In den Punkten Umsatz, Kundenzufriedenheit und Innovation haben diverse und inklusive Unternehmen die Nase vorn. Zu diesem Schluss kommt die Studie "The key to designing inclusive tech: Creating diverse and inclusive tech teams" des Capgemini Research Institute. Doch wie die Studie auch zeigt, sind Vielfalt und Inklusion eine Frage des Blickwinkels.
So sind beispielsweise 77 Prozent der befragten Führungskräfte der Ansicht, dass es in ihrer Organisation eine Mischung von Beschäftigten mit unterschiedlichem Hintergrund gibt. 88 Prozent der befragten Frauen und Angehörigen ethnischer Minderheiten in technischen Positionen sehen das anders. Es scheint somit noch ein weiter Weg zu sein, bis Diversität und Inklusion für alle Beschäftigten im Alltag spürbar und damit auch in den Unternehmenszahlen greifbar werden.
Lesetipp: Kostenloses Karriere-Sonderheft - Die IT muss Vorreiter für Diversity sein!
Diversität und Inklusion - eine Definition
Vielfalt und Inklusion sind zwei eng miteinander verknüpfte Begriffe, die wir zunächst getrennt betrachten.
Diversität (Vielfalt) meint die Unterschiede zwischen Menschen anzuerkennen, zu respektieren und wertzuschätzen. Dabei geht es um mehr als die Vielfalt von Geschlecht und Nationalität, wie die Studie betont: “Vielfalt bezieht sich auf das Vorhandensein von Unterschieden in einem bestimmten Umfeld. Im Kontext eines Tech-Teams oder am Arbeitsplatz bezieht es sich im Allgemeinen auf das Vorhandensein von Personen mit unterschiedlichem Hintergrund einschließlich (aber nicht beschränkt auf) Geschlechtsidentität, ethnische Zugehörigkeit (Rasse, Religion, Nationalität und so weiter), sozioökonomischer Status, sexuelle Orientierung, körperliche oder geistige Fähigkeiten und Lernstil” [Übersetzung der Verfasserin] (Capgemini Research Institute 2021: 3).
Inklusion hingegen bedeutet Einbeziehen. “Bei der Inklusion geht es darum, ein Gefühl der Zugehörigkeit, der Wertschätzung und des Respekts am Arbeitsplatz zu schaffen, insbesondere für unterrepräsentierte Gruppen” [Übersetzung der Verfasserin] (Capgemini Research Institute 2021: 3).
Quoten für Diversitätsmerkmale wie Geschlecht, Alter und Nationalität oder ein bestimmtes Budget für Inklusionsinitiativen können Fortschritte auf dem Weg zu integrativen IT-Teams messbar machen. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es jedoch mehr als Quoten und Kennzahlen. Es braucht die subjektive Erfahrung der Teammitglieder, dass sie in ihrer Unterschiedlichkeit respektiert, für ihre vielfältigen Sichtweisen geschätzt und trotz ihrer Andersartigkeit Teil der Gemeinschaft sind.
"Diversität und Inklusion sind dann erreicht, wenn die Zahlen auf den PowerPoint-Folien des Managements und das Gefühl der Teammitglieder die gleiche Sprache sprechen."
Vielfalt ist kein Erfolgsgarant
Die IT hat die besten Voraussetzungen, um eine Vorreiterrolle bei Vielfalt und Inklusion zu übernehmen und integrative Tech-Teams zu ihrem Hochleistungsmotor zu machen. Die Technik schafft dazu den optimalen Rahmen.
Virtuelle Arbeitsplätze ermöglichen schon heute die Teamarbeit von Experten aus aller Welt und die unterschiedlichen Nationalitäten bringen automatisch Vielfalt in die Teams. Doch es wird noch vielfältiger. In der IT sind immer mehr Kollegen aus anderen Disziplinen als der klassischen Informatik vertreten. Zunehmend finden sich dort Mathematiker zum Beispiel im Bereich Data Science, Psychologen in Rollen wie dem Scrum Master oder Betriebswirte im Bereich der Geschäftsprozess-Software SAP. Das oft außerhalb der IT vorherrschende Bild von technischen Nerds ist also längst überholt. IT ist bunt und wird immer bunter. Ein Erfolgsgarant ist das allerdings nicht.
