In Zeiten wirtschaftlicher Krisen und verschärfter Marktbedingungen ist es ausschlaggebend, Kernkompetenzen des Unternehmens zu bündeln und die Stärken schnell "auf die Straße" zu bekommen. Zukünftig nicht mehr tragfähige Geschäftsmodelle sind über Bord zu werfen und durch innovative Ideen und Business Cases zu ersetzen. Das Erkennen und Definieren zukunftsfähiger Geschäftsmodelle alleine sichert jedoch keine Marktanteile.
Um Wettbewerbsvorteile zu sichern, müssen diese Modelle effizient und effektiv in die Umsetzung gelangen. Prozesse und Systeme müssen verändert, Fokusse und Schwerpunkte des Businesses verändert und Teams neu ausgerichtet werden. Eine wirksame Implementierung von SOA hat nicht nur Auswirkungen auf die IT-Landschaft, sondern vor allem auch auf die Akteure des operativen Geschäfts. Die Veränderung zieht sich durch das gesamte Unternehmen, womit eine reine Prozess-Modellierung sowie eine System-Anpassung alleine nicht zielführend sind. Schlüsselpersonen, Führungskräfte und Key User aus den Business Bereichen müssen mobilisiert werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Einflechtung von gezielten Change Management Maßnahmen in die einzelnen Projektphasen. Ziel dabei ist es, dass der operative Bereich die Möglichkeiten von SOA sowie die strategische Bedeutung erkennt und sich für die Business Seite von SOA mit verantwortlich zeichnet.
Wie kann Change Management dazu beitragen?
Change Management und Kommunikation sind grundsätzlich integrierte Bestandteile des Projektmanagements. Ihre Ziele und Maßnahmen sind an den Projektzielen ausgerichtet und verankern SOA als Teil der Unternehmensstrategie. Insgesamt sollen Unsicherheiten, Ängste und Widerstände abgebaut und Ownership sowie Befähigung gestärkt werden. Change Management und Kommunikation haben dabei folgende vier Erfolgsfaktoren im Blick:
1. Klare Zieldefinition - Ableitung von Change Management Maßnahmen von den qualitativen und strategischen Zielen der SOA Implementierung. SOA gilt erst dann als erfolgreich realisiert, wenn neue Standards und Prozesse verstanden und Ownership dafür übernommen wurde. Eine saubere Implementierung des Systems reicht nicht aus.
2. Transparente Kommunikation - Berücksichtigung aller Phasen des Projektes und Antizipierung möglicher Konfliktherde. Sorgfältig ausgearbeitete Kernbotschaften sowie Storylines unterstützen eine konsistente Kommunikation. Relevante Stakeholder und deren Interessen sind zu identifizieren und bei der Kommunikationsplanung zu beachten.
3. Sichtbares Management Commitment - Mobilisierung wichtiger Schlüsselpersonen und Führungskräfte aus dem Business zur Übernahme von Verantwortung und Ownership. Neben einer frühzeitigen und sauberen Einführung von SOA-Governance müssen konkrete Benefits und Business-Nutzen klar identifiziert sowie Kompetenzen und Führungsskills für SOA aufgebaut werden.
4. Befähigung der Mitarbeiter - Erläuterung der veränderten Inhalte und Anforderungen ihrer Aufgaben sowie Definition von Handlungsfreiräumen bezüglich SOA. In letzter Konsequenz sollten Weiterbildungsprogramme an SOA Anforderungen angepasst werden, um den systematischen Aufbau von Skills und Fähigkeiten sicher zu stellen.
