Tests im Hamburger Containerhafen

Software seetüchtig machen

07.10.2002
Software-Tests während der Entwicklungsphase reduzieren das Risiko eines Fehlschlags, sparen Kosten und Zeit. Diese Erfahrungen machten die IT-Verantwortlichen des neuen Container-Terminals Altenwerder in Hamburg.

Ob gutes Essen, sichere Autos oder edle Schuhe - Michael Busch, IT-Verantwortlicher der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG (HHLA), legt viel Wert auf Qualität. Das ist in seinem Job nicht anders; und so mussten bei der dreijährigen Entwicklung des ersten vollautomatischen Container-Terminals, dem weltweit modernsten seiner Art, höchste Ansprüche erfüllt werden. "Für die HHLA war der Umfang der Software-Qualitätssicherung neu", so Busch.

Von Beginn an begleiteten zeitweise bis zu 35 Tester das IT-Großprojekt, 12 davon von der auf Software-Tests spezialisierten Kölner Firma Software Quality Systems (SQS). Die Übrigen kamen vom Container-Terminal Altenwerder (CTA) und anderen Hafengesellschaften. Vorteil der Arbeitsteilung: Die von der HHLA selbst gestellten Tester wissen heute über alle IT-Prozesse genauestens Bescheid.

Zunächst hatte die HHLA Schwierigkeiten, die passenden externen Qualitätsberater zu finden. "Als wir 1999 begannen, war die Hochzeit der New Economy. Da wir mit Java-Technologie entwickelt haben, wollten viele Firmen ihre Leute nicht zum Testen abgeben. Selbst Unternehmen, von denen ich wusste, dass sie das in der Vergangenheit gemacht hatten, winkten ab", erinnert sich Busch. Mit Java ist die HHLA Vorreiter; bisher gibt es weltweit nur wenige ähnliche Mission-Critical-Projekte.

Die fünf Anwendungen des CTA-Projekts bestehen aus drei Standardprogrammen und den zwei zentralen HHLA-Eigenentwicklungen, ohne die ein derartig automatisierter Terminal nicht zu steuern sei, erklärt Busch. Bei der HHLA ließ er deshalb für Altenwerder fast alle Anwendungssysteme mit externer Unterstützung neu programmieren. Herzstück sind die vollständig mit Java entwickelten Terminal- und Logistiksteuerungen für die Land- und für die Wasserseite.

Außerdem bestehen Schnittstellen zu den IT-Systemen der Reeder, Spediteure und zum Zoll; hier hat die HHLA-Tochter Logas Standardprogramme entwickelt. Für die Stau-, Liegeplatz- und Brückeneinsatzplanung sowie für die Visualisierung des Lagers lieferte Navis die Software. Als fünfte große Anwendung schließlich wurde das Transportleitsystem Tess von Inform eingebunden.

Busch rechnete damit, dass die Tests 15 Prozent der Gesamtkosten ausmachen würden; SQS setzte 40 Prozent an. "Das hat mich fast vom Hocker gehauen", sagt Busch. Zuletzt seien es 30 Prozent geworden; absolute Zahlen wolle er nicht nennen. "Ich hatte Sorge, dass ich wegen der Kosten bei den Verantwortlichen nicht durchkomme. Doch das war völlig unbegründet."

Einsparungen durch die Vermeidung von Fehlern lassen sich nur schwer beziffern. Je früher ein Fehler allerdings erkannt wird, desto mehr spart ein Unternehmen für mögliche spätere Ausfälle. Als Berechnungsgrundlage dienen hier Produktionsausfallkosten und Studien, die belegen, welche Ausgaben durch die Vorwegnahme von Mängeln erst gar nicht anfallen. SQS-Projektleiterin Arlette Stoß ist sich sicher: "Durch die Tests vermeidet ein Unternehmen Fehlerbehebungskosten in Millionenhöhe."

Anfang 2000 entwickelte die HHLA zunächst Fachkonzepte, in denen alle Geschäftsprozesse fixiert und inhaltlich definiert wurden. SQS half beim Aufbau der Konzepte, die anschließend wiederum von Fachleuten der HHLA auf ihre Stimmigkeit geprüft wurden. "Das Fachwissen kommt in der Regel aus den Unternehmen. Wir definieren die Qualitätsmanagement- und Testprozesse. Einige Prozesse moderieren wir, andere führen wir verantwortlich durch", erklärt Stoß die Arbeit von SQS.

Dann wurde entschieden, wie und mit welchem Aufwand was getestet werden sollte. Buschs einzige Kritik: SQS habe mit der Java-Umgebung zuerst einige Schwierigkeiten gehabt. "Wir haben Pionierarbeit geleistet", ist er überzeugt. Auch in Sachen Komplexität betrat SQS Neuland. Es ging nicht wie sonst häufig um eine neue Komponente innerhalb eines bestehenden Systems, sondern darum, ein System komplett neu aufzusetzen, das aus fünf verschiedenen Anwendungen besteht. "In meiner elfjährigen Testarbeit habe ich noch nicht an einem so aufwendigen Projekt gearbeitet", sagt Stoß.

Den Entwicklertest beim Erstellen der Software erledigten HHLA und die drei externen Dienstleister weitgehend allein; die SQS-Leute legten nur die Tools und das Vorgehen fest. Ihre Arbeit begann bei den Eigenentwicklungen mit den Funktionstests, während sie bei den Standardprogrammen erst in die Anwendungstests einstiegen. Dabei wurde jede der fünf großen Anwendungen einzeln geprüft. So ließen sich bei anschließenden Integrationstests, als alle Anwendungen zusammenspielen mussten, viele Fehler ausschließen. Parallel dazu liefen Systemtests, um Leistungsfähigkeit und Robustheit zu kontrollieren.

Doch auch beim Testen gibt es Grenzen. "Ich kann nicht wegen eines Fehlers zehn Mann einsetzen", erklärt Busch. Wo die Kosten höher sind als der Nutzen, sollte man aufhören zu suchen. "Man darf nicht zu dogmatisch sein. Mit einem Java-System sind Sie nie fertig. Und manche Fehler wird man erst nach Jahren finden."

Der erste wirkliche Check fand schließlich Mitte Juni statt, als die Containerbrücken, Kräne und Transportwagen angeschlossen und die ersten Schiffe entladen wurden. "Wir haben mit sieben Schiffen das Löschen geprobt; nach dem dritten klappte alles bestens", berichtet Busch. Die feierliche CTA-Eröffnung musste die HHLA auf den 25. Oktober verschieben. "An uns lag es nicht, die "Hamburg Express", das größte Containerschiff der Welt, konnte wegen Sturms nicht kommen", versichert Busch.