Acht von zehn Mitarbeitern öffentlicher Verwaltungen gingen davon aus, dass sich mit Social Media Angeboten die Bürgerbeteiligung und Servicequalität in deutschen Behörden verbessern werden. Allerdings bestehe bei der Zahl der Angebote im internationalen Vergleich noch erheblicher Nachholbedarf. Denn Bürgern und Unternehmen stünden hierzulande bisher deutlich weniger Online-Services zur Verfügung als anderen Europäern, sagen die Berater von Steria Mummert Consulting.
Im internationalen Vergleich schaffe es Deutschland mit seinem Online-Angebot für Bürger nicht unter die Top 20. Der Wunsch nach E-Partizipation sei jedoch vorhanden: „Viele Bürger kritisieren, dass Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung häufig zu wenig transparent sind, und haben das Gefühl, nicht mitreden zu können", sagte Christian Mohser, Principal Consultant bei Steria Mummert Consulting.
„Die Einbindung von Web-2.0-Anwendungen steuert dem entgegen, weil sie für jeden zugänglich sind und einen Dialog ermöglichen. Immer mehr Behörden erkennen diese Potenziale und bauen langsam ihre Social- Media-Aktivitäten aus", so Mohser weiter.
Allerdings stellt Steria Mummert laut der Studie „Social Media in der Landesverwaltung" auch fest, dass die die deutschen Verwaltungen in letzter Zeit ihr Web-2.0-Angebot ausgebaut haben: Demnach verfügen 74 Prozent der Behörden mittlerweile über ein Internet-Portal, das Bürgern und Unternehmen interaktiven Online-Kontakt anbietet. 53 Prozent der Einrichtungen stellen Foren zur Verfügung und 32 Prozent treten per Audio- oder Video-Podcast an die Öffentlichkeit.
Bei der konkreten Betreuung solcher interaktiven Online-Dienste sehen die Berater bei vielen Behörden allerdings noch Nachholbedarf: Obwohl die öffentlichen Verwaltungen den Ausbau der Web-2.0-Angebote in den letzten Monaten stark vorantrieben, schöpfe die große Mehrheit der Behörden die damit verbundenen Möglichkeiten längst nicht aus.
Social Media kann man nicht nebenbei machen
Bestimmte Kanäle kommen laut Studie bisher kaum zum Einsatz. So nutzen beispielsweise erst 16 Prozent der Einrichtungen soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing und sogar nur elf Prozent der Landesbehörden Blogs und Twitter. Doch auch die bereits eingesetzten Kanäle würden häufig nicht intensiv genug betrieben. „Es reicht keinesfalls, ein Online-Portal lediglich zur Verfügung zu stellen", sagte Mohser. „Eine solche Plattform muss gepflegt, der Austausch aktiv angeregt und zielgruppenspezifisch gesteuert werden."
„Den meisten öffentlichen Verwaltungen mangelt es im Umgang mit den Online-Angeboten an Erfahrung und an einer handfesten Social-Media-Strategie", so Mohser. „Die Behörden benötigen ein Konzept, mit dem sie interaktive Online-Dienste für ihre Arbeit einsetzen. Sie müssen klären, welche Kanäle sie wie bedienen und was für Ziele sie damit erreichen wollen. Außerdem müssen sie jetzt mutig genug sein, die Möglichkeiten des Web 2.0 zu erproben und sich so die notwendige Expertise im Umgang mit den Online-Diensten anzueignen. Nur dann können Social Media die Verwaltungsarbeit tatsächlich unterstützen und verbessern."
Die Zeichen dafür stehen offenbar günstig: Alle Behörden können sich derzeit prinzipiell vorstellen, die Web-2.0-Aktivitäten zu stärken. Jede dritte öffentliche Verwaltung plant sogar, das bestehende Angebot stark zu erweitern.
Damit die Aktivitäten im Web 2.0 einen echten Mehrwert bieten, sollten die Prozesse von den Behörden ebenfalls sorgfältig geplant werden. Dazu zähle beispielsweise, Mitarbeiter zu schulen, mit Bürgern und Unternehmen digital zu kommunizieren und professionell mit Kritik umzugehen. „Bei gut durchdachter Umsetzung eröffnet das Web 2.0 Beteiligungsmöglichkeiten jenseits der bestehenden Strukturen. Das betrifft Vereine, Bürgerinitiativen und Parteien ebenso wie Verwaltungen untereinander", sagte Mohser. „Die Politik sollte nun zügig Angebote bewerten und Anreiz-Systeme für ihre Nutzung in der öffentlichen Verwaltung schaffen."
Anregungen für erfolgreiche Web-2.0-Aktivitäten lieferten vor allem skandinavische Länder, so Steria Mummert. Sie kommunizieren mit den Bürgern nicht nur über Twitter, Blogs und Podcasts, sondern böten außerdem zahlreiche Beteiligungsmöglichkeiten an. Dazu gehöre die Möglichkeit, Internetpetitionen an die Gemeinde zu senden, sich bei Befragungen oder Online-Konsultationen einzubringen und Ratssitzungen im Internet zu verfolgen. Erste Leuchtturmprojekte mit solchen interaktiven Plattformen gäbe es in Deutschland bereits - weitere dürften bald folgen.
Bürger wünschen sich Open Data und Open Government
Eine repräsentative Umfrage von Forsa im Auftrag von SAS Deutschland, ergab, das Open Government und Open Data das Verhältnis der Politik zum Bürger verbessern könne. Hierbei werden nicht-personenbezogene Informationen in Datenform im Internet und ohne Bewertung veröffentlicht. 88 Prozent der Befragten befürworten eine solche Veröffentlichung von Daten im Internet, beispielsweise über die Verwendung der Gelder aus dem Konjunkturpaket oder zur Feinstaubbelastung. 81 Prozent glauben, dass die Bürger dadurch mehr am politischen Geschehen teilhaben könnten, und 76 Prozent sind sich sicher, dass die Behörden dann auch einen stärkeren Anreiz hätten, effektiver zu arbeiten. Weiter sind 73 Prozent der Meinung, dass sie die Behörden somit besser kontrollieren können.
Auf Kongressen wie dem E-Government Camp 2.0 in Berlin, aber auch auf dem Ministerialkongress von Bearing Point im September dieses, Jahres gilt die Stadt Coburg als Vorreiterin in Sachen Social Media in deutschen Verwaltungen (PDF).
Coburg besitzt mit der Online-Managerin Karin Engelhardt, eine erfahrene Social Media Praktikerin Coburg ist vor allem mit dem Digitalen Stadtgedächtnis deutschlandweit bekannt geworden. Darüber gibt es Projekte wie die Coburg News per Twitter, ein Baustellen-Blog und ein Blog zum Runden Tisch Jugend. Coburg hat sich auch als eine der ersten deutschen Kommunen eine Social Media Strategie als Rahmen für die Social Media Aktivitäten der Stadt und der Mitarbeiter gegeben.
Auf der Veranstaltung Government 2.0 berichtete auch Georg Konjovic, verantwortlicher Geschäftsführer des Hamburger Stadtportals Hamburg.de, von den Erfahrungen seines Teams mit Facebook, Twitter und Co. Dort ergänzt man die klassische Informationsarbeit mit Web 2.0-Tools und Social Media Plattformen Hamburg.de ist demnach die deutsche Stadt mit den meisten Followern bei Facebook und steht auch beim Twitter-Ranking der deutschen Städte ganz weit vorn.
Das Bundesinnenministerium experimentiert ebenfalls mit Web 2.0. So gibt es das neue Format „Fragen an den Minister“, bei dem Fragen an den Bundessinnenminister gestellt werden können. Zunächst ging es um den Internetdienst Streetview von Google. Weitere Themen waren: „Digitalisierung von Stadt und Land - Chancen und Grenzen von öffentlichen und privaten Geodatendiensten“, „Der Körperscanner - neue Luftsicherheitstechnologie im Test“ und die „Einführung des neuen Personalausweises“. Die gestellten Fragen stehen stets auf der Homepage und können bewertet werden. Der Innenminister antwortet anschließend per Videobotschaft auf die am häufigsten zur Beantwortung gewünschte Frage.
Neues Datenschutz-Wiki vom Bundesdatenschutzbeauftragten
Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar testet Web 2.0. Er hat ein Informationsportal für Datenschutzfragen eingerichtet. Dort können sich Nutzer über Fragen des Datenschutzes im privaten Umfeld und im Beruf informieren. „Wir gehen hier ganz bewusst einen neuen Weg, indem wir allen Interessierten eine Plattform bieten, ihren Sachverstand anderen Menschen über das Internet zur Verfügung zu stellen“, sagte Schaar.
Die Idee dazu stamme aus dem 2009 eingerichteten Datenschutz-Forum. Die Nutzer des Forums bemängelten, ein umfassender und aktueller Informationspool für die alltäglichen privaten und beruflichen Datenschutz-Herausforderungen sei im Netz nicht zu finden.