Das Wachstum sozialer Medien wie Facebook oder Twitter ist ungebrochen. Viele Unternehmen tun sich allerdings immer noch schwer mit einem aktiven Einbezug in ihre Geschäftsstrategie. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und liegen unter anderem in verschiedenen Missverständnissen, denen die Verantwortlichen unterliegen. Einige davon werden in dieser Serie aufgegriffen und kurz erläutert.
1. Soziale Medien haben mit dem wirklichen Leben nichts zu tun
Mich verwundet, wie häufig man immer noch die Meinung hört, dass Internet und soziale Medien die virtuelle Welt abbilden und Massenmedien die reale. In Wahrheit ist es umgekehrt. Das Internet ist längst keine Parallelwelt mehr. Bezogen auf Finanzdienstleiter hat z.B. die Online-Agentur Zieltraffic bereits vor einiger Zeit festgestellt, dass 70 Prozent der Diskussion rund um das Thema Banken über Social Media-Kanäle stattfindet. Ob es den Unternehmen gefällt oder nicht: Facebook & Co sind längst zu einem wichtigen, wenn nicht sogar dem wichtigsten Ort geworden, an dem man über sie diskutiert und sich über ihre Produkte, Preise und Dienstleistungen austauscht.
2. Sozial bedeutet uneigennützig
Das Wort sozial suggeriert auf den ersten Blick, dass Aktivitäten in sozialen Medien primär altruistisch motiviert sind. Selbst viele Social Media Manager denken so. Folglich tun sich Vorstände, die für ihre Investitionen einen Return sehen wollen, von vorne herein schwer damit, in diesen Bereich zu investieren.
Ein Blick in den Duden belegt jedoch, dass das Wort sozial aus dem lateinischen socius abgeleitet ist und dies bedeutet schlichtweg: gemeinsam. Bei sozialen Medien geht es damit primär um die Art und Weise, wie zusammengearbeitet wird. Auch wenn dies mancherorts bestritten wird: Für Social Media gibt es einen ROI und dieser lässt sich auch konkret berechnen.
3. Soziale Medien - ein reines Kommunikations- und Marketinginstrument
Marketing ist sicherlich ein wichtiges Einsatzfeld sozialer Medien. Aber es geht durchaus um mehr. Das Marketing alter Prägung war vor allen ein Push-Geschäft. Kunden wurden mit Werbung überflutet, die sie zum Kauf auffordern sollte - getreu dem Motto: Je mehr man tut, desto mehr Aufmerksamkeit erhält man. Gewinner war am Ende immer der mit dem größten Budget, übrigens sehr zur Freude von Agenturen und Medien.
Der Einsatz sozialer Medien bedeutet die genaue Umkehr dieses Prinzips. Es geht nicht um mehr reine Kommunikation mit den Kunden und schon gar nicht um eine Ein-Wege-Kommunikation. es geht um aktive Partizipation der Kunden. Kunden wollen mitreden und beteiligt werden. Dies kann über soziale Medien erfolgreich geschehen. Kunden erwarten attraktive Inhalte, die ihnen bei der Lösung von Problemen helfen. Gewinner ist hierbei am Ende derjenige mit der besten Idee. Oder mit anderen Worten: Wer Nutzen stiftet, hat daraus auch einen Nutzen.
Soziale Medien dienen aber insbesondere auch der Bildung und Festigung von Kundenbeziehungen. Der besondere Vorteil liegt darin, dass es so möglich ist, den Puls des Kunden direkter zu fühlen und frühzeitiger und schneller als bisher auf Veränderungen des Kundenverhaltens (re-)agieren zu können.
4. Soziale Medien bedeuten Kontrollverlust
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ein Verzicht auf soziale Medien führt nicht zu einer anderen Kommunikation über Unternehmen, sie bekommen diese nur nicht mit und können sie nicht beeinflussen.
Und Unternehmen wollen doch mitbekommen, was Ihre Kunden über sie reden, oder? Wenn sie dafür keine geeigneten Plattformen anbieten, dann reden die Kunden woanders. Das eigentliche Risiko eines Kontrollverlustes liegt im Ignorieren oder Nichtbemerken dieser Gespräche.
Die berühmt-berüchtigten Shitstorms spielen sich ganz überwiegend dort ab, wo die Spielregeln sozialer Medien nicht eingehalten wurden. Aber unterm Strich bieten soziale Medien die Möglichkeit, an Diskussionen nicht nur teilzunehmen, sondern auch zu moderieren und zu lenken. In jedem Fall erhalten Unternehmen die Chance, von ihren Kunden zu lernen, um künftig noch besser und frühzeitiger Stimmungen aufzunehmen und angemessen zu reagieren und damit zum Beispiel künftig Kritik vorzubeugen.
Bestandteil des täglichen Lebens
Soziale Medien sind zum Bestandteil des täglichen Lebens von Menschen geworden. Das dies noch nicht in allen Unternehmen verstanden und aufgegriffen ist, liegt unter anderem an den oben erläuterten Missverständnissen. Sich dieser zu vergegenwärtigen hilft, die eigene Position zu analysieren und zu überdenken.
