Vergleichbar mit dem Projekt Basel II für Banken legt die Europäische Kommission für Versicherungen unter dem Stichwort Solvency II neue Richtlinien fest. Ziel ist eine grundlegende Reform der Versicherungsaufsicht, um im Rahmen des "Financial Services Action Plan" gleiche Regeln für gleiche Risiken aufzustellen. Zwar werden die erst 2010 wirksam, die Vorbereitungen dafür laufen aber bereits auf Hochtouren.
Konkret heißt das für die IT-Entscheider in den Unternehmen, dass die Reporting-Anforderungen steigen. Das stellt das Daten-Management vor neue Herausforderungen.
An diesem Punkt haben die Analysten näher nachgefragt. 70 Prozent der Studienteilnehmer erwarten, dass die Reporting-Anforderungen gegenüber Aufsichtsbehörden "stark steigen", weitere 30 Prozent glauben, dass sie "leicht steigen". Insgesamt 89 Prozent sehen auf sich zukommen, dass die Reporting-Pflichten gegenüber dem Vorstand zunehmen (39 Prozent: "stark", 50 Prozent "leicht").
Theorie und Praxis klaffen auseinander
Die Studie listet die Wichtigkeit der einzelnen Bereiche im Umfeld des Daten-Management auf. Ganz oben rangieren mit 86 Prozent der Nennungen Effizienz und Zeitnähe des internen Reportings vor einer ausreichenden Datenmenge zum Zweck der statistischen Risikomodellierung (84 Prozent) und der Datenkonsistenz in allen Systemen und Berichten (79 Prozent).
Bewusstsein ist das Eine, Vorbereitung das andere: Die Unternehmen gestehen selbstkritisch ein, für die genannten Herausforderungen noch nicht gerüstet zu sein. Als "gut" oder "sehr gut" beurteilen nur 34 Prozent Effizienz und Zeitnähe ihres internen Reportings. Bei der Datenmenge zum Zweck der statistischen Risikomodellierung sind es 36 Prozent und bei der Datenkonsistenz 28 Prozent.
Ein weiteres Ergebnis: Die Versicherungsunternehmen zeigen sich unzufrieden mit den bestehenden Software-Angeboten. Tools für die Bestandsverwaltung werden von 29 Prozent als "eher" bis "sehr" unbefriedigend bezeichnet. Mit Tools für Data Warehouse sind 27 Prozent nicht zufrieden, mit denen zum Datenzugriff 24 Prozent.
Nur 44 Prozent wollen neue Software-Lösungen implementieren
Dennoch planen nur 44 Prozent der Befragten, im Zuge der Vorbereitungen auf Solvency II neue Software-Lösungen zu implementieren. Dazu die Autoren der Studie: "Offensichtlich unterstellt die Versicherungswirtschaft, eine eigenständige Software-Lösung aus bestehenden Komponenten aufbauen zu können."
Allerdings scheinen sich die Befragten nicht zuzutrauen, das Projekt Solvency II aus eigener Kraft zu stemmen. Mit insgesamt 63 Prozent wollen knapp zwei von drei Firmen externe Spezialisten ins Boot holen, davon zehn Prozent "sicher", 22 Prozent "sehr wahrscheinlich" und 31 Prozent "eher wahrscheinlich". Die Analysten erwarten damit Umsatzpotenziale für IT-Consultants.
Die Autoren der Untersuchung widmen sich nicht zuletzt dem veränderten Begriff des Risikos. Der hatte für die Vorläufer der heutigen Assekuranz-Gesellschaften, die im 14. Jahrhundert bereits Schiffsladungen versicherten, noch im Schrecken vor Seeräubern und Piraten bestanden. Nun geht es bis 2010 darum, ein umfassendes Solvency-II-kompatibles Risikomanagement zu implementieren.
Der Lehrstuhl für Risiko-Management an der Fachhochschule Wiesbaden und der Management-Berater Risknet haben für die Benchmark-Studie "Solvency II: Status Quo und Erwartungen" im Auftrag des Business-Intelligence-Anbieters SAS mehr als 100 Versicherungsgesellschaften aus Deutschland, der Schweiz und Österreich befragt. Gespräche mit Risiko-Management-Experten ergänzen das Datenmaterial.