Low-Code-Plattformen

Softwareentwicklung meets Lego

19.04.2018 von Clint Boulton
Applikationen zusammenstellen ohne manuelles Programmieren? Mit Low-Code-Softwareentwicklung ist das kein Problem. Vier Erfolgsbeispiele.

Um die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern, wenden sich immer mehr Unternehmen von den traditionellen Ansätzen der Softwareentwicklung ab. Stattdessen setzen sie auf Prinzipien wie Agile und DevOps, um die Entwickler dazu zu befähigen, Software in Sprints anzufertigen und diese fortwährend zu aktualisieren. Diese Methoden sind aber nur zwei von vielen Optionen, die CIOs zur Verfügung stehen, um der Applikations-Kreation Beine zu machen.

Eine weitere ist die Entwicklung nach dem Low-Code-Prinzip. Wie der Name schon weitgehend offenbart, geht es hierbei darum, Software mit minimalem Coding-Aufwand zu erstellen. Dazu liefern Low-Code-Plattformen visuelle, deklarative Techniken, um Daten, Logik und Darstellung (und andere Fragmente) einer App zu verändern - ohne dafür Code schreiben zu müssen.

Die Softwareentwickler können die "fertigen" App-Einzelteile also nach dem "Drag and Drop"-Prinzip zusammenbauen - so als würden sie ein Lego-Konstrukt auf dem Computerscreen erstellen. Natürlich steht den Developern weiterhin die Möglichkeit offen, Code hinzuzufügen - etwa um ältere Applikationen zu integrieren, zu Reporting-Zwecken oder falls spezielle Vorgaben beim User Interface umgesetzt werden müssen.

Softwareentwicklung nach dem Low-Code-Prinzip: Wir sagen Ihnen, was dahinter steckt.
Foto: Ekaterina Minaeva - shutterstock.com

Die Vorteile der Low-Code-Entwicklung

Die Zeitersparnis, die sich mit Hilfe von Low Code Development erzielen lässt, kann für Unternehmen, die ihre Software auf den Markt bringen wollen/müssen, bevor es die Konkurrenz tut, das entscheidende Zünglein an der Waage sein. Laut einer Untersuchung von Forrester sehen 31 Prozent der Softwareentwickler die wesentliche Herausforderung bei der Arbeit mit traditionellen Werkzeugen wie Programmiersprachen, Frameworks und Middleware darin, die "business requirements" in der vorgegebenen Zeit zu erreichen.

Die Kollegen unserer US-Schwesterpublikation CIO haben IT-Entscheider von Shell Downstream, 7-Eleven, John Hancock und der Solomon Group zu den Vorteilen der Low-Code-Softwareentwicklung befragt.

Low Code für die Ölproduktion

Craig Walker hat als CIO bei Shell Downstream den Hut auf in Sachen digitale Transformation. Teil dieses Wandels ist auch die Substitution von On-Premise-Systemen und traditioneller Softwareentwicklung durch Cloud Services und Low Code Development. Mit Hilfe letzterer Methode werkeln die Developer bei Shell Downstream an Kundenportalen und anderen digitalen Services - unter anderem für die M&A-, Retail-, Sales- und HR-Abteilung.

Laut Walker konnte das Unternehmen durch die Adaption der Softwareentwicklung nach dem Low-Code-Prinzip die Zeit zwischen Konzeption und Proof-of-concept wesentlich verkürzen und so Applikationen schneller auf den Markt bringen.

Verantwortlich für die Abkehr von der traditionellen Softwareerstellung waren laut dem Shell Downstream CIO insbesondere die Disruptionen innerhalb der Energiebranche. Ganz auf eigenen Code verzichten kann aber auch Shell Downstream nicht, wie Walker verrät: "Wir schreiben nur unseren eigenen Programmcode, wenn das Ziel lautet, sich über geistiges Eigentum von der Konkurrenz abzuheben oder wenn es darum geht Service-Modelle zu entwickeln, die einen Wettbewerbsvorteil realisieren."

