik und sind dann überrascht, wenn es negative Reaktionen gibt.

Besonders herausfordernd ist der Feedback-Prozess in Teams, die eine sehr heterogene Struktur aufweisen: beispielsweise, wenn Mitarbeiter des Kunden zum Team gehören, oder auch in Projektgruppen, die aus Mitarbeitern mehrerer organisatorischer Einheiten zusammengestellt sind. Hier bestehen oft Hemmungen, die den offenen und ehrlichen Austausch behindern. Und auch wenn sowohl der Bedarf als auch der Wunsch nach Resonanz vorhanden ist, fehlt es oft am Wissen, wie ein Dialog zu erfolgen hat und welche Regeln beim Feedback sinnvoll sind.

Die nachfolgend erläuterte Methode liefert Teammitgliedern einen Rahmen, sich fair und konstruktiv Feedback zu geben. Entwickelt wurde dieses Vorgehen für die Retrospektive von Projektteams, wo Softwareentwickler, Vorgesetzte und Mitarbeiter des Kunden zusammenarbeiten und jeweils über einen sehr unterschiedlichen Erfahrungsschatz verfügen. Gruppen also, deren Zusammenstellung ein direktes und offenes Feedback - sowie den konstruktiven Umgang damit - spürbar erschweren.

Folgende acht Schritte helfen, eine Retrospektiven so zu gestalten, dass es relativ leicht ist, ein offenes und für den einzelnen wertvolles Feedback zu geben Dabei stellen der vorgesehene Ablauf sowie die speziellen Fragestellungen sicher, dass sich die Teilnehmer tatsächlich konstruktives Feedback geben und Wertschätzung füreinander zeigen. Selbstverständlich kann auch der Scrum Master als Teammitglied aktiv an der Retrospektive teilnehmen - in diesem Fall muss jedoch ein externer Moderator die Feedback-Runde leiten.

Feedback und Retrospektive in Scrum-Projekten
Retrospektive und Feedback in Scrum-Projekten
Scrum Manager haben die Möglichkeit, den Projekterfolg durch die Analyse des Sprints zu verbessern. Zielführend sind dabei die Retrospektive und das Feedback der Teammitglieder - ein Vorgang, den der Scrum Manager mit Diplomatie moderieren muss. Folgende Methodik mit Arbeitsblättern hat sich bewährt.
Feedback - Schritt 1
Für die Retrospektive erhält jedes Teammitglied ein vorbereitetes Blatt mit seinem Namen und zwei Fragen: "Was kann man von mir erwarten?" und "Was erwarte ich vom Team?"
Feedback - Schritt 2
Der Feedback-Bogen wird um zwei Bereiche ergänzt: "Was ich an Deiner Arbeit schätze ..." und "Was ich Dir wünsche, das Dir besser gelingt ..."
Feedback -Schritt 3
Der Feedback-Bogen wird an den Tischnachbarn weitergegeben, von diesem ausgefüllt und so lange weitergegeben, bis jeder Teilnehmer wieder sein persönliches Blatt vor sich liegen hat – jetzt mit dem schriftlichen Feedback aller beteiligten Teammitglieder.
Selbstreflexion
Zwei weitere Bereiche kommen hinzu – sie dienen der eigenen Reflexion des erhaltenen Feedbacks: "Darauf bin ich stolz ..." und "Das nehme ich mit ..."
Vorgehensmuster
Nach diesem Grundmuster lassen sich Retrospektiven zu einem späteren Zeitpunkt erneut wiederholen.

Schritt 1: Die Vorbereitung

Benötigt werden: ein namentlich gekennzeichnetes und mit den entsprechenden Fragen/Bereichen vorbereitetes Blatt für jeden Teilnehmer, idealerweise im DIN-A2-Format, ein ausreichend großer Tisch sowie Filzstifte.