Die Technologie macht es möglich, über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, aber die Vielfalt führt oft dazu, dass neue Mauern errichtet werden. Eine bunte Mischung aus erfahrenen Kollegen und jungen Leistungsträgern scheint die optimale Kombination zu sein, um Projekte schneller zum Ziel zu bringen. Das Team kann auf den Erfahrungsschatz der erfahrenen Kollegen zurückgreifen, Risiken antizipieren, mehrfach gescheiterte Lösungsansätze vermeiden und Projekte mit hoher Leistungskraft zum Ziel führen. Dies gelingt aber nur, wenn das Team seine Vielfalt akzeptiert und gezielt einsetzt, um die bestmögliche Lösung für den Kunden zu entwickeln. Gelingt dies nicht, wird Vielfalt zur Zerreißprobe.
Eine große Altersspanne wirft beispielsweise die Frage nach dem Umgang mit Seniorität auf. Wiegt das Wort eines erfahrenen Kollegen mehr als das eines jüngeren Experten? Wie können jüngere Kollegen einen konträren Standpunkt mit Nachdruck vertreten und gleichzeitig den erfahrenen Experten Wertschätzung entgegenbringen? Wenn Teams auf diese und viele weitere Fragen keine Antworten finden, verlassen Diskussionen schnell den Boden der Tatsachen und enden in wenig lösungsorientierten Diskussionen, wie “Das haben wir schon immer so gemacht” und “Das kann man auch jahrelang falsch gemacht haben”, die weder dem Arbeitsklima noch einer Lösung dienlich sind.
Die Art und Weise, wie Teams mit ihren Unterschieden umgehen, entscheidet also maßgeblich darüber, ob integrative Teams ihr volles Leistungspotenzial ausschöpfen können und damit Unternehmen in puncto Umsatz, Kundenzufriedenheit und Innovation an die Spitze des Wettbewerbs bringen oder in angespannter Mittelmäßigkeit verharren. Die größte Herausforderung integrativer Teams, der Umgang mit Vielfalt, sollte daher nicht dem Zufall überlassen werden. Das muss es auch nicht - mit mediativer Teamentwicklung.
Integrative Teams systematisch aufbauen
Mediative Teamentwicklung ist eine Synthese bewährter Methoden der Teamentwicklung und der Mediation, das heißt der strategischen Konfliktlösung. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Konfliktkompetenz des Teams und weiterer für die Teamarbeit wichtiger Kompetenzen, wie zum Beispiel lösungsorientierte Kommunikation. Stolpersteine, die dem Team immer wieder in die Quere kommen, werden in diesem Rahmen gezielt bearbeitet. Zusammenarbeit und Produktivität erreichen ein neues Niveau.
Lesetipp: Servant Leadership -Wie Konfliktlösung künftig geht
Im Gegensatz zum weitverbreiteten Teambuilding, einer euphorisierenden Kurzzeitveranstaltung, mit dem Bestreben, ein “Yes, we can” zu erzeugen, ist Teamentwicklung eine systematische Begleitung des Teams über einen längeren Zeitraum, mit dem Ziel, das Team auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben.
Der Unterschied zur klassischen Teamentwicklung besteht primär darin, dass das Team am Steuer sitzt. Es definiert die zu bearbeitenden Themen, die mittels eines standardisierten Interviews erhoben werden. Die Bearbeitung der Themen erfolgt iterativ, sodass bereits während der Teamentwicklung kleine Erfolge gefeiert und am Ende die großen Ziele erreicht werden. Damit wird dem häufigen Effekt entgegengewirkt, dass man nach motivierenden Workshops mit Euphorie und vielen To-dos nach Hause geht, die dann aber im Alltag, der seine eigenen Prioritäten setzt, verpuffen.
Am Ende des mediativen Teamentwicklungsprozesses steht ein leistungsstarkes, integratives Team.