Die im Change Management und in der Kommunikation zum Einsatz kommenden Tools und Methoden sind zahlreich und allgemein bekannt. Es ist hier nicht die Herausforderung, diese Tools umfänglich zu kennen, sondern eine dem Unternehmen angepasste Selektion vorzunehmen. Bei der Wahl zu berücksichtigen sind beispielsweise Faktoren wie Vorlieben, Unternehmenskultur, Anzahl der Betroffenen, vorhandene Erfahrung mit bestimmten Tools und Methoden, "no go"s oder verfügbare Ressourcen. Auf Basis einer Stakeholder Map, einer Betroffenheitsmatrix, einer Konfliktpotenzialanalyse sowie von Kernbotschaften werden erste Schlussfolgerungen für die Change Management- und Kommunikations-Planung gezogen. Mit der Finalisierung der Change Management- und Kommunikations-Pläne werden zunächst Führungskräfte und Schlüsselpersonen eingebunden. Bei der Befähigung dieser Stakeholder-Gruppe ist darauf zu achten, dass auf Bedenken, Einwände, offene und verdeckte Konflikte sowie Fragen umfassend eingegangen wird. Die Manager müssen letztendlich während und nach Abschluss des Projektes Leadership übernehmen und ihre Teams im Sinne der Philosophie und Möglichkeiten von SOA sowie entsprechend der Unternehmensstrategie führen. Erst wenn die Führungskräfte Ownership übernommen haben, können unter ihrer Leitung Mitarbeiter, Key User und Process Owner die Veränderung mit gestalten. Abschließend ist eine Signalgebung durch das Top Management wichtig, um den Start der neuen Stufe der Unternehmensentwicklung einzuläuten. Die Voraussetzungen sind nun geschaffen, um die angestrebte Agilität zu erreichen und um Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Was kann ohne eine Change Management Einbindung passieren?
Change Management unterstützt Projekte dabei, Auswirkungen von "Komplexität", "Priorität" und "Flexibilität" zu adressieren. "Komplexität" kann durch unterschiedliche Faktoren verursacht werden: Hohe Anzahl von Betroffenen, Unternehmensstruktur, internationaler Scope oder gegensätzliche Erwartungshaltungen. "Priorität" bedeutet, dass unterschiedliche Stakeholder das SOA Projekt unterschiedlich priorisieren. Für eine wirksame Durchführung und nachhaltige Implementierung des SOA Projektes ist es jedoch erfolgskritisch, dass alle Beteiligten die inhaltliche und zeitliche Dringlichkeit verstehen. Ferner ist über alle Beteiligte hinweg ein Minimum an Commitment im Sinne von "kleinster gemeinsamer Nenner" erforderlich. "Flexibilität" wird durch die Loslösung von "historisch Gewachsenem" oder "lieb Gewonnenem" erreicht sowie durch das Herstellen der Bereitschaft, die aus Sicht der Betroffenen "funktionierenden Systeme" zu verändern.
Ohne Einsatz von gezielten Change Management- und Kommunikations-Maßnahmen zur Ausrichtung von Einstellung und Verhalten können versteckte oder offene Widerstände eine Eigendynamik entwickeln und den Projektverlauf nachteilig beeinflussen. Jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter im Unternehmen bewegt sich in einem bestimmten sozialen Kontext, innerhalb dessen gewisse "Erwünschtheiten" existieren. Diese beeinflussen gegebenenfalls das Handeln und Denken. Ein Beispiel: Die weltweit dezentral organisierten HR Bereiche sind aufgefordert, das SOA Projekt zur Harmonisierung und Optimierung der Prozesse zu unterstützen. Der HR Leiter eines Landes hält dies grundsätzlich für eine gute Idee, bekommt aber von den Bereichsleitern aus dem operativen Bereich Druck, dass das SOA Projekt die Handlungsfähigkeit der Landesorganisation eher einschränke als verbessere. Der HR Leiter signalisiert eine Positive Einstellung zum SOA Projekt, "zieht" aber bei der Umsetzung nicht mit. Change Management unterstützt hier dabei, den vermeintlichen oder verdeckten Widerstand zu identifizieren und Lösungen aufzuzeigen. Das nachstehende Bild gibt einen groben Überblick über typische Herausforderungen und eine Auswahl möglicher Change Management Maßnahmen..