Schritt 2: Die Einstimmung

Eine kleine Übung zum Einstieg sollte den Teamkollegen ein anderes, entspanntes Setting ermöglichen und Abstand zum Tagesgeschäft schaffen. Beispiele für mögliche Aufgaben:

Zeitrahmen: ca. 15 Minuten.

Schritt 3: Erwartungshaltung ermitteln

Die Retrospektive beginnt mit einer Selbstreflexion der Teilnehmer. So wird allen klar, dass es vorrangig um den Einzelnen geht. Dafür beantwortet jeder Teilnehmer schriftlich für sich die folgenden zwei Fragen auf seinem Blatt:

Zeitrahmen: ca. 10 Minuten.

Schritt 4: Schriftliche Feedback-Runden

Nach der Einstiegsphase beginnt die Feedback-Runde. Dazu sollen alle Teilnehmer die folgenden zwei Sätze auf ihrem persönlichen Blatt notieren:

Danach reicht jeder Teilnehmer sein Blatt an seinen Tischnachbarn weiter. Dieser vervollständigt schriftlich die beiden oben genannten Bereiche. Dabei sollte der Moderator beziehungsweise Scrum Master nochmals betonen, dass sich die Antworten nicht auf die Person beziehen sollen, sondern auf die geleistete Arbeit.

Die spezifische Formulierung der Feedback-Bereiche stellt auch bei offensichtlichen Kritikpunkten sicher, dass das Feedback wertekonform ausgedrückt wird. Bereits von anderen Teammitgliedern notierte Aspekte dürfen nicht wiederholt werden, können aber gegebenenfalls präzisiert oder durch konkrete Beispiele erläutert werden.

Dieser Teil der Aufgabe wiederholt sich so lange, bis jeder Teilnehmer wieder sein persönliches Blatt vor sich liegen hat. Das Resultat: Jeder hat für jeden sowohl Lob als auch Verbesserungspotenziale aufgeschrieben.

Zeitrahmen: 7 Minuten pro Runde.

Schritt 5: Die Selbstreflexion

Die Retrospektive wechselt nun wieder vom gegenseitigen Feedback in die Selbstreflexion. Jeder liest sein persönliches Feedback, welches die anderen Teammitglieder auf dem Blatt notiert haben. Die Selbstreflexion kann wertvoller werden, indem die Teilnehmer Verständnisfragen zu dem Feedback stellen, das sie erhalten haben. Dadurch kann ein offener Dialog entstehen, der den einzelnen Teilnehmern weiter hilft.

Hier sollte sich der Moderator explizit Gedanken über die Teamdynamik machen: Anschuldigungen und Rechtfertigungen gilt es zu verhindern. Gegebenenfalls sollten vor dem Einstieg in den Dialog nochmals grundsätzliche Feedback-Regeln erläutert werden, zum Beispiel Senden einer Ich-Botschaft, entsprechend dem Feedback-Model "WWWW" - Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch, Werte - oder nach dem Model "BAHN" - Beobachtung, Auswirkung, Hintergrund, Nachfrage.

Folgende Fragen können darüber hinaus helfen, persönliche Schwerpunkte zu setzen, weshalb zwei Bereiche auf dem Blatt vorgesehen sind:

Zeitrahmen: 10 Minuten.