Drei häufige Herausforderungen, die integrative Teams mithilfe der mediativen Teamentwicklung meistern können, sind:
Lustvoll streiten
Kundenorientierung bedeutet, sich auf die Anliegen der Kunden zu konzentrieren. Interne Streitigkeiten lenken von diesem Ziel ab und verschieben den Fokus. Wenn Teams mehr mit sich selbst als mit ihren Kunden, Projekten und Deadlines beschäftigt sind, ist es an der Zeit, den Fokus neu auszurichten. Eine mediative Teamentwicklung kann dabei von Vorteil sein.
Sie hilft, Themen wie beispielsweise den bereits erwähnten Umgang mit Seniorität im Team zu klären, damit Diskussionen auf sachlichem Boden bleiben. Darüber hinaus können Teams lernen, mit Meinungsverschiedenheiten in Zukunft lösungsorientierter umzugehen.
Mit dem Ziel vor Augen, das bestmögliche Ergebnis für den Kunden zu erreichen, geht es darum, die Sichtweise des anderen besser zu verstehen, die wesentlichen Kritikpunkte herauszuarbeiten und als Verbesserungen in die neue Lösung einfließen zu lassen. So gewinnen die Teammitglieder Akzeptanz für unterschiedliche Sichtweisen, kommunizieren ihre divergierenden Standpunkte wertschätzender und haben Methoden in der Hand, um auch in Zukunft verzwickte Themenstellungen lösungsorientiert und zeitsparend anzugehen.Diversität und Inklusion verankern
Vielfalt ist oft schwerer umzusetzen, als man denkt. Unternehmen können die Rahmenbedingungen schaffen und Investitionen tätigen, aber es liegt auch in der Verantwortung des Teams, einen respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander in der Teamkultur zu verankern. Mediative Teamentwicklung kann das Team auf diesem Weg unterstützen.
Hier geht es darum, in der Gruppe zu reflektieren und auch unangenehme Themen besprechbar zu machen. Dazu gehören zum Beispiel Missverständnisse, die unvermeidlich sind, wenn - wie in der IT häufig der Fall - viele Nationalitäten in englischer Sprache zusammenarbeiten, ohne dass Englisch ihre Muttersprache ist. Das Team lernt so, dass alle Themen vertrauensvoll und sachlich besprochen werden können. Auf diese Weise unterstützt die mediative Teamentwicklung Unternehmen und Teams beim Praxistransfer von Vielfalt und Inklusion von der PowerPoint-Präsentation des Managements in den gelebten Alltag des Teams.Fachkräfte binden
Die besten integrativen Teams nützen den Unternehmen nichts, wenn die Teammitglieder die Organisation schnell wieder verlassen. Die Bindung von Fachkräften hat daher höchste Priorität, wenn Unternehmen das Potenzial integrativer Teams voll ausschöpfen wollen. Die Gründe, warum Kollegen das Team verlassen, können mannigfaltig sein. Viele Mitarbeiter wenden dem Unternehmen jedoch nicht den Rücken zu, weil ihre Arbeit zu stressig ist. Sie gehen, weil ihre Beiträge, ihre Eigeninitiative und ihre Ideen nicht wertgeschätzt werden.
Oder sie gehen, weil sie sich durch die zunehmend virtuelle Zusammenarbeit in der IT isoliert fühlen oder den Teamgeist vermissen, den sie aus der intensiven Zusammenarbeit im Büro kennen. Auch hier kann mediative Teamentwicklung Abhilfe schaffen. Sie ist nicht nur eine wirksame Maßnahme, um integrative Tech-Teams in Schwung zu bringen. Sie kann auch ein wirkungsvolles Instrument sein, um das verloren gegangene Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Wertschätzung - auch in der virtuellen Zusammenarbeit - wieder aufleben zu lassen.
Zusammenfassend schafft die mediative Teamentwicklung eine Win-Win-Situation. Sie entwickelt integrative Teams zu Hochleistungsmotoren für zukunftsorientierte Unternehmen. Sie bringt Vielfalt und Inklusion in die Praxis und hilft Unternehmen, Fachkräfte zu binden. Wer möchte nicht Teil eines Unternehmens sein, in dem Wertschätzung, Respekt und Zugehörigkeit nicht nur auf PowerPoint-Folien sichtbar, sondern auch im Alltag spürbar sind? (bw)