Welche Tools und Maßnahmen kommen bei Change Management zum Einsatz?
Es gibt zahlreiche Change Management- und Kommunikations-Tools und -Methoden, die alle im Großen und Ganzen gängig und allgemein bekannt sind. Die Herausforderung liegt darin, eine dem Unternehmen und seiner Kultur angepasste sowie am Projektziel ausgerichtete Auswahl zu treffen und zu einem Change Management - und Kommunikations-Plan zusammen zu führen. Im Folgenden werden Beispiele entlang der oben genannten vier Erfolgsfaktoren aufgezeigt.
Eine klare Zieldefinition zu Beginn des Projekts trägt dazu bei, dass alle Beteiligten eine gemeinsame und klare Vorstellung von Zweck, Richtung und Zeit bezüglich des bevorstehenden SOA Projekts und seiner Auswirkungen haben. Eine Möglichkeit der Zielsetzung ist die Orientierung entlang einer sogenannten Commitment Curve. Hierbei sind sechs Commitment-Stufen festgelegt, die erreicht werden können oder sollen. Mit einer Ist-Analyse lässt sich ferner der Gap feststellen, wodurch die einzuleitenden Maßnahmen besser und zielgerichteter identifiziert werden können.
Es ist nicht das Ziel, dass alle Beteiligten oder Betroffenen die gleiche Commitment-Stufe erreichen. Vielmehr wird pro Stakeholder ein angemessenes Commitment-Level festgelegt. Hierdurch lassen sich Stakeholder-spezifische Change Maßnahmen einleiten. Zur Ermittlung der Ist-Situation wird mittels Tiefeninterview eine Stichprobe aus den jeweiligen Stakeholdern gezogen und befragt.
Eine transparente Kommunikation bedingt auch Konsistenz und Plausibilität sowie Glaubwürdigkeit. Hierbei sollte Zeit dafür investiert werden, Kernbotschaften entlang einer Storyline sorgfältig auszuarbeiten. Vor der Finalisierung eines Kommunikationsplans wird in den meisten Fällen eine Stakeholder-Analyse durchgeführt, um die für das Projekt relevanten Interessensgruppen sowie deren Einstellungstendenzen (positiv - unterstützend bis negativ - ablehnend) zu identifizieren. Eine Untersuchung möglicher Konfliktpotenziale hilft zudem, Konfliktherde zu antizipieren und in der Change Management- und Kommunikations-Planung zu berücksichtigen. Zur Verfügung stehende Kommunikationskanäle sollten ebenfalls bedacht werden, da nicht alle Medien zur Übermittlung aller Botschaften gleichsam geeignet sind. Ein technischer Beitrag mit vielen Details zum Projekt ist besser für Projekt-Newsletter oder Milestone-Meetings geeignet, wohingegen positive Success Stories in Mitarbeiter-Zeitschriften oder im Intranet zu Marketing- und Lobbying-Zwecken veröffentlicht werden. Zu Aufklärungszwecken für ein allgemeineres Publikum eignen sich Formate wie Roadshow, Tag der offenen Tür oder Marktplatz, die den Projektgegenstand sowie dessen Verlauf fass- und erlebbar machen.