8 Vorteile von Scrum
Schneller als Plan-Build-Run
Die Anforderungen an Software verändern sich im Laufe der Entwicklung oft erheblich - anders als bei einem Auto zum Beispiel. Dem tragen agile Methoden wie Scrum Rechnung.
Besseres Ineinandergreifen
Bei traditioneller Softwareentwicklung greifen Zahnräder oft nicht ineinander, sondern sie rotieren nebeneinander vor sich hin. Scrum sorgt für nahtlosere Prozesse.
Jeder spricht mit jedem
Bei vielen Softwareprojekten mangelt es an gelungener Kommunikation, bei Scrum ist regelmäßiges Feedback für alle Beteiligten Pflicht.
Mehr Qualität
Mit Hilfe von Scrum entwickelte Software ist in der Regel besser als andere, weil hier frühzeitig das Feedback der Kunden integriert wurde.
Chaos führt nicht zu Panik
Chaotisch ist Scrum insofern, als sich der damit verbundene Prozess nicht einfach mit einem Pfeil beschreiben lässt, der links auf dem Blatt Papier anfängt und irgendwo rechts aufhört. Sondern er ist mehrdimensional. Wenn sich alle an bestimmte Regeln halten, läuft trotzdem nichts aus dem Ruder.
Im Mittelpunkt: Der Mensch
Scrum heißt Gedränge. Und es bedeutet, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen in dem Sinne, dass ihm die Methode ermöglicht, effizient und gleichzeitig kreativ zu arbeiten.
Automatisierte Tools statt Selbstgestricktes
Oft verwendet jede Abteilung eigene Anwendungen, um Entwicklungsschritte zu dokumentieren, zum Beispiel Excel. Automatisierte, vor allem einheitliche Tools beschleunigen hier die Abläufe erheblich.
Nicht nur am Ende testen
Zeitgemäße Entwicklungsumgebungen erlauben es, auch einzelne Module zwischendurch zu testen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Schritt 6: Die Selbstoffenbarung

Im Anschluss an die Selbstreflexion erläutert jeder Teilnehmer den anderen Teammitgliedern, welche der notierten Aspekte für ihn persönlich besonders relevant erscheinen. Um tatsächlich Änderungen vornehmen zu können, sollte jeder nur ein oder zwei Schwerpunkte zur persönlichen Verbesserung setzen und versuchen, diese nachhaltig zu verbessern, anstatt viele Aspekte jeweils nur ein bisschen anzugehen. Die Entscheidung, was dem Team gegenüber transparent gemacht wird - und was nicht -, trifft jeder Einzelne für sich.

Die Selbstoffenbarung kann erweitert werden, indem die Teilnehmer, die dies möchten, die Kollegen im Hinblick auf bestimmte Aspekte um Unterstützung bitten.

Zeitrahmen: 2 Minuten pro Teilnehmer.

Schritt 7: Der Ausklang

Zum Abschluss der Retrospektive sollte jeder kurz erläutern, was ihn an dieser Feedback-Runde überrascht hat und/oder was ihm besonders gefallen hat.

Zeitrahmen: 1-2 Minuten pro Teilnehmer

Schritt 8: Nachhaltigkeit sichern

Der Scrum Master sollte die Teilnehmer ermutigen, sich das Feedback immer wieder einmal anzusehen und zu reflektieren, eventuell kann er das Team auch nach einigen Wochen aktiv daran erinnern. Ebenso kann es sinnvoll sein, nach fünf bis sechs Monaten eine weitere Retrospektive zu veranstalten, die entweder auf der vorherigen aufbaut oder lediglich in der gleichen Form wiederholt wird.

Fazit

Die hier beschriebene Form der Retrospektive wurde bereits mehrfach in Softwareentwicklungs-Teams, die mit Scrum arbeiten, praktiziert und von diesen als hilfreich erachtet. Sie hat sich besonders bei der Arbeit mit Teams bewährt, die schon eine Weile im Rahmen eines Projekts zusammenarbeiten, in denen sich der offene Austausch aufgrund sehr heterogener Strukturen aber schwierig gestaltet. Gerade wenn klar ist, dass das Team in dieser Zusammensetzung noch über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt, kann diese Form des Feedbacks dazu beitragen, dass sich die Zusammenarbeit und die Produktivität spürbar verbessern.

Ebenso eignet sich die Methode auch für Feedback-Runden im Kontext von Teamklausuren. Die Ergebnisse können auf Wunsch des Mitarbeiters auch im regulären Mitarbeitergespräch berücksichtigt werden. Das Ziel ist dabei stets, Wertschätzung für die Kollegen zu zeigen und gleichzeitig den eigenen blinden Fleck hinsichtlich persönlicher Verbesserungspotenziale zu verkleinern.