Ein Formel-1-Rennen verlangt den Fahrern höchste Konzentration ab. Jedes noch so kleine Detail oder Abweichung von der Norm muss der Fahrer sofort an das technische Team melden. Doch während des Rennens ist auch eine Menge Technik im Einsatz: Mehr als 400 Sensoren senden während eines Rennens permanent aktuelle Zustands- und Verbrauchsdaten beispielsweise aus Sebastian Vettels und Mark Webbers Rennboliden per Mobilfunk an den Kontrollraum von Infiniti Red Bull Racing (IRBR). Dort lassen Ingenieure und Strategen sämtliche Informationen in Echtzeit auswerten und können so ad hoc Empfehlungen an die Cockpits geben.
Meldet Vettel über Funk, dass ein Spoiler-Element ungewöhnliche Geräusche abgibt, kann das Team auf seinen Monitoren sofort sehen, was die Daten sagen. Liegt tatsächlich ein Problem vor, wird das Bauteil bereitgelegt und beim nächsten Boxenstopp ausgetauscht. "Meist ist es aber so", sagt IRBR-Technikchef Alan Peasland, "dass die Fachleute dem Fahrer Entwarnung geben können: Fahr weiter, das Problem ist bekannt, der Spoiler geht erst in 30 Runden kaputt." Und dann ist das Rennen längst gelaufen.
Gleichzeitig kann das Team den Piloten von Strategie-Entscheidungen entlasten. Was auf der Strecke passiert, erhalten Vettel und Webber als Anzeige auf Headset und Display: Dazu gehören Informationen über Vorsprungzeiten, Tank- und Reifenzustand oder Motor/Getriebe-Parameter.
Größte sichtbare technische Leistung in der Formel 1 ist das, wofür der Normalfahrer je nach Andrang an Zapfsäule und Werkstatt viele Minuten bis halbe Tage braucht: Tanken und Reifenwechsel. Den Reifenwechsel kann das Team in knapp über zwei Sekunden schaffen.
Möglich wird das mit einer Mischung aus Routine, Infrarot- und Kameratechnik. Sensoren messen Bewegungsstrecken und geben bei vielen Handgriffen per Lichtstrahl die Richtung vor. Kameras am Helm der Gunmen zeichnen zusätzlich jeden Handgriff auf, um ihn später zu optimieren. Damit, so Peasland, lasse sich die Zeit noch auf unter zwei Sekunden drücken.
Um die schnelle Funkverbindung jedes Mal zu gewährleisten, ist auch vom Kommunikationstechnik-Partner AT&T Bestleistung gefordert. Laut Andrew Edison, Manager des US-Anbieters, ist das für seine Mitarbeiter vor Ort kein Kinderspiel: "Was IRBR verlangt, hat mit klassischen Anforderungen an Mobilfunk nichts zu tun." An jedem der insgesamt 19 Renn-Wochenenden in diesem Jahr muss AT&T innerhalb weniger Stunden breitbandige, ausfallsichere Kommunikation an der jeweiligen Rennstrecke und zwischen Austragungsort und Londoner Zentrale herstellen. Rund 100 Gigabyte Datenvolumen tauschen Fahrer, Rennleiter und Techniker pro Rennen in Echtzeit aus.
El Dorado für Fahrzeug-Ingenieure
Ausgeklügelt werden die rollenden und stehenden Einheiten von Teamchef Christian Horner mit rund 600 Mitarbeitern in Milton Keanes. In der Retortenstadt im Norden von London haben viele große Weltkonzerne ihre Forschungs- und Entwicklungs- oder Logistikzentren. Der dreiteilige Gebäudekomplex von IRBR umfasst neben dem zentralen Kontroll- und Strategiezentrum eine komplette Auto-Produktionsstrecke.
Alles, was für einen Rennwagen gebaut werden muss, lässt sich hier herstellen. Ein El Dorado für Fahrzeug-Ingenieure: Vom riesigen Backofen für Kohlefaser-Verbundstoffe über sämtliche CNC-Tiefzieh-, Dreh- oder Fräsmaschinen bis hin zu 3D-Druckern für eigentlich unmögliche Formen, steht den Konstrukteuren hier alles zur Verfügung, um auch die ausgefallensten Bauteil-Wünsche zu erfüllen.
Allein in den letzten 18 Rennen wurden hier rund 25.000 neue Komponenten entwickelt. Selbst einen eigenen Supercomputer, etwa für die Strömungssimulation von Bauteilen, hat IT-Chef Matt Cadieux im Stall. Die zehn Schrankgroßen Einzelregale für die CPU-Elemente des massiv-parallel rechnenden Zahlenfressers stehen gut sichtbar im zentralen Eingangsbereich Technik, ihre Abwärme heizt im Winter die Cafeteria.
Was IT berechnen und Mobilfunk verbinden muss, ist ein hochgezüchtetes und damit fragiles Produkt: Derzeitiger Stand der Formel1 ist ein Fahrzeug von 550 kg Gewicht, das in 4,8 Sekunden von Null auf 100 km/h beschleunigt und dabei auf durchschnittlich 7.900 Umdrehungen pro Minute dröhnt. Ein solches Gerät bleibt nicht mit üblichen Mitteln auf der Piste und lässt sich auch nicht mehr von einem Menschen allein lenken.
Daher werden die rund 7.500 Einzelteile benötigt, die sich in etwa 1.000 möglichen Konfigurationen zusammensetzen lassen und bei jedem Rennen ein neues Auto darstellen. "Ohne diese technischen Möglichkeiten," sagt Peasland, "hätten wir unsere gegenwärtige Top-Position in der Formel 1 nie erreicht."
(Quelle: Wirtschaftswoche)