Technologie = Stress

So stirbt die Produktivität

Kommentar  von Mike Elgan
Technologisch bedingte Krankheiten machen Ihren Mitarbeitern zu schaffen und killen deren Produktivität. Was Sie dagegen tun können, erfahren Sie hier.

Technologie wandelt sich rasant. Und die Mitarbeiter sind gezwungen, mit jeder Veränderung Schritt zu halten. Dieser Prozess ist schmerzhaft - sowohl für die Physis, als auch für die Psyche. Darum scheint auch alle paar Jahre ein neues Krankheitsbild in Zusammenhang mit Technologie aufzutauchen.

Diagnose: Technostress. Wir sagen Ihnen, was das bedeutet und wie Sie entgegenwirken sollten.
Foto: Catalin Petolea - shutterstock.com

Ich will Sie über die Mutter aller technologisch bedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen aufklären: Technostress. Dazu, muss ich jedoch zuvor ein wenig ausholen.

Als die Computer uns brachen

Business PCs kamen Mitte der 1990er Jahre in Mode. Am Anfang der 90er Jahre war es noch die absolute Ausnahme, einen Computer im Büro zur Verfügung zu haben. Zur Jahrtausendwende war Büroarbeit ohne Computer bereits undenkbar. Der intensive Gebrauch der frühen Peripherie-Geräte und ständiges Sitzen forderten schnell ihren Tribut und zogen Stresskrankheiten aller Art und auch physische Erkrankungen ("Sekretärinnenkrankheit") nach sich. Irgendwann wurde jeder zum Opfer seines PCs. Damals gehörten auch Handgelenks-Manschetten zum alltäglichen Bild in Büroräumen.

Diese Entwicklung brachte zum Beispiel ergonomische geformte Mäuse und Tastaturen hervor. Und dann kamen die 2000er Jahre und mit ihnen der Mobile Boom. Die Nutzung von Technologie im Business-Umfeld verteilte sich plötzlich auf Laptops, Blackberrys, PDAs und Mobiltelefone. Und auch das Karpaltunnelsyndrom wurde abgelöst: durch den "SMS-Daumen". Und andere Technostress-Erkrankungen, die mit dem Tippen auf einem Telefon oder Pager in Zusammenhang stehen.

Vor ungefähr zehn Jahren vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Seitdem manifestieren sich durch Technologie verursachte Gesundheitsprobleme verstärkt auf mentaler Ebene. Die Mitarbeiter in Unternehmen leiden seitdem unter allen möglichen psychologischen Syndromen: Nomophobie ("No-Mobile-Phone-Phobia"), Phantom-Vibrations-Syndrom, Bildschirm-bedingte Schlaflosigkeit, Smartphone-Sucht.

Insbesondere Smartphones stellen mittlerweile eine echte Gesundheitsgefahr dar, indem sie uns Tag und Nacht den sozialen Medien aussetzen - die bekanntlich niemals schlafen. Die Millionen von Menschen, die an Smartphone-Sucht leiden, leiden eigentlich unter Social-Media-Sucht - was ihre Produktivität, Gesundheit und allgemeine Zufriedenheit negativ beeinflusst.

Das Phänomen Technostress

Wissenschaftler haben nun ein Sammelsurium von Problemen identifiziert, das von allen Technologien, die wir nutzen, gefüttert wird. Dieser Problem-Pool wird mit dem Oberbegriff Technostress bezeichnet. So wie die Ergonomie die physischen Negativeffekte von Technologie beinhaltet, deckt Technostress die mentalen Effekte ab. Mit der Zeit führt Technostress immer wahrscheinlicher zu Zwangsneurosen: Menschen verspüren eine immer stärker wachsende Angst, wenn Sie nicht auf ihre Smartphones starren, weil sie Angst haben wichtige E-Mails - oder ganz generell irgendetwas - zu verpassen.

Solange diese Menschen online sind, überprüfen sie zwanghaft alle verfügbaren Kommunikationskanäle auf eingehende Nachrichten und fühlen sich verpflichtet, zu antworten. So verfliegen die Arbeitsstunden, und der Anteil, den Social-Media- und Messaging-Dienste für sich vereinnahmen, ist oft weitaus höher als er sein sollte.

Am Ende des Arbeitstages sind die Mitarbeiter ausgezehrt und fühlen sich, als hätten sie den ganzen Tag schwer gearbeitet. Dabei ist ihre Erschöpfung in weiten Teilen dem ständigen Wechsel zwischen verschiedenen Kommunikationskanälen geschuldet. Die Nonstop-Kommunikation löst Angst- und Stressgefühle aus.

Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, steigt die Zeit, die für digitale, soziale Interaktion verwendet wird jedes Jahr - während die Zeit, in der produktiv gearbeitet wird, konstant sinkt. Viele CIOs und IT-Manager wollen dem Problem mit neuen Technologien begegnen. Der Schlüssel aber liegt an anderer Stelle, nämlich in der Unternehmenskultur.

Wie Sie dem Stress Herr werden

Microsoft hat im Rahmen einer Studie 20.000 europäische Beschäftigte zum Thema befragt. Ein Ergebnis: Technologie führt zu Stress, der die Job-Zufriedenheit, das Engagement und die Produktivität beeinträchtigt. Darüber hinaus kommt die Umfrage zu dem Ergebnis, dass insbesondere ein Überfluss von E-Mail- und Textnachrichten sowie Social Media Posts zu Ablenkung und seelischem Leid führen.

Microsoft kommt in der Studienauswertung zu dem völlig richtigen Schluss, dass IT-Entscheider nicht nur ‚new ways to work‘ implementieren sollten, sondern ihre Mitarbeiter auch auf diesem Weg unterstützen müssen. Es gilt, den durch die digitale Disruption verursachten Stress zu bewältigen.

In der Vergangenheit konnten sich Mitarbeiter bei der Arbeit noch auf ihre Aufgaben konzentrieren, weil das Privatleben nicht präsent war. Heute sorgt insbesondere das Smartphone dafür, dass auch die private Kommunikation allgegenwärtig ist. Und das hat Folgen: Lediglich 11,4 Prozent der im Rahmen der Studie Befragten schätzen sich als "höchst produktiv" ein. So wie Technologie derzeit ausgerollt wird, hat sie also nicht den gewünschten Effekt: Sie verursacht Technostress und verringert die Produktivität, statt sie zu steigern.

9 Tipps gegen Stress
Treiben Sie Sport ...
... und ziehen Sie Yoga und weitere Meditationsübungen in Betracht. Diese Übungen sind die besten Mittel gegen Stress und tragen dazu bei, Stressgefühle abzubauen. Ganz abgesehen vom gesundheitlichen Nutzen dienen die Trainings auch dazu, den Stress besser zu managen.
Lernen Sie gut zu atmen
Obwohl wir natürlich seit unserer Geburt atmen, wissen die meisten von uns nicht, wie man richtig atmet. Viele atmen in einer oberflächlichen Art und Weise - besonders in stressbetonten oder unruhigen Zeiten. Tiefes Atmen durch den Bauch kann zur inneren Ruhe beitragen. Und es hilft, in unbequemen und angespannten Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Bringen Sie ihre Mitarbeiter an einen Tisch, um über jetzige schwere Zeiten zu sprechen
Wer sich die Zeit nimmt um darüber zu sprechen, wie die vielen Veränderungen und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz die einzelnen Mitarbeiter bewegen, kann die Arbeitsmoral heben. Es ist ein Fehler zu glauben, Menschen seien nicht verängstigt und besorgt und der Arbeitsplatz sei davon nicht betroffen.
Fordern Sie zu positiven, lösungs-orientierten Antworten auf
Die Zeiten sind angespannt und schwierige Veränderungen in Organisationen sind die Regel. Daher sind Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Offenheit so wichtig. Heute ist es mehr als je zuvor entscheidend, eine positive Einstellung in der Belegschaft auszulösen. Stellen Sie Fragen, die zu Lösungen ermuntern wie "Was läuft heute gut, was sind unsere Stärken, wie möchten wir, dass dieses Unternehmen aussieht?"
Seien Sie mit den Gedanken und mit dem Herzen bei der Sache.
Leute arbeiten intensiver für das, woran sie glauben und was sie zur Schaffung beigetragen haben. Das ist ein entscheidender Punkt, der während einer tiefgreifenden Umgestaltung am Arbeitsplatz geprüft werden muss. Was das mögliche Ausmaß des Arbeitsplatz-Wandels betrifft, sollten Mitarbeiter frühzeitig in die Entwicklung einbezogen werden.
Lernen Sie Ihre eigenen Gefühle zu erkennen
Bücher, Gruppen, Familie und enge Freunde sowie Trainer können wichtige Quellen sein, um sich den eigenen Gefühlen bewusster zu werden. Auch kann man dadurch leichter lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen, um sich über sein Verhalten im Klaren zu werden. Besonders sollte man darauf achten, wie man andere Menschen anspricht.
Geben Sie als Führungskraft ein gutes Beispiel
Was man tut oder lässt, hat direkten Einfluss darauf, was Mitarbeiter glauben, was akzeptabel ist. Seien Sie ein überzeugendes Beispiel dafür, dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben von Bedeutung ist. Essen Sie mit anderen zu Mittag und motivieren Sie Kollegen dazu mitzukommen. Auch Spaß und Lachen am Arbeitsplatz sind erwünscht, da dies Stress reduzierende Faktoren sind.
Nehmen Sie sich Zeit für gute Nachrichten
Wer sich immer nur auf das Negative konzentriert, tut weder seiner Gesundheit noch seiner Denkweise einen Gefallen. Und seien wir ehrlich: Der Anteil an positiven und erbaulichen Geschichten in den Nachrichten fällt eindeutig spärlich aus. Es ist extrem wichtig, sich so gut wie möglich von jeglichem Trübsal abzukapseln und wieder mit Leuten Kontakt aufnehmen bzw. Dinge zu tun, die Spaß machen.
Halten Sie sich von überflüssigen Dingen frei
Konzentrieren Sie sich auf den Kern Ihrer Arbeit. Jetzt ist Zeit, mit den Mitarbeitern Prioritäten zu setzen und sich darüber Gedanken zu machen, welche Projekte einen perfekten Lösungsansatz erfordern. Nicht jedes Projekt kann an oberster Stelle stehen. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sind Brainstorming-Sitzungen wichtiger denn je.

Und wie entkommt man diesem Dilemma? Laut Microsoft in erster Linie durch eine starke Unternehmenskultur. Unter den Studienteilnehmern die in solchen Unternehmen arbeiten, ordneten sich 22 Prozent der höchsten Produktivitätsstufe zu.

Hier einige Best Practices für einer solchen Unternehmenskultur, die das Digitale keineswegs ausgrenzt:

Besondere Bedeutung sollte das für IT Manager haben. Denn die Microsoft-Studie zeigt auch, dass Menschen in technischen Berufen am wenigsten anfällig sind für Technostress - und das Problem deswegen stark unterschätzen. Das Wort klingt ja auch eher wie ein typisch schwammiges Buzzword - dabei ist Technostress eines der kostspieligsten Probleme im Unternehmensumfeld überhaupt.

Und das ist erst der Anfang: Technologien wie Künstliche Intelligenz, Data Analytics, Robotik, das Internet of Things oder Virtual und Augmented Reality werden das Phänomen Technostress auf ein ganz neues Level hieven - und das schon bald! Eine Veränderung der Unternehmenskultur hingegen braucht vor allem eines: Zeit.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.

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