Dem vernetzten Auto gehört die Zukunft. Dies untermauert Wolfgang Bernhart, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, mit einer Prognose: "Bis 2021 werden weltweit mehr als 60 Millionen vernetzte Fahrzeuge pro Jahr verkauft." Derzeit werden um die 42 MillionenConnected Cars pro Jahr vermarktet. Der Trend zur Fahrzeugvernetzung hat Konsequenzen. "Die zunehmende Vernetzung ermöglicht zusätzliche Funktionen zwischen den Modell-Upgrades oder sogar während des Lebenszyklus eines Fahrzeugs", erklärt Bernhart, "das bedeutet, dass sich die Automobilindustrie ernsthaft mit Fragen der Cybersicherheit auseinandersetzen muss."
Digitale Transformation: Continental baut um
Eine Herausforderung, der sich das deutsche Traditionsunternehmen Continental stellt. Der Automobilzulieferer, der in wenigen Jahren sein 150jähriges Jubiläum feiert, erfindet sich gerade im Zuge der digitalen Transformation neu: Er will künftig vor allem in der Rolle als Mobilitätsdienstleister Geld verdienen. Dazu baut Elmar Degenhart, Continental-Vorstandsvorsitzender, das Unternehmen konsequent um, und errichtet unter der Dachmarke Continental Group die drei Unternehmensbereiche Continental Rubber, Continental Automotive und Powertrain.
Der Bereich Automotive soll zudem zwei neue Geschäftsfelder unter den Bezeichnungen Autonomous Driving Technologies und Vehicle Networking Technologies. Das Geschäftsfeld Autonomous Driving Technologies umfasst künftig das automatisierte und autonome Fahren sowie alle bekannten Chassis-Funktionen, darunter beispielsweise solche zum elektronischen und hydraulischen Bremsen, zur Stabilitätskontrolle und zur Fahrwerksregelung und Federung. Das Geschäftsfeld Vehicle Networking Technologies verantwortet das Geschäft der internen Vernetzung eines Fahrzeugs sowie dessen externe Vernetzung mit anderen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur.
Cybersecurity im Auto
Zwei Player in diesem Umfeld sind die Conti-Töchter Elektrobit und Argus. Mit ihnen will der Konzern seine Cyber-Sicherheitsphilosophie realisieren. Angestrebtes Ziel ist dabei ein Ende-zu-Ende Schutz der Flotten der Fahrzeughersteller vor aktuellen und zukünftigen Cyber-Gefahren. Auch wenn es sich beim Markt für Automotive Cybersecurity noch um ein sehr junges Segment handelt, rechnen Branchenkenner bis 2024 bereits mit jährlichen Umsätzen von über zwei Milliarden Dollar.
Und die Zahlen dürften noch steigen, da die Verbraucher Angst haben, dass mit der zunehmenden Automatisierung der Fahrzeuge auch die Cyber-Kriminalität steigt. Ein Phänomen, das insbesondere auf Deutschland zutrifft. Hierzulande sind laut einer Studie des TÜV Rheinland vom Februar 2018 76 Prozent der Auffassung, persönliche Daten können bei der Nutzung autonomer Fahrzeuge in unbefugte Hände gelangen. In den USA gilt das für 67 und in China für 63 Prozent.
In allen drei Ländern befürchten die Befragten gleichermaßen, dass bei autonomen Autos die Fahrzeugkriminalität durch Zugriff auf den Wagen von außen und Datendiebstahl zunehmen könnten - in den USA sogar noch stärker als in den anderen beiden Ländern (52 Prozent Zustimmung). Der Cyber-Schutz ist den Autofahrern in allen drei Ländern so wichtig, dass die Mehrheit (Deutschland 66, USA 61, China 60 Prozent) die Automarke im Fall von bekannt gewordenen Hackerangriffen wechseln würde.
Updates für Connected Cars
Damit es erst gar nicht dazu kommt, arbeiten die Conti-Töchter Argus Cyber Security und Elektrobit an Ende-zu-Ende Cyber-Sicherheitslösungen sowie Lösungen für drahtlose Updates (Over-the-Air, OTA) für alle vernetzten Elektronikkomponenten. Als Sicherheitsmaster sieht Continental dabei Gateways und In-Vehicle-Server. Das Gateway fungiert etwa als Router innerhalb des Fahrzeugnetzwerks in klassischen verteilten Fahrzeugarchitekturen oder den heutigen Domänenarchitekturen.
