Der erste Kontakt mit der digitalen Zukunft im Bonner Showcase ist ernüchternd: Eine eher einfache gehaltene Lounge mit kleinen Tischen empfängt den Besucher. Auf einem thront als einzige Reminiszenz an das Kommunikationsalter stolz ein FeTAp 611-2a.
Dieser Fernsprechtischapparat - so damals die offizielle Bezeichnung - in seinem unbeschreiblichen Grün, erinnert gerade den älteren Besucher daran wie nachhaltig und schnell Transformationsprozesse sein können: 1984 hatten erst 88 Prozent der bundesdeutschen Haushalte einen Telefonanschluss und Telefone wie das obige wurden von der Deutschen Bundespost eher zugeteilt statt vermarktet. Damals schien es unvorstellbar, dass wir einmal über Glasfaser und Gigabit-Gesellschaft diskutieren und fast jeder Bundesbürger statistisch gesehen zwei Handy-Verträge besitzt.
Lässt man diese Entwicklung Revue passieren, dann erscheint die Digitale Transformation, wie sie die Telekom in Bonn in der T-Gallery, wie die Telekom Design Gallery auch genannt wird - gar nicht so revolutionär. Viele Technologien sind nämlich schon längst vorhanden, werden aber in der Ausstellung neu miteinander vernetzt. Genutzt wird die T-Gallery in der Regel für Veranstaltungen mit Geschäftskunden.
Die intelligente Zeitung
Der Ausflug in die digitalisierte Zukunft beginnt in den eigenen vier Wänden: So wird die Haustüre per NFC geöffnet oder auch einfach per Smartphone. Das Haus erkennt auch, wer es gerade betritt und passt so Temperatur und Beleuchtung an den jeweiligen Besucher an. Und beim Fernsehen wird ihm die Werbung kontextsensitiv und orientiert an seinen Interessen eingeblendet. Entgegen dem allgemeinen Motto "Print ist tot", findet sich auch in der digitalen Zukunft die gedruckte Zeitung, allerdings in geänderter Form.
So ist etwa die Zeitungswerbung interaktiv. Berührt der Leser sie, startet sie mit weiterführenden Inhalten auf dem Fernseher - dies könnte etwa mit elektronischer Tinte realisiert werden . Dieses Beispiel offenbart zugleich ein grundlegendes Problem der Digitalisierung: viele Szenarien sind mit den heutigen Datenschutzgesetzen nicht realisierbar, da sie vom Sharing der Daten leben. Eine Schwierigkeit, die sich wie ein roter Faden durch das Szenario zieht.
Hat unsere intelligente Zeitung das Interesse für ein Produkt geweckt, steht eigentlich einer Bestellung nichts im Wege. Da wir aber einen SmartRing - dieses Produkt wird im Showcase verwendet - kaufen wollen und sich dieser sowohl in Sachen Farbe und Material individualisieren lässt, soll er natürlich vor dem Kauf im Shop anprobiert werden. Den passenden Shop und den Weg dorthin zeigt mir gleich das Smartphone.
Der smarte Shop
Unterwegs, in der Nähe des Shops angekommen, vereinbart in der Zukunft mein Smartphone automatisch einen Termin mit einem Kundenberater und zeigt mir, wann dieser frei ist. Eine Idee, von der sich so manche deutsche Behörde inspirieren lassen könnte - statt Nummern ziehen ein intelligentes Besucher-Management einsetzen. Dies ist nur ein Anwendungsfall, der einem spontan einfällt.
Vor dem Shop empfängt uns dann ein Digital Signage. Im Gegensatz zu heute empfängt uns dieses jedoch mit personalisierten Inhalten und Angeboten. Auch der Shop selbst hat sich verändert: die zeitraubende Suche nach Ersatzbatterien, Tintenpatronen oder Glühbirnen gehören der Vergangenheit an.
Den Such-Job übernehmen jetzt intelligente 3D-Scanner: In sie wird das Produkt gelegt, gescannt und dann blinkt am intelligenten Verkaufsregal das Preisschild bei der passenden Ware. Sollte diese einmal nicht vorrätig sein, veranlasst das System automatisch eine Bestellung und Lieferung an die Adresse des Kunden. Dabei hat dieser keinen Mehraufwand, denn von der Bestellung über das Sendungs-Tracking bis hin zur Lieferung ist durch die Digitale Transformation eine Prozesskette geworden. Brüche, nicht angeglichene Datenbestände wie sie heute im Versandhandel noch vorkommen, gehören der Vergangenheit an.
Made in Germany
Gemeinsam mit dem Kundenberater konfigurieren wir unseren SmartRing und wählen Zusatzfeatures wie integriertes NFC, Schrittzähler etc. Nach Abschluss der Konfiguration landen die Daten zusammen mit der Kundenadresse direkt in der Fabrik beim Hersteller, da jeder Ring aufgrund der persönlichen Wünsche ein Unikat ist - Stichwort: Losgröße 1. Änderungen sind in der digitalisierten Welt noch bis kurz vor Produktionsbeginn möglich - sowohl vom Kunden als auch vom Hersteller. Letztere kann dem Kunden etwa noch ein Zusatzfeature offerieren, das bei Auftragsvergabe noch gar nicht erhältlich war.
Vorbei sind die Zeiten wie beim Neuwagenkauf, bei denen sich der Käufer monatelang im Voraus auf die Ausstattung festlegen musste. Produziert wird der SmartRing wider Erwarten in Deutschland, denn aufgrund der Digitalisierung und Losgröße 1 hat China seinen einstigen Wettbewerbsvorteil billiger Lohnkosten verloren. Die individuelle, hochautomatisierte Produktion der Zukunft ist eine Aufgabe intelligenter, mechanisch ausgefeilter Roboter, die lediglich von einigen Fachleuten gewartet und programmiert werden. Und diese Fachleute kosten an beiden Standorten ähnlich viel.
Dementsprechend ist man bei der Telekom auch überzeugt, dass es mit der Digitalisierung gelingt, wieder Produktion nach Deutschland zurückzuholen. Allerdings wird dies wohl nur gelingen, wenn wir endlich zu einem rationalen Umgang mit unseren Daten finden. Denn eins zeigt der Showcase der Telekom deutlich: Digitalisierung funktioniert nur mit einem Datenaustausch zwischen den unterschiedlichsten Playern. Will Deutschland hier in der erste Reihe mitspielen, dann ist die gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit unseren Daten überfällig.
Doch ein Besuch der T-Gallery zeigt noch einen anderen Aspekt: Für die Digitalisierung sind nicht zwangsläufig neue Technologien erforderlich - oft liegt das Geheimnis eines erfolgreichen Business-Konzepts "nur" in der Verknüpfung/Vernetzung bekannter Technologien zu eine neuen, intelligenteren Prozesskette. Diese ist dann entweder deutlich effizienter oder ermöglicht so neue Produktideen.