Mehr IT-Dynamik durch Baukasten-Prinzip

Software-Systeme in kleinen Service-Happen

03.03.2006 von Frederick Staufer/CW.at
Externe Faktoren – allen voran Globalisierung, Komplexität, Konkurrenz, Unsicherheit, Shareholder Value – verstärken den Druck auf Unternehmen, bei der Strukturierung ihrer Kernprozesse aufs Gaspedal zu treten. Das Problem dabei: Technologie- und Geschäftslogik müssen auf eine Linie gebracht werden. Beide Teile sollten einem Automatikgetriebe gleich in allen Drehzahlbereichen homogen ineinander greifen.

Aus der Sicht der IT stellt sich die Frage: Wie muss sie reagieren beziehungsweise aufgestellt sein, damit sie ihren Beitrag zu schnelleren und flexibleren Modellierung von Geschäftsprozessen leistet? Für Christoph Strnadl, Chief IT-Architect bei der Software AG Österreich, sind "Service-orientierte Strukturen (SOA) derzeit die beste Antwort für diese Aufgabe der IT". Software-Systeme werden in kleine Happen, Services, geteilt, die dann entsprechend den Anforderungen zusammengemischt werden. Der wesentliche Vorteil derartiger Architekturen liegt in einem deutlichen Mehr an Flexibilität und Geschwindigkeit sowie in der Optimierung des Ressourceneinsatzes.

Diesem Konzept können sich selbst die Branchengrößen unter den Software-Herstellern nicht verschließen, wie etwa das Beispiel SAP zeigt. Der jeweilige Walldorfer Geschäftsbereich feilt in der im September 2005 erstmals vorgestellten Initiative der Industry Value Networks (IVN) zusammen mit Kunden und Partnern in 25 Branchen an SOA-Bausteinen zur Flexibilisierung und Beschleunigung der IT. Am IVN für Banken beteiligen sich etwa CIO namhafter Geldinstitute wie ABN Amro, Absa, Barclays, Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), Credit Suisse, Deutsche Postbank, ING und Standard Bank. Gemeinsam sollen Enterprise Services für die erste bankenspezifische Plattform für Geschäftsprozesse definiert werden. Diese Plattform soll in der Folge für alle Kunden, unabhängige Software-Anbieter und Partner verfügbar sein. Jeder Anwender kann sich die Bausteine herauspicken, die er für seine Prozesse benötigt.

Ähnliches hat eine andere SOA-Allianz rund um IBM, SAP und Oracle vor. Die weiteren Partner sind BEA Systems, Iona Technologies, Siebel Systems, Sybase, und Xcalia. Diese Firmen-Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die Service Component Architecture (SCA) sowie Service Data Objects (SDO) zu definieren. Beide bilden zusammen das SOA Programming Model.

BPM und SOA – Hand in Hand

SOA befasst sich mit dem Wie, der Zusammensetzung der Services. Den anderen Teil, das Was, die Zusammensetzung der Prozesse, steuert das Prozess-Management (Business Process Management; BPM) bei. Dieses unterstützt bei der Modellierung, Implementierung und dem Management von vertikalen, durchgängigen Prozessen, die über mehrere Organisationseinheiten gehen – Fazit von Strnadl: "Business Process Management und SOA bilden ein fast unschlagbares Paar.“ Das Geschick wird allerdings darin bestehen (müssen), beide Teile möglichst homogen miteinander zu verknüpfen.

Doch es braucht Zeit, bis durchgängige Prozessinnovationen greifen – Strnadl: "Da geht es um Jahreszyklen.“ SAP beispielsweise rechne erst in einigen Jahren – 2009/2010 – mit neuen Produkten. Auch die Software AG, erster Verfechter der SOA-Idee am Markt, habe einen Zyklus von mehreren Jahren bis zum Release neuer, an den Marktbedürfnissen orientierter Produkte durchlaufen, betont er.

Daraus ergibt sich zwingend eine weitere unabdingbare Voraussetzung für die vollständige Optimierung der Geschäftsprozesse – nämlich Kontinuität im Management: "Wechseln die Manager alle zwei Jahre, dann wird es nichts“, bringt es Strnadl unmissverständlich auf den Punkt. Zudem müssten die Manager selbst Geduld aufbringen hinsichtlich der Verhaltensänderung ihrer Mitarbeiter. "Den Widerstand von Organisation aufzubrechen, ist manchmal mehr Aufwand als die Technologieinnovation. Da menschelt es“, kommentiert er die Praxis.

Effiziente Prozesse = Kostenreduzierung

Die Optimierung der Kernprozesse zahlt sich offenbar aus, sonst würden nicht drei Viertel der Unternehmen laut Yankee Group in SOA investieren. Strnadl dazu: "30 Prozent Verbesserung sind drinnen. Diese Prozesse gibt es.“ Der Nutzen liege in effizienteren Geschäftsprozessen, die in der Folge zur Kostenreduzierung führen. Das bedeutet aber auch, dass sich der Return of Investment (ROI) nur bei den Fachabteilungen einstellt – und nicht in den IT-Abteilungen!

Optimierungen könnten sogar zu Mehraufwänden in der IT führen. „Redet man nur mit der IT, bekommt man die Sache nie durch“, erklärt er. Auch deswegen nicht, da man der IT die Herrschaft über die Prozesse entziehe und naturgemäß auf große Widerstände stoße. "Wir sprechen zuerst mit den Fachbereichen. Danach versuchen wir, die IT rasch nachzuziehen", skizziert er die Strategie bei Projektrealisierungen. Johannes Schwandegger, Vorstand der Eisenstädter Icodex, sieht es ähnlich: "Die Fachabteilung ist der Prozess-Owner, die IT stellt als Betreiber sämtliche Daten zur Verfügung."

Informationen strukturieren

BPM ohne entsprechende Software scheint heutzutage unmöglich, schon allein wegen der Komplexität und des Zeitdrucks. "Typischerweise liegen in Unternehmen sehr viele Kennzahlen herum. Tools helfen dabei, diese zu strukturieren, und unterstützen auch das Informations-Management durch übersichtliche Reporting-Funktionen“, hebt Robert Strobl von der BOC Unternehmensberatung deren Nutzen hervor. Schwandegger steckt das mögliche Rationalisierungspotenzial ab: "Der IT-Aufwand hat sich bei unseren Projekten in Einzelfällen sogar um bis zu 60 Prozent reduziert.“ Angesichts derartiger Zahlen sollte es nicht schwer fallen, bei Geschäftsleitungen auf weit offene Ohren zu stoßen.

Schnelle Sicht auf Optimierungspotenziale

Das Benchmarking im herkömmlichen Sinn hat den Status der Modeerscheinung überwunden und sich als nützliches Werkzeug für quantitative und qualitative Prozessbetrachtungen etabliert. "Intelligentes Abschauen bedeutet, die Erfolgsfaktoren von Prozessen zu erkennen, frühzeitig Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu schaffen und die Erkenntnisse für erfolgreiche Veränderungen zu schaffen“, fasst Unternehmensberater Dietmar Bodingbauer von der Infora Consulting Group zusammen. Prozess-Benchmarking hat seine Berechtigung, da es durch die Zuordnung von Ressourcen, Mengendaten und Performance-Kennzahlen unterschiedliche Strukturen über den gesamten Prozess vergleichbar macht.

Teilprozesse ansehen

Laut Bodingbauer ist dabei auch auf die Betrachtung von Teilprozessen zur Lokalisierung von Verbesserungspotenzialen achten. Erste Ergebnisse aus dem Benchmarking sollten "längstens in drei bis vier Monaten“ vorliegen, damit nicht die Motivation leide. Wenn die Zeit sehr drängt, dann würden Quick-Benchmarks schnell ein aussagekräftiges Bild liefern. Benchmarking werde aber auch als Kommunikationsinstrument entdeckt, mit dem Veränderungsprozesse entlang ihrer Lebenszyklen weiter getrieben werden. Bodingbauer: "Ohne Verbündete steht selbst der umsichtigste Manager allein auf weiter Flur.“ Veränderungen würden dann Erfolg haben, wenn "Schlüsselpersonen" in Position gebracht seien.

Alles, was sich als Hindernis auftürmt, sei aus dem Weg zu räumen: „"Unternehmen, die durch Change-Prozesse Erfolg hatten, haben dafür sogar heilige Kühe geschlachtet“, unterstreicht er die Bedeutung von konsequentem Prozess-Management.