Hierzu integriert das Gateway Sicherheitsfunktionen von Argus und ermöglicht eine grundlegende Fahrzeugdiagnostik und Over-The-Air-Software-Updates über Elektrobit zur Überwachung der Cyber-Gesundheit des Fahrzeugs und zur Durchführung sofortiger Updates bei Bedarf. Für künftige serverbasierte Architekturen offeriert Conti dann mit dem In-Vehicle-Server einen Hochleistungsrechner, der als Netzwerkmanager und Kommunikationsschnittstelle fungiert. Außerdem dient der In-Vehicle-Server als zentrales Architekturelement, um das volle Spektrum von Over-The-Air-Updates, der Fahrzeugferndiagnose und der Cyber-Sicherheit des gesamten Fahrzeugs zu ermöglichen.
Die Sicherheitslösungen sollen unter anderem in Telematikeinheiten, Infotainmentsysteme oder Gateways vorintegriert werden. Um potenzielle Angriffe zu verhindern, offeriert Elektrobit etwa Sicherheitskomponenten für die Anwendungsebene, hardwarespezifische Sicherheitsprodukte, die AUTOSAR-Basissoftware sowie Sicherheitslösungen für Bootloader. Diese Komponenten sind für Anwendungen wie sichere Kommunikation, authentifizierte Identifikation, sichere Updates und Diagnostik entwickelt worden und bereits in Millionen von Fahrzeugen zu finden.
Neue Software kommt Over the Air
Ein Tool für sichere Updates hat Elektrobit mit cadian Sync vorgestellt. Es handelt sich um eine modulare Software, die im Zusammenspiel mit der Cyber-Security-Lösung von Argus sicherstellen soll, dass Automobilhersteller ihre Fahrzeuge auf dem neuesten Stand halten können. Die Software schafft laut Anbieter eine der Grundlagen für automatisiertes und vernetztes Fahren. Gleichzeitig verringere sie die Risiken durch Sicherheitsbedrohungen von außen.
Hierzu bildet cadian Sync einen durchgängigen, sicheren Kommunikationskanal, um Over-the-Air-Updates im Fahrzeug zu ermöglichen. Die skalierbare, hardwareunabhängige Software-Werkzeugkette unterstützt OTA-Updates für alle im Fahrzeug eingesetzten Steuergeräte (ECUs) und ist nicht auf Head Units und Infotainmentsysteme beschränkt. Zur Bedienung verfügt das Tool über ein modulares User Interface für ein nahtloses Fahrzeug-, Kampagnen- und Softwaremanagement. Das für solche Updates erforderliche Backend sowie alle notwendigen Dienstleistungen stellt Elektrobit zur Verfügung.
Neue Services realisieren
Mit dem Tool sind - wie es heißt - Angebote wie Software-as-a-Product (SaaP) oder Software-as-a-Service (SaaS) realisierbar - und das über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs. Mit diesen neuen Geschäftsmodellen können Automobilhersteller "upgrade-fähige" Autos anbieten, wenn sie mit der entsprechenden Hardware ausgestattet sind. Verbraucher können dann nach dem Autokauf oder für spezielle Anlässe zusätzliche Funktionen per Software freischalten lassen.
Auf einem Ausflug könnte der Fahrer beispielsweise den Adaptive Cruise Control aktivieren, um die Fahrt bequemer zu gestalten. Zudem könnten Automobilhersteller durch regelmäßige Updates ihrer Infotainmentsysteme konsistentere und modernere Markenerlebnisse schaffen.
Doch nicht nur neue Services sprechen für eine Update-Fähigkeit der Autos - die sich stetig ändernden und immer komplexer werdenden Risiken verlangen, dass Fahrzeuge auch im Betrieb kontinuierlich verbessert werden. Deshalb sind die Hersteller darauf angewiesen, die Funktionen ihrer Autos auch auf der Straße zu erweitern. Das gilt sowohl für die Verbesserung der Sicherheitssysteme als auch für den Schutz vor externen Cybersecurity-Bedrohungen.
Elektrobit verspricht den Produzenten dabei einen Weg zur nicht-intrusiven Wartung für die Installation neuer Softwareversionen. Ähnlich wie wir es von den Smartphones kennen, sollen Over-the-Air-Updates für Autos jederzeit und überall aufgespielt werden - sofern ein Auto nicht in Gebrauch ist.