Eine der Grundregeln im Internet ist es, aktiv zu sein - wer passiv bleibt, ist selbst schuld. Denn auch hier gilt der Grundsatz: Man kann nicht nicht kommunizieren. Dies gilt gerade für soziale Medien, bei denen Sie mit Ihrem Unternehmen auf der Bühne stehen, ob Sie es wollen oder nicht. Es empfiehlt sich daher, eine aktive Social Media-Strategie, doch auch hier gibt es weit verbreitete Missverständnisse.
5. Soziale Medien sind kostenlos
Dies wird auch dadurch nicht richtiger, dass es von Agenturen immer wieder als vermeintlich überzeugendes Argument angeführt wird, um Kunden von einem Einsatz zu überzeugen. Natürlich kosten soziale Medien Geld. Plattformen wie Facebook oder Twitter sind kostenlos, aber schließlich muss sich ja jemand im Unternehmen darum kümmern. Und dies kann nicht einfach mal so und nebenbei geschehen.
Präsenz und schnelle (Re-)Aktivität sind zentrale Elemente für ein erfolgreiches Social Media Management. Je nach Unternehmensgröße ist dies eine Fulltime-Aufgabe - nicht nur für einen Mitarbeiter. Für den erfolgreichen Einsatz ist daher eine eindeutige organisatorische Zuordnung der Verantwortung und eine entsprechende Ausstattung an Ressourcen unumgänglich.
6. Soziale Medien kann man getrost outsourcen
Auch wenn Agenturen dies gerne anbieten, es ist keine gute Idee. Es geht nicht zuletzt um die Reputation des eigenen Unternehmens. Und die relativ kurze Geschichte der sozialen Medien bietet bereits eine Fülle von Beispielen, in denen Agenturen die Reputation ihrer Klienten leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben.
Zu bedenken ist auch, dass die Personen hinter den Aktivitäten oft als öffentliches Gesicht des Unternehmens wahrgenommen werden - und dies auch sollen. Diese beantworten Fragen nicht nur zu Produkten oder Dienstleistungen, sondern sieht sich auch mit Beschwerden konfrontiert oder muss am Samstagabend auf einen sich möglicherweise abzeichnenden Shitstorm angemessen reagieren. Daher sollte man genau darauf achten, wer diesen Verantwortungsbereich übernimmt.
7. Mitarbeitern keinen Zugriff auf soziale Medien gewähren
Dahinter steckt unter anderem die Sorge, Mitarbeiter würden nur noch auf Facebook und Twitter posten und die Arbeit vernachlässigen. Allerdings lassen sich Mitarbeiter nicht so einfach von sozialen Kanälen aussperren, sondern verwenden im Zweifel ihr eigenes Smartphone.
Auch die Befürchtung, Interna würden ausgeplaudert oder über das Unternehmen würde gelästert, geht in die falsche Richtung. Haben Unternehmen wirklich so wenig Vertrauen in Ihre Mitarbeiter? Dann müssten Sie generell an ihrer Personalpolitik zweifeln. Vielfach sind gerade Mitarbeiter hervorragende Botschafter in sozialen Netzwerken und setzen sich so auch in ihrer freien Zeit für das Unternehmen ein.
8. Einfach mal loslegen
Auch dies ist oft zu hören: "Eröffnen Sie einen Account bei Twitter oder bauen Sie sich eine Fanpage bei Facebook und dann legen Sie einfach mal los." Die Fans kommen spätestens dann, wenn bei einem Wettbewerb ein paar iPads verlost werden.
Sicher: Wer nur auf Quantität schaut, für den mag dies ein Weg sein. Aber der Erfolg eines Social Media-Einsatzes lässt sich nicht über die Anzahl der Fans definieren - zumindest nicht alleine. Sie wollen ja schließlich die richtigen Fans gewinnen und gemeinsam mit ihnen etwas erreichen.
Daher heißt es auch beim Social Media-Einsatz: Stucture follows Strategy. Erst werden die Ziele definiert, dann die Ressourcen und dann die Kanäle über die man aktiv werden will. Dazu können externe Berater übrigens tatsächlich einen Beitrag leisten, sofern sie nicht nur etwas von sozialen Medien, sondern auch von der Branche, dem Unternehmen und den dort vorhandenen strategischen Herausforderungen verstehen. Auf die mancherorts gepriesenen Social Media-Gurus würde ich lieber verzichten. Einen guten ersten Überblick zum Vorgehen bietet übrigens der Leitfaden Social Media von Bitkom.
Fazit
Unternehmen müssen lernen, soziale Medien zu verstehen. Dazu gehört es, Informationen einzuholen, sich mit Experten auszutauschen und sich aktiv mit den neuen Themen auseinanderzusetzen. Das Ende ist jedoch nicht ergebnisoffen. Es geht nicht um eine Entscheidung ob oder ob nicht. Sofern man diese bedeutende Entwicklung nicht verpassen will, kann es nur noch um die Fragen wie und wann gehen.
Hansjörg Leichsenring befasst sich seit über 30 Jahren beruflich mit Banken und Finanzdienstleistern und verfügt über die Bankleiterqualifikation nach §33 KWG. Leichsenring arbeitet derzeit als (Interims-)Manager und Berater von Banken und Finanzdienstleistern. Ebenso ist er als Referent und Moderator im In- und Ausland sowie als Fachautor tätig. Er führt privat den Bank Blog. Weiteres zur Person unter hansjoerg-leichsenring.de. ( CFOworld)