Zum Aufbau von sichtbarem Management Commitment gilt es, vor allem mögliche Bedenken, Einwände, Konflikte, Missverständnisse oder Fehlinformationen zu beseitigen und sie von der strategischen Relevanz von SOA zu überzeugen. Erfolgskritisch für das Übernehmen von Ownership ist das klare Aufzeigen des Business-Nutzen sowie der Benefits. Langfristig sind es die Führungskräfte, die die neuen Standards annehmen und ihre Teams in diesem Sinne führen und fördern. Es ist zu erläutern und zu diskutieren, wie sich die Anforderung an ihre Führungsrolle verändert und welche Kompetenzen sie aufbauen müssen. Zu den Rollen und Verantwortlichkeiten sind auch Handlungsoptionen aufzuzeigen, innerhalb dessen Rahmen die Manager und ihre Teams das im Projekt erreichte weiter entwickeln und verbessern können und dürfen. "Was ich nicht beeinflussen oder gestalten kann, verantworte ich nicht" ist eine gängige und nachvollziehbare Einstellung. Um Führungskräfte zu Commitment zu bewegen, stehen verschiedene Workshop-Designs zur strategischen Neuausrichtung, zur Beseitigung von Unklarheiten, zur Erarbeitung konkreter Beiträge zum Projekt- oder Gesamtergebnis zur Verfügung, die alle praxistauglich und wirksam sind: World Cafe, Open Space, Real Time Strategic Change, Zukunftskonferenz oder Leadership Konferenz.
Beim Entwurf des Workshop-Designs sind Faktoren wie z.B. Unternehmenskultur und Leadership-Style sowie konkrete Zielsetzung des Workshops zu berücksichtigen. Beispiele für Zielsetzungen können sein: Darstellung der veränderten Anforderungen an ihre Führungsrolle, Einfordern von Commitment, Klärung möglicher Konfliktherde, Befähigung und Aufbau erforderlicher Kompetenzen oder Erfahrungs- und Wissenstransfer. Verantwortung und Ownership für neue Prozesse und Standards sind klar zuzuordnen, schriftlich zu verankern und klar zu umreißen. Dazu gehört auch, Schnittstellen festzulegen und Grenzen zu definieren. Mit SOA-Governance existiert eine formal-technische Möglichkeit, Verantwortung festzulegen. Dies alleine reicht jedoch nicht, wenn den Führungskräften und Mitarbeitern aus dem operativen Bereich die Business-Relevanz von SOA nicht einleuchtet.
Durch die Entscheidung, sich konsequent auf SOA auszurichten, verändern sich letztendlich auch die Anforderungen der täglichen Aufgaben für die Mitarbeiter des operativen Geschäfts. Umso wichtiger ist es, dass im breiten Feld gewisse Widerstände abgebaut und Bedenken sowie Ängste beseitigt werden. So lange eine Ablenkung durch diese "Störfaktoren" erfolgt, werden strategisch und operativ relevante Punkte von SOA nicht oder nicht in Gänze gesehen und auch nicht verstanden. Erst wenn Sicherheit und Vertrauen in die Sinnhaftigkeit von SOA hergestellt ist, werden Teams und Mitarbeiter beginnen, sich mit dem Thema produktiv auseinanderzusetzen. Konsequenterweise sind SOA-relevante Inhalte und Beispiele in bestehende HR Instrumente wie z.B. Qualifizierungs- und Weiterentwicklungsprogramme oder Human Performance Management Systeme zu integrieren. Treiber und führende Akteure bei dem Prozess der Befähigung von Mitarbeitern sollten in erster Linie die Führungskräfte sein, die durch Change Experten nach Bedarf unterstützt werden.
Nachhaltig wirksame und unternehmensweite Veränderungen, die durch eine SOA Implementierung entstehen, müssen in das kulturelle Umfeld des Unternehmens eingepasst sein. Es gilt, SOA vor dem Hintergrund verschiedenster Business-Anforderungen und aus den unterschiedlichsten Perspektiven zu diskutieren und zur Normalität werden zu lassen. Auf diese Weise wird die Business-Relevanz von SOA immer greifbarer und konkreter. Change Management unterstützt dabei, eine Einstellungs- und Verhaltensänderung herbeizuführen. Es gilt, nicht nur das Projekt erfolgreich abzuschließen, sondern unter Einsatz von SOA die Effizienz zu verbessern und Wettbewerbsvorteile weiter auszubauen. Dies ist umso realistischer, je mehr Führungskräfte und Mitarbeiter SOA nicht als "IT-Architektur", sondern als Teil des Geschäftsmodells sowie der Unternehmensstrategie begreifen.