Anfang 2011 übernahm Media-Saturn 90 Prozent der Anteile an dem Online-Händler Redcoon, wie später bekannt wurde für einen Kaufpreis von 125 Millionen Euro. Nach dem in der Media-Saturn-Gruppe bewährten Geschäftsführer-Prinzip behielt Redcoon-Gründer Reiner Heckel zunächst 10 Prozent an seinem Unternehmen, verkaufte diese Anteile nach seinem Ausscheiden Mitte 2013 aber ebenfalls an MSH. Der Gesamtpreis für Redcoon dürfte damit bei 137 Millionen Euro gelegen haben - nicht schlecht für ein Unternehmen, das im Jahr der Übernahme bei einem Umsatz von 325 Millionen Euro ein EBIT von 5,2 Millionen erzielte.
Doch wie die inzwischen einsehbaren Bilanzen von Redcoon für die Geschäftsjahre bis 2012 zeigen, ergaben sich für Media-Saturn durch die Übernahme noch erhebliche zusätzliche Kosten. So kam es bei dem Online-Händler nach dem Einstieg von MSH im Rumpfgeschäftsjahr 2011, das von Anfang April bis Ende September dauerte, bei einem Umsatz von 158 Millionen Euro zu einem negativen Geschäftsergebnis von 1,1 Millionen Euro. In der Folge gewährte Media-Saturn der neuen Tochtergesellschaft ein Darlehen in Höhe von 11 Millionen Euro.
Auch im Ende September 2012 beendeten Redcoon-Geschäftsjahr 2011/12 hielt der Negativtrend bei dem Online-Händler an: nicht nur stagnierte der Umsatz bei 348 Millionen Euro, auch fiel das Geschäftsergebnis mit minus 1 Million Euro erneut negativ aus. Der Finanzbericht für das Geschäftsjahr hält fest, dass zur Finanzierung des Umlaufvermögens bei Redcoon "ein erheblicher Finanzmittelbedarf" notwendig gewesen sei, der einmal mehr durch die Media-Saturn-Holding gedeckt wurde. Der Einstieg bei dem vermeintlich boomenden Online-Händler entwickelte sich für den Elektronik-Retailer damit zu einer anhaltend teuren Unternehmung.
Erfolg für Redcoon-Gründer Reiner Heckel
In den Redcoon-Geschäftsberichten für die Zeit nach dem Einstieg von Media-Saturn wird auch über die Gründe für die negative Ergebnisentwicklung berichtet. So habe sich die Rohmarge verschlechtert, während gleichzeitig betriebliche Aufwendungen deutlich anstiegen. Weiter beklagt werden hohe Umsatzanteile in margenschwachen Produktgruppen wie TV, Computer und Mobiltelefone. Zudem hätte die mit der Übernahme nötig gewordene Veränderung der Lieferantenstruktur einen erhöhten Finanzmittelbedarf mit sich gezogen - ein Aspekt, der auch vom damaligen MSH-Chef Horst Norberg mit seiner Aussage, Redcoon sei "mit dem Einkauf auf dem Graumarkt groß geworden", unterstrichen wurde.
Aus Sicht von Redcoon-Gründer Reiner Heckel darf der Verkauf an Media-Saturn zu den bekannten Konditionen dagegen als durchaus gelungen eingestuft werden. Zwar wies Redcoon in den Bilanzen bis 2011 durchgängig positive EBIT-Werte aus, doch stiegen die Verbindlichkeiten des Unternehmens immer schneller an: von 13,8 Millionen Euro 2008 erhöhten sich diese bis 2010 auf 23,8 Millionen Euro und betrugen zum Zeitpunkt des Einstiegs von Media-Saturn bereits 42,3 Millionen Euro.
So verwundert es auch nicht, was Heckel im Geschäftsbericht 2010 festhielt: "Zur nachhaltigen Absicherung des zukünftigen Wachstums und der Arbeitsplätze der Redcoon GmbH wurde das Management im 4. Quartal 2010 von der Gesellschafterversammlung beauftragt einen aus der Branche kommenden Partner zu suchen, der das Erreichen der langfristigen Ziele der Unternehmens absichern könnte." Mit Media-Saturn wurde dieser schließlich kurz später gefunden.
Wo steht Redcoon heute?
Mit der Übernahme durch Media-Saturn ist der Einblick in die Geschäftsentwicklung von Redcoon deutlich schwieriger geworden. Seit Anfang 2013 veröffentlicht Media-Saturn keine getrennten Umsatzzahlen mehr für die Online-Tochter und die Publikation des nächsten Redcoon-Geschäftsberichts ist erst Anfang 2015 fällig. Klar ist, dass die Kosten für den Online-Händler nicht weniger geworden sind - sowohl durch die aufwändigen Werbekampagnen, wie auch durch die Beteiligung an dem neuen MSH-Logistikzentrum bei Erfurt. Andererseits ist Redcoon nach der Stagnation 2012 inzwischen wieder auf einen Wachstumskurs zurückgekehrt und dürfte 2013 nach Schätzung von ChannelPartner einen Umsatz zwischen 550 und 600 Millionen Euro erzielt haben.
Trotzdem liefert Redcoon nicht das Bild eines Überfliegers. Vor allem personalseitig wird deutlich, dass der Online-Händler nicht die attraktivste Adresse ist. So sucht das Unternehmen seit dem Abgang von Gründer Reiner Heckel mittlerweile seit mehr als einem Jahr nach einem neuen CEO. Auf Interims-CEO Martin Wild folgte im Mai 2014 mit dem Metro-Manager Georg Mehring-Schlegel ein weiterer Übergangs-CEO. Daneben erweist sich Redcoon vor allem für bekannte Branchen-Gesichter auf der Suche nach neuen Aufgaben - wie Ex-Euronics-Bereichsleiter Rudolf Reim, Ex-Notebooksbilliger-Mann Sascha Müller oder Ex-Getgoods-Pressesprecher Frank Hufnagl - als bequeme Anlaufstelle. Um seinen erklärten Online-Pacemaker auf Touren zu halten, dürfte Media-Saturn also weiterhin gefragt sein.