Der Rückblick auf die letzten 20 Jahre ist interessant, vielleicht auch etwas beängstigend. In jener Zeit sind die deutschen IT-Ausgaben nach PAC-Einschätzung von 81 Milliarden Euro im Jahr 1994 auf 118 Milliarden Euro im Jahr 2014 gestiegen, das bedeutet also ein Plus von 46 Prozent. Gleichzeitig hat sich der IT-Services-Anteil an den IT-Ausgaben von 16 Prozent im Jahr 1994 auf 30 Prozent im Jahr 2014 nahezu verdoppelt, der Software-Anteil ist immerhin von 10 Prozent auf 15 Prozent gewachsen.
Allerdings gehören hohe Wachstumsraten (für die lange Zeit verwöhnte IT-Services-Branche sogar zweistellig) längst der Vergangenheit an. Und die IT-Ausgaben wachsen seit mehr als 10 Jahren langsamer als das BIP: deren Anteil am BIP war zwischen 1994 und 2001 von 4,7 Prozent auf 5,6 Prozent kontinuierlich gewachsen; seitdem nahm er progressiv auf 4,2 Prozent im Jahr 2014 ab.
Zwar haben die 90er-Jahre von einigen Entwicklungen (wie Client/Server, ERP, Outsourcing, E-Business) und temporalen Ereignissen (vor allem von Euro-Umstellung und Y2K) erheblich profitiert. Die deutsche Wirtschaft ist jedoch weiterhin stark damit beschäftigt, die Chancen aus neuen Technologien und Konzepten für sich zu ergreifen; es geht um Cloud Computing, Big Data, Mobility, Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet der Dinge, usw.
Digitalisierung und Customer Experience
Die Digitalisierung der Wirtschaft (und der öffentlichen Hand) stellt eindeutig ein besonders umfangreiches Vorhaben dar. Angefangen hat es mit "Digital Workplace", also mit Themen wie UCC und Mobility, die zwar noch aktuell sind aber bereits eine gewisse Reife erreicht haben.
Die zweite Phase hat bereits begonnen, mit der auf Customer Experience fokussierten Digital Transformation.
Industrie 4.0
Die Digitalisierung weitet sich aber auf weitere Prozesse aus, und das nächste große Thema in Deutschland wird Industrie 4.0 sein, assoziiert mit Themen wie M2M und dem Internet der Dinge: Die Intelligenz der einzelnen Devices wird vernetzt und deren Steuerung wird intelligenter. Die Anwendungsfelder sind vielfältig: Gesundheitswesen, Smart Energy, Automotive (bis hin zum autonomen Fahren), die komplette Automatisierung von Logistik und Produktion, usw.
Während die IT bisher vor allem die Aufgabe hatte, bestehende Prozesse und Organisationen optimal zu unterstützen, werden im Zuge der Digital Transformation komplette Geschäftsmodelle neu definiert. Entsprechend verlangen die Kunden nicht nur eine ausgeprägte Technologiekompetenz, sondern auch eine umfangreiche Branchen- und Prozesskompetenz.
Big Data und Sicherheit
Die Digitalisierung wird unterstützt von Big Data, also der Möglichkeit, unzählige strukturierte wie unstrukturierte Daten rasch auszuwerten, um die richtigen Entscheidungen ohne Verzögerung zu treffen, sei es im Marketing und Vertrieb, in der Logistik oder in der Produktion. Schließlich führt die zunehmende Vernetzung aller Devices und Systeme zu dramatisch gestiegenen Sicherheitsanforderungen, mit permanent neuen Bedrohungen.
Die schlichte Sicherheit der Infrastruktur reicht längst nicht mehr aus, es geht jetzt um einen ganzheitlichen Ansatz, um Daten, um die Governance, um SOCs (Security Operation Centers). Auch hier verlangt der Markt nach einer Kombination aus Technologie-, Branchen- und Prozesskompetenz.
Cloud Computing
Cloud Computing wirkt hier als wichtiger Enabler: Einerseits ermöglicht das SaaS-Modell eine schnellere Implementierung neuer Anwendungen und Funktionalitäten; andererseits ermöglicht das IaaS-Modell in seinen unterschiedlichen Ausprägungen die Auswertung immer größerer Datenmengen.
Gleichzeitig dämpfen die neuen Cloud-Offerings das Wachstum des gesamten IT-Marktes, indem sie zu einer deutlichen Effizienzsteigerung und, zumindest vorübergehend, zu einer weiteren Vereinfachung und Standardisierung führen. Gerade der lange Zeit stetig wachsende Outsourcing-Markt leidet unter den neuen Preis- und Delivery-Modellen. Der Einfluss von Cloud Computing auf die Outsourcing-Branche ist vergleichbar mit dem des Internets auf die Telcos in den letzten 10 Jahren.
SaaS
Im Vergleich stellt SaaS für die Softwarebranche zwar eine große Herausforderung dar, insbesondere mit neuen Wettbewerbern, die meistens aus den USA stammen; alle etablierten Softwareanbieter, angefangen bei SAP, Microsoft und Oracle, arbeiten mit Hochdruck an der Erweiterung ihrer SaaS-Portfolios, einschließlich Firmenübernahmen, neuer Lösungen und der Portierung bestehender Produkte. Das SaaS-Modell ermöglicht es den Softwareanbietern gleichzeitig, ihren adressierten Markt zu erweitern.
Akzeptanz von Offshore
Letztendlich leidet der IT-Services-Markt unter der zunehmenden Akzeptanz von Offshore. Deutschland blieb dem Offshore-Konzept lange Zeit ziemlich verschlossen, im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Großbritannien, den Niederlanden oder der Schweiz.
Neuerdings hat die Akzeptanz jedoch deutlich zugenommen. Während die führenden IT-Services-Anbieter über die letzten fünf Jahre organisch kaum gewachsen oder sogar geschrumpft sind, konnten die indischen Top 6 ihre Umsätze mehr als verdreifachen, wobei das Wachstum nicht nur organisch verlief.
Infosys und TCS sind als erste unter unsere Top 30 gelangt, Cognizant hat dies im letzten Jahr nur knapp verpasst, Wipro, TechMahindra und HCL sind die nächsten Kandidaten. Allerdings haben alle führenden westlichen Anbieter, insbesondere Accenture und Capgemini, inzwischen reagiert und ihre Offshore-Kapazitäten erheblich ausgebaut, insbesondere in Indien.
Fazit
Wir sind jedoch optimistisch für die kommenden Jahre. Zwar wird der Preisdruck nicht nachlassen. Aber die neuen Themen werden an Bedeutung gewinnen: Die zahlreichen Pilotprojekte werden zu umfangreicheren Projekten führen. Und schließlich wird die Integration der neuen Lösungen mit dem "Backbone", also in der Regel mit der "ERP-Legacy", zusätzliche Projekte generieren.
Hier haben die etablierten Anbieter noch sehr gute Karten, vorausgesetzt sie positionieren sich aggressiver in den neuen Themen und Technologien und zeigen eben die notwendige Kombination aus Technologie-, Branchen- und Prozesskompetenz.
Christophe Châlons ist Group Chief Analyst und Vice President - Quality bei PAC Deutschland.