Blogger in China

Soziale Netzwerke führen nicht zu einer Revolution

17.10.2013
Millionenfach wird täglich in Chinas Sozialen Netzwerken gepostet, geteilt und diskutiert. Die Staatsführung liest mit, denn sie will lernen, was das Volk denkt. Bei zu viel staatlicher Zensur erfährt die Partei aber nichts, kritisiert der Blogger Michael Anti.

Trotz staatlicher Internetzensur diskutieren Millionen Chinesen auf Sozialen Netzwerken. Stolze 500 Millionen Nutzer verzeichnet der regionale Branchenprimus Sina-Weibo, die Mitglieder verschicken 100 Millionen Nachrichten am Tag. Mittlerweile lasse die Kommunistische Partei die Weibo nicht nur zensieren, sondern werte sie aus, sagt der bekannte chinesische Blogger Michael Anti der Nachrichtenagentur dpa. Doch er mahnt: "Wenn Bloggern das Reden verboten wird, erfährt die Regierung nichts."

Hilft die Auswertung der Sozialen Netzwerke der Regierung?

Ja, allerdings nur wenn die Regierung in Sozialen Netzwerken auch eine gewisse Freiheit zulässt. Es ist ein Widerspruch, wenn auf der einen Seite Einträge gelöscht werden und Blogger verfolgt werden, auf der anderen Seite aber die Regierung die wahren Gedanken der Bevölkerung wissen will. Wenn Meinungsführer im Netz für Berichte über Korruption von Funktionären im Gefängnis landen, funktioniert das System nicht. Das ist ein grundsätzlicher Widerspruch. Das Vorgehen gegen Blogger in der letzten Zeit ist wirklich verrückt und macht keinen Sinn. Wenn Bloggern das Reden verboten wird, erfährt die Regierung nichts.

Haben Soziale Netzwerke bereits die Arbeit der Regierung beeinflusst?

Auf jeden Fall. Seit Gründung der Weibo im Jahr 2009 haben sie sich zu einem mächtigen Werkzeug entwickelt. Sie ist zu einem einflussreichen Sprachrohr geworden. Auf Provinzebene sind immer wieder korrupte Funktionäre überführt worden. Das hatte einen großen Einfluss.

Können Soziale Netzwerke so einflussreich wie Proteste auf der Straße werden?

Auf keinen Fall. Der Protest im Netz ist ein sicherer Weg sowohl für die Regierung als auch für die Demonstranten. Worte sind nur Worte, aber Taten sind Taten. Proteste auf der Straße entfalten einen größeren Einfluss. Die Regierung ist sehr besorgt über Unruhen. Deshalb werden Leute bei Protesten so schnell verhaftet. Soziale Netzwerke in China sind kein revolutionäres Werkzeug. Sie lassen Chinesen Meinungsfreiheit ausprobieren.

Aber Meinungsfreiheit in China klingt schon nach einer Revolution, oder?

Meinungsfreiheit ist ein grundsätzliches Menschenrecht, das wir nicht haben. Gleichzeitig ist es auch keine wirkliche Gefahr für das Regime in China. Meinungsfreiheit und Soziale Netzwerke stoßen keine Revolution in China an. Ich sehe zumindest nichts, was darauf hindeutet. (dpa/rs)