Was Softwareentwickler 2017 verdienen ...
Was Softwareentwickler 2017 verdienen ...
... hängt nicht nur von Qualifikation und Berufserfahrung ab. Entscheidend ist auch, in welcher Branche er arbeitet und in welcher Region der Arbeitgeber angesiedelt ist. Das ergab eine aktuelle Gehaltsanalyse von Compensation Partner.
Softwareentwickler, die Frankfurt und Hessen ...
... arbeiten, haben die besten Verdienstperspektiven. Hier können sie mit über 63.000 Euro brutto im Jahr rechnen.
Aber auch in Stuttgart und Baden-Württemberg ...
... erwarten Backend-Entwickler mit knapp 63.000 Euro im Jahr überdurchschnittliche Verdienstperspektiven.
In Bayern und insbesondere der Hauptstadt München ...
... erhalten Entwickler jährlich knapp 61.000 Euro.
Die Hauptstadt Berlin ...
... bietet Programmierern mit einem Jahreseinkommen von knapp 54.000 Euro nur durchschnittliche Verdienstperspektiven.
In Leipzig und in Sachsen ...
... werden Entwicklern wie in den anderen neuen Bundesländern nur unterdurchschnittlich vergütet. Hier bewegen sich die Bruttojahresgehälter zwischen 43.000 und 45.000 Euro.
Banken und Versicherungen ...
... vergüten Entwickler mit über 69.000 Euro pro Jahr im Branchenvergleich am besten.
Softwareentwickler in der Medizintechnik ...
... verdienen mit knapp 65.000 Euro ebenfalls seht gut.
Auch der Maschinenbau ...
... zahlt seine Backend-Entwickler mit 63.200 Euro überdurchschnittlich.
In Groß- und Einzelhandel ...
... müssen sich Softwareentwickler mit einem Jahresgehalt von 52.000 Euro begnügen.
Auch die Druck- und Papierindustrie ...
... gehört zu den Branchen, die niedrigere Gehälter zahlen: 49.200 Euro für einen Backend-Entwickler im Jahr.
Softwareentwickler in Bildungsinstitutionen ...
... müssen sich mit 49.100 Euro im Jahr begnügen.
Auch in PR- und Werbeagenturen ...
... halten sich die Verdienstperspektiven von Softwareentwicklern in engen Grenzen: Knapp 47.000 im Jahr.
Young Professionals können nach drei bis sechs Jahren im Job ...
... mit einem Plus von 5000 Euro oder einem Jahresgehalt von 51.000 Euro rechnen.
Personalverantwortung zahlt sich für Entwickler aus.
Mit Personalverantwortung beträgt ihr Durchschnittsgehalt 97.500 Euro, ohne eine Führungsrolle sind es dagegen 56.600 Euro im Jahr.

Sales-Daten to go

Der Einzelhandelsriese 7-Eleven nutzt Low Code Development, um Regionalmanager (die im Schnitt zehn Filialen pro Tag besuchen) mit Infos zu den Produkten in den Läden versorgen zu können. Ganz konkret brachte 7-Eleven eine App auf den Weg, die den Managern im Außendienst unter anderem ermöglicht, Einsicht in die Verkaufszahlen zu nehmen. Die Daten sind per Laptop, Tablet oder Smartphone abrufbar und können nach Analyse dazu genutzt werden, Maßnahmen zu ergreifen.

Wenn es beim Product Placement in der Filiale Verbesserungsbedarf gibt, können die Regionalmanager umgehend eingreifen, wie Paul McCollum, Technology Officer erklärt. Und wenn einer der Manager in einer Filiale ein falsch bepreistes Produkt entdeckt, kann er die Verantwortlichen in der betreffenden Filiale mit einem Knopfdruck darüber informieren. "Das ist die Richtung, in die wir gehen wollen - wir wollen unseren Mitarbeitern die Technologie in die Hand geben", so McCollum.

Versicherung gegen schlechten Kundenservice

Die IT-Abteilung des US-amerikanischen Versicherungs- und Finanzdienstleisters John Hancock sah sich vor einiger Zeit mit gewaltigen Aufgaben konfrontiert: zunächst mussten Kundendaten aus verschiedenen Systemen konsolidiert werden, danach stand erst einmal eine Master-Data-Management-Grundreinigung auf dem Programm. Im letzten Schritt hievte das Unternehmen seine Prozesse dann auf die Server von Salesforce.

Um "customer centricity" in die Transformationsbemühungen von John Hancock zu injizieren, setzte das IT Team auf Low Code Development, wie Vice President und Technology Officer Len van Greuning erklärt. Die Mitarbeiter in den Call Centern haben nun deutlich leichteren und schnelleren Zugang zu Kundendaten. Darüber hinaus bietet John Hancock seinen Kunden auch die Möglichkeit, Dokumente zu Schadensfällen einzuscannen und digital zu übermitteln. Diese konnten vorher ausschließlich per Fax eingereicht werden.

Natürlich können die Softwareentwickler den Low-Code-Ansatz außerdem auch dazu nutzen, schnell neue Applikationen (oder Prototypen davon) zu bauen, die eines Tages im Business zum Einsatz kommen könnten.

10 Dinge die Softwareentwickler austicken lassen
Produkt- & Projektmanager
Ganz generell schätzen es Entwickler nicht so besonders, wenn ihnen jemand erklären will, wie sie ihren Job zu machen haben. Weil Produkt- und Projektmanager aber oft Entwickler-Teams leiten, passiert genau das. Das kann zu Unstimmigkeiten führen. <br /><br /> Dazu hat auch David Fox von devRant eine Meinung: "Letztendlich ist es in den meisten Fällen so, dass Produkt- und Projektmanager in irgendeiner Art und Weise die 'Besitzer' von Projekten und Prozessen sind, ohne dabei die täglichen Herausforderungen und Probleme der Softwareentwickler zu kennen."
Chefs
Genau wie die Produkt- und Projektmanager sind auch Development oder Engineering Manager dafür zuständig, Teams von Entwicklern zu führen und sicherzustellen, dass Projekte rechtzeitig und unter Budget fertiggestellt werden. <br /><br /> "In einigen Unternehmen können Situationen entstehen, in denen der Chef gleichzeitig Mitglied des Entwicklerteams ist. Insbesondere wenn der Chef vorher selbst Entwickler war und nach einer Beförderung zum Chef wird, ist Konfliktpotenzial gegeben", merkt Fox an.
Recruiter
Softwareentwickler müssen gar nicht selbst aktiv nach einem Job suchen, um von Recruitern und Headhuntern belästigt zu werden - dem Fachkräftemangel sei Dank. Es dürfte sehr schwer sein, einen Developer zu finden, der noch nicht in die Fänge der Recruiter geraten ist. <br /><br /> David Fox sieht insbesondere die Hartnäckigkeit der Recruiter als Problem: "Sie rufen an, sie e-mailen und sie lassen Dich einfach nicht in Ruhe - selbst dann, wenn Du gar keinen Job suchst. Und selbst wenn man eine Anstellung sucht, neigen viele Recruiter dazu, irrelevante Jobangebote zu machen oder Stellen zu empfehlen, deren Profil überhaupt nicht passt - etwa einen Job am anderen Ende des Landes, obwohl man gar nicht bereit ist, umzuziehen."
Dokumentation
Gibt es keine Dokumentation, beschweren sich die Softwareentwickler. Wenn es zuviel ist, beschweren sie sich und wenn sie die Dokumentation selbst erledigen müssen, auch. Sogar über die Art und Weise, wie andere Leute die Dokumentationsaufgabe bewältigen, beschweren sich die Entwickler. <br /><br /> An dieser Stelle seien sich auch endlich einmal alle Entwickler einig, wie Fox betont: "Softwareentwickler wollen eine ausführliche, gut geschriebene und akkurate Dokumentation - aber selber machen wollen sie es nicht."
Meetings
Meetings sind nicht nur für alle anderen ein Problem, sondern auch für Softwareentwickler. Insbesondere dann, wenn es sich um völlig unnötige, zeitraubende und stinklangweilige Zusammenkünfte handelt. Wie Fox erzählt, sind inzwischen auch Devotionalien mit der Aufschrift 'I survived another meeting that should have been an email' erhältlich.
Coworking Spaces
Mit dem Aufstieg der Agilität sind flache Hierarchien, Collaboration und Teamwork zum Alltag in Unternehmen geworden - insbesondere für Software-Development-Teams. Gerade die können ihre Arbeit in einem Großraumbüro aber meist nur schwer oder gar nicht bewältigen - sagen zumindest die Zahlen von devRant. <br /><br /> David Fox erklärt: "Es gibt einfach zuviel Ablenkung: die Kollegen unterhalten sich, Meetings werden verpasst, Telefonanrufe überhört. Es gibt auch eine Vielzahl an Beschwerden über den Kaffee im Büro und andere Annehmlichkeiten - oder eben das Gegenteil davon."
Kollegen
Selbsterklärend: Jeder hat wohl einen Kollegen oder eine Kollegin, den beziehungsweise die er ganz besonders schätzt. Nicht. <br /><br /> Im Fall der Softwareentwickler ist die Abneigung gegenüber Kollegen meist entweder in der mangelnden Qualität ihrer Arbeit oder einem völlig aus dem Leim gegangenen Ego begründet, gibt David Fox preis.
Vorstellungsgespräche
Wenn ein Softwareentwickler auf Jobsuche ist und zum Bewerbungsgespräch geladen wird, gibt es danach meist auch etwas zu meckern: <br /><br /> "Dumme Fragen oder die Lösung von völlig praxisfernen Aufgaben im Bewerbungsgespräch stoßen den Developern ebenso sauer auf, wie ein Gesprächspartner, der überhaupt nicht weiß, was ein Entwickler eigentlich genau macht", so Fox.
Fehler & Bugs
Softwareentwickler haben tagein, tagaus mit Fehlern und Bugs zu tun. Deswegen glaubt devRant-Gründer Fox, dass Entwickler in dieser Sache anders ticken: <br /><br /> "Die meisten anderen Probleme erfahren keine positive Auflösung, aber Bugs und Fehler sind behebbar und das fühlt sich gut an."
Quality Assurance
Die Quality Assurance (QA) - oder Qualitätssicherung - ist ein kritischer Teil der Softwareentwicklung. Dennoch bemängeln Softwareentwickler an QA-Experten häufig dieselben Dinge wie an Produkt- und Projektmanagern, so Fox. <br /><br /> "Die Qualitätssicherung bekommt das Produkt oder Projekt in die Hände, wenn die Entwickler es abgeschlossen haben. Deswegen verstehen sie oft nicht, welche Hürden und Workarounds die Entwickler im Entstehungsprozess bewältigen mussten. Offensichtlich kommt es auch regelmäßig vor, dass QA-Leute die Entwickler bitten, Bereiche nochmals zu überarbeiten, die sie auch selbst bewältigen könnten."

Besser in der Business-Praxis

Nachdem die Feuerwehr damit drohte, ein Musikfestival in den USA wegen akuter Überfüllung abzubrechen, nutzte der Veranstalter - die Solomon Group - eine Kombination aus Internet of Things und Low Code Development, um die Zahl der Besucher zu jedem Zeitpunkt ganz genau erfassen zu können.

Dazu errichtete die Solomon Group optische Drehschleusen, die mit Sensoren ausgestattet wurden, um den "Schrittverkehr" zu messen. Mit Hilfe einer neu gebauten App konnten diese Daten anschließend visualisiert werden und gaben Aufschluss über die stündlichen Besucherströme auf dem Festivalgelände.

Durch die Echtzeit-Überwachung der Besucherströme konnte nicht nur das Festival vor dem Abbruch bewahrt, sondern maximale Effizienz erzielt werden: Schließlich konnten auf Grundlage der Daten auch die Mitarbeiter für den Einlass sinnvoll auf die einzelnen Ein- und Ausgänge verteilt werden. Dem Sponsoren-Placement sind die Daten zusätzlich zuträglich, wie Jonathan Foucheaux, Mitbegründer der Solomon Group, anmerkt.

Low-Code-Plattformen und -Tools

Shell Downstream, John Hancock und 7-Eleven setzen für ihre Low-Code-Entwicklungsarbeit auf Tools aus dem Hause Salesforce. Solomon hingegen verwendet Technologie von Mendix. Bekannte Anbieter im Low-Code-Umfeld sind darüber hinaus auch OutSystems, Appian und Kony.

Auch wenn durch diesen Artikel der Eindruck entstehen könnte, traditionelle Softwareentwicklung befände sich auf dem absteigenden Ast: Dem ist nicht so, wie uns auch unsere Gesprächspartner bestätigten.

"Low Code ist eine fantastische Sache in Bereichen wo es um Waren und Dienstleistungen geht", ist Leo van Greuning überzeugt. "Aber es gibt immer noch diese eine Nische, über die man sich von der Konkurrenz abheben kann und für die es bodenständige Entwicklungsarbeit braucht - das wird sich nie ändern."

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.