Über drei Jahre hinweg arbeiteten über 30 Mitarbeiter des BRK mit den Entwicklern und Beratern des Software-Anbieters Wilken Entire zusammen, der sich auf Programme für die Gesundheits- und Sozialbranche spezialisiert hat. Start war im Herbst 2007, nachdem in der Endausscheidung die Wahl gegen die üblichen Verdächtigen, die Konkurrenten von SAP und All for One, gefallen war.
Die Auswahlkriterien machen zugleich die Herausforderungen hinsichtlich der Projektziele deutlich. Das BRK ließ die konkurrierenden Software-Anbieter genau wissen, wie das Haus später bestellt sein sollte: Die neue Software-Architektur sollte größere Bezirksverbände ebenso im gleichen System abbilden können wie den kleinsten Kreisverband.
Die Software sollte zudem die Möglichkeit bieten, Wachstum zu berücksichtigen. Motto: Heute eine kleine Kostenrechnung – morgen strategisches Controlling. Außerdem sollte das neue System den Wünschen des Managements nach schnellem Überblick gerecht werden. Diese Anforderung zielt auf moderne Auswertungsmöglichkeiten, die allerdings weitgehend von jedem Mitarbeiter beherrschbar sein sollten. Die neue Software sollte letztlich intuitiv zu bedienen sein, was nicht immer selbstverständlich ist.
Seit Oktober 2010 ist das Projekt abgeschlossen. Es beinhaltet eine Finanz- und Anlagenbuchhaltung, eine Kosten- und Leistungsrechnung, Systeme zur Kassen- und Spendenbuchhaltung, das Modul Electronic Banking sowie ein Informationssystem zur flexiblen Auswertung von Daten. Außerdem wurden das IT-System der Personalwirtschaft und über 30 sozialwirtschaftliche Fach- und Abrechnungsverfahren angeschlossen. Hinzu kommt ein modernes Dokumenten-Management-System (DMS). Dieses beschleunigt die Verwaltung von Dokumenten, vereinfacht zahlreiche ablauforganisatorische Prozesse und verbessert die Suche nach Belegen.
Es galt, das historisch gewachsene, selbst programmierte Unix-System Fibu 2000 abzulösen. Der Handlungsdruck war in den vergangenen Jahren immer mehr gewachsen. Mit der unternehmensweiten Konsolidierung musste in der Vergangenheit jeweils schon zu Jahresanfang begonnen werden, um diese im Sommer dem Wirtschaftsprüfer vorlegen zu können.
Zentrale Daten-Auswertung war nicht möglich
Der Grund: Es war keine zentrale Auswertung möglich. Folglich standen keine aktuellen Management-Kennzahlen zur Steuerung des Verbands zur Verfügung. Vieles musste mühsam aus Excel-Tabellen herausgelesen werden. Zentrales Ziel war es demnach, über moderne Software eine wirtschaftlichere Arbeitsweise herbeizuführen – bezogen auf die jährliche Konsolidierung, gleichermaßen aber auch auf die tägliche Arbeit.
Zusammengenommen gab es für die 73 Kreis-, fünf Bezirksverbände und für die Landesgeschäftsstelle insgesamt 177 Buchungsmandanten. Dies ist für eine so große Organisation wie das Bayerische Rote Kreuz keineswegs ungewöhnlich. Wie in vielen anderen medizinischen und sozialen Einrichtungen auch wächst Software durch hinzukommende Anforderungen so lange, bis irgendwann das große Aufräumen kommen muss. Man nennt diesen Zustand auch "organisch gewachsen".
Beim Aufräumen der chaotischen Software-Landschaft wurde jeder Mandant einzeln betrachtet, und es wurde gefragt: "Brauchen wir den noch oder können wir ihn in eine andere Hierarchie bringen?" 80 Kontenpläne standen auf dem Prüfstand. In der gemeinsamen Räumaktion blieb davon ein einziger übrig. Dadurch ist jetzt die Konsolidierung aller Einzelabrechnungen quasi auf Knopfdruck möglich.
Die Migration selbst war ein Kraftakt. Insgesamt mussten die Daten von 177 Mandanten ins neue System überführt werden. Pro Mandant bedeutete das rund einen halben Tag Arbeit. Pro Mandant waren rund 40 Einzelschritte zu beachten, die ineinandergreifen und nacheinander ablaufen mussten. Ein großer Stolperstein waren die über 30 Vorsysteme von anderen Herstellern, die es anzubinden galt. Beispiele hierfür waren: Heimverwaltung für Altenheime, Kindertageseinrichtungen oder Essen auf Rädern.
Problematisch zeigte sich die Frage nach der Eigenständigkeit der fünf Bezirks- und 73 Kreisverbände. Es galt, das erste Projekt in der Geschichte des BRK zu meistern, in das alle unterschiedlichen Instanzen mit einbezogen werden sollten. Die interne Skepsis zu Beginn war groß – und sie hielt über weite Phasen des Projektes an.
Dieter Deinert, der für IT zuständige Landesgeschäftsführer, beschreibt das Vorgehen: "Die Wende in dem anfangs schwierigen Projekt gelang durch die Anwendertreffen, mit mehr als 400 Teilnehmern. Damit hatte das Projektteam die Möglichkeit, alle Anwender direkt zu erreichen und echte Probleme von Befindlichkeiten zu unterscheiden und gute Lösungen zu finden. Dadurch wurde Vertrauen und Verständnis erreicht."
EDV hat nur unterstützende Funktion
Für das Gelingen der Software-Konsolidierung war mithin nicht die gewählte Technologie allein entscheidend, sondern die Einigung unter den Bezirks- und Kreisverbänden und letztlich unter den betroffenen Mitarbeitern. Deinert resümiert: "Die EDV hat für mich eine reine Supportfunktion. Da geht es um Prozesse und Abläufe. Wir haben 177 Buchungsmandanten, und in der Vergangenheit hatten wir hierzu zehn verschiedene Systeme im Einsatz. Das bedeutete, dass hier zwingend Abläufe geändert und vereinheitlicht werden mussten. Und dabei war die menschliche Überzeugungsarbeit die größte Herausforderung."