Häufig versuchen die Mitarbeiter IT-Probleme selbstständig zu lösen. Mit oftmals mäßigem Erfolg. Doch woran liegt es, dass sich die Menschen nicht direkt an den IT-Support wenden? Schlechte Erfahrungen? Klar: Langwierige Fehlersuchen, schwer nachvollziehbare Abläufe und lange Wartezeiten auf die Bearbeitung des Tickets frustrieren. Dabei liegen diese Probleme meist nicht an der Qualität des Supports, sondern häufig an einer dünnen Datenbasis sowie an hapernder Verständigung zwischen IT-Anwender und -Support.
Das müsste aber gar nicht sein. Denn dem Gefühl von Anwendern, die IT mache sich erst ans Werk, wenn bei ihnen "nichts mehr geht", stellt sich im Bereich IT-Operations die "Shift-Left"- Methode. Die Idee dahinter: Es geht vor allem darum, den Zeitaufwand zurückzufahren, bis Fehler gefunden werden - und gleichzeitig festzustellen, bei welchen Geräten das gleiche Problem besteht oder vermutlich bald auftritt. Der Nutzen: Der Support kann anhand eines Issues und seiner Genese im besten Fall andere ähnliche Vorfälle rechtzeitig "abfangen" - und so schneller und präventiv statt reaktiv den Anwendern in den Fachabteilungen zur Seite stehen. Das minimiert nicht nur den Frust am digitalen Arbeitsplatz, sondern stärkt auch die Position des Support-Teams.
Ticket-Eskalationen möglichst vermeiden
"Shift Left" heißt die Methode übrigens, weil sie vom Bild eines klassischen Ticket-Supports ausgeht, dessen Eskalationskurve typischerweise von links unten nach rechts oben immer weiter ansteigt. Tritt beispielsweise eine IT-Störung auf, und ein Mitarbeiter ruft im Helpdesk an, kann der Betroffene oft keine wirklich präzisen Angaben zum Issue machen. Dem First-Level-Support fehlt jedoch häufig eine wirkliche Datengrundlage, um auf Basis von ausreichenden Informationen sofort zu handeln. Die Folge: das Ticket wird an den Second-Level-Support weiter rechts auf der Kurve eskaliert.
Inzwischen haben sich unter Umständen Folgestörungen im Nachgang des ersten Issues aufgetan, und auch andere Kollegen berichten plötzlich von Störungen an ihren digitalen Arbeitsplätzen - das Problem wird umfassender. Infolgedessen wird angesichts der erhöhten Komplexität der Third-Level-Support ganz rechts oben eingeschaltet, was die Ticket-Kosten in der Regel deutlich in die Höhe treibt. Der "Shift Left"-Ansatz möchte aus diesem Grund möglichst viel Handlungsspielraum im linken Bereich der Eskalationskurve herstellen, um ein Ausschlagen nach rechts oben zu verhindern.
Aber wie soll das gehen? Hier kommen wieder die Datenbasis und die Verständigung zwischen Anwender und IT ins Spiel: Weil oft an keiner Stelle im Unternehmen Klarheit darüber herrscht, mit welchen Geräten, Anwendungen oder Websites sich die Clients eigentlich verbinden, gleicht die Ursachenforschung im Fall einer Störung immer mehr einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen - denn die Daten fehlen. Im Umkehrschluss: Je mehr Daten schnell und leicht verständlich verfügbar sind, umso schneller und präziser lässt sich der Support-Prozess gestalten. Ist die Problemmeldung durch den Mitarbeiter zudem wenig präzise ("Mein WLAN funktioniert nicht" oder "Ich kann nicht drucken"), besteht zudem eine kommunikative Hürde: Der Hilferuf lässt nicht erkennen, ob das Problem schon länger besteht, mit anderen Auffälligkeiten einher geht, ob das Phänomen nur an einem Client oder an mehreren vorliegt, und ähnliches mehr.
So ist der IT-Support gezwungen, nach dem Trial- and Error-Prinzip nach den Ursachen des jeweiligen Problems zu suchen. Und es beginnt bei vielen IT-Störungen ein teurer, stets wiederkehrender Prozess mit langwierigen Suchen durch das IT-Personal - über alle Ticket-Level hinweg. In der Folge leben sich Fachabteilungen und IT-Support gern immer weiter "auseinander", und Unverständnis, Vorurteile oder Vorwürfe machen sich breit. Ein sehr reales Szenario: Nur ein gutes Drittel der Mitarbeiter geht davon aus, ihr optimales Arbeitserlebnis sei der Unternehmens-IT wirklich ein Anliegen, wie die Studie "Mind the Gap" herausgefunden hat.
Proaktives Handeln entlastet den IT-Support
Zudem kann es neue Perspektiven im IT-Support erschließen, sich von der gewohnten Denkweise - hier der "Problem-Client" samt seinem ratlosen Nutzer auf der einen Seite und da der schwer fassbare IT-Support auf der anderen Seite - zu verabschieden. Sinnvoller ist es, Nutzer und ihre persönlichen Anwender-Erlebnisse viel näher an den IT-Support "heran zu rücken", so dass sowohl definierte Störungs-Indikatoren als auch die "gefühlte" IT-Zufriedenheit am digitalen Arbeitsplatz in den Support-Prozess einfließen können. Im Sinne des "Shift Left" geschieht dies am besten schon möglichst weit links auf der "Support-Kurve": Stehen dem First-Level Support mehr relevante Daten zur Verfügung, können Support-Anfragen nicht nur schneller gelöst werden, sondern Second- und Third-Level-Support müssen auch seltener involviert werden.
Ein konsequenter "Shift Left" im IT-Support bezieht zudem folgenden Gedanken in seinen Ansatz ein: Das "klassische" IT-Monitoring beschränkt sich in der Regel auf Server- und Applikationsperformance. Sieht hier beim Blick ins Backend alles unauffällig aus, ein User an seinem Arbeitsplatz kann aber trotzdem nicht mailen oder drucken, droht schon wieder Konfliktpotenzial. Daher ist es ratsam, neben dem rein technologischen Monitoring auch das Anwender-Erlebnis der User an ihren Clients im Blick zu behalten. Tritt der Support dann kontextbezogen und vor allem proaktiv mit dem User in Kontakt, baut sich Unmut gar nicht erst auf.
Auch alleine, dass der Anwender die Gewissheit bekommt, dass ein Problem erkannt wurde und die IT sich bereits damit befasst, ist ein wichtiges emotionales Signal, um Stress am digitalen Arbeitsplatz zu vermeiden. "Ihre Festplatte läuft demnächst voll - Sie können Schritt x gehen, um Problem y zu vermeiden" oder "Ihre CPU-Auslastung ist am Anschlag - Folgen Sie bitte folgendem Prozess, um wieder schnellere Reaktionszeiten zu erreichen…" sind proaktive Signale aus der IT, die Vertrauen schaffen.
Ausblick
Sich das "Shifting Left" im IT-Support zum strategischen Wegweiser zu machen, kann sich also durchaus lohnen. Finanziell aufgrund reduzierter Ticket-Laufzeiten und -Kosten - und atmosphärisch, was die Kooperation von Fachabteilungen, IT-Support und Geschäftsleitung angeht. Da in fast allen Unternehmen die IT-Infrastrukturen immer komplexer werden und der IT-Betrieb aufgrund von immer mehr Anwendungen und Devices immer seltener mit manuellen Prozessen zu stemmen ist, wird Automatisierung immer bedeutender.
Dann können Clients, die vergleichbares Verhalten oder ähnliche Charakteristik zeigen, im Hintergrund supportet werden. So muss der Anwender gar nicht mehr in die Problematik involviert werden, sondern erhält nur noch eine Information, dass gerade eine ganze Reihe nahender Probleme gelöst wurden.
Zusätzlicher Vorteil der Automatisierung im IT-Management: Die IT braucht nicht erst abzuwarten, bis ein Mitarbeiter gerade freie Kapazität hat, etwa einen zeitkritischen Sicherheits-Patch aufzuspielen. Alle Clients mit ähnlichem Profil werden automatisiert mit dem Patch versehen - im besten Fall, während der Anwender einfach ungestört an seinem Gerät weiterarbeitet.