"Wir haben Träume und Visionen und in der Hinterhand ’nen Masterplan", trällerten die Sportfreunde Stiller 2006 zur Fußball-WM. Damals hatte die Finanz Informatik vor allem Träume. Mittlerweile steht beim IT-Dienstleister für 429 Sparkassen, acht Landesbanken und zehn Landesbausparkassen auch der Masterplan für die Jahre 2011 bis 2013. Darin geht es um den Fortgang von OSPlus. Das Kürzel steht für "One System Plus" und zielt darauf ab, sämtlichen Kunden ein standardisiertes Kernbankensystem zu bieten.
Über Kernbankensysteme wickeln Geldinstitute ihre typischen Prozesse wie Sparen, Darlehen oder Girokontenverwaltung ab. Standardsoftware ist in diesem Bereich selten. Banken arbeiten oft noch mit in Cobol programmierten Systemen, AS-400-Anwendungen und Access- oder Excel-basierten Lösungen. Laut Martin Gutberlet vom Analystenhaus Gartner Deutschland sind viele Kernbankensysteme 30 oder 40 Jahre alt.
Die Finanz Informatik hatte ihr System OSPlus im Frühjahr 2008 auf der CeBIT präsentiert, da waren bereits 230 Sparkassen mit 125.000 Mitarbeitern auf die neue Kernbankenlösung migriert. Die Gesamtbanklösung ist derzeit bei 417 Sparkassen im Einsatz. Im Zuge der OSPlus-Migration wurden erst die Sparkassen in Westfalen-Lippe, Hessen, Baden-Württemberg, im Rheinland und in Rheinland-Pfalz sowie bis Ende 2008 die bayerischen Sparkassen und jetzt die Institute in Nord- und Ostdeutschland sowie im Saarland auf die IT-Lösung migriert. Läuft alles nach Plan, ist der Systemwechsel im Spätsommer 2011 durch. Dann arbeiten die deutschen Sparkassen flächendeckend mit einer einheitlichen Gesamtbanklösung.
Dabei hat es die Finanz Informatik sowohl mit der kleinen Sparkasse im ländlichen Raum zu tun als auch mit großen Häusern wie beispielsweise der Landesbank Berlin/Berliner Sparkasse, die über das Osterwochenende auf OSPlus migriert ist. Wie Fridolin Neumann sagt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Finanz Informatik, muss der Dienstleister demnach "einen geeigneten Mittelweg zwischen notwendiger Flexibilität auf der einen Seite und angestrebter Standardisierung auf der anderen Seite" finden.
Finanz Informatik - 200 Millionen Euro jährlich sparen |
Finanz Informatik mit Sitz in Frankfurt/Main ist aus Fusionen von elf ehemals eigenständigen Rechenzentren der Sparkassen hervorgegangen. Die Konsolidierung der IT-Dienstleister innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe begann in den 1990er-Jahren und mündete 2008 in die Fusion zur Finanz Informatik. Fridolin Neumann, Vorsitzender der Geschäftsführung, hält aufgrund dieser Fusion ab 2012 IT-Kostensenkungen von jährlich circa 200 Millionen Euro für die Kunden des Dienstleisters für realistisch. Nach seinen Zahlen realisierten die Sparkassen bereits im ersten Jahr der Fusion Kosteneinsparungen. Diese summieren sich für den Zeitraum 2008 bis 2010 auf gut 246 Millionen Euro. Durch die Konzentration auf die neue IT-Gesamtbanklösung OSPlus fällt der Parallelaufwand für Weiterentwicklung und Pflege weg, so Neumann weiter. One System Plus ist nach den Prinzipien der Service-orientierten Architektur (SOA) entwickelt. Offene, standardisierte Schnittstellen sollen die unternehmensübergreifende Gestaltung von Geschäftsprozessen ermöglichen. Der Einsatz wieder verwendbarer Komponenten soll außerdem die Time-to-Market-Spanne verkürzen. |
Die kleinen Sparkassen "nehmen die Anwendungspakete gern so, wie sie ausgeliefert werden", so die Erfahrung von Christoph Rutter, Bereichsleiter Vertrieb Sparkassen und Marketing bei der Finanz Informatik. Für andere Häuser müsse die Lösung stärker customisiert werden. Immer aber gelte: "Arbeitsabläufe ändern sich durch die Migration erheblich", sagt Rutter. Das Feedback der End-User fließe daher in die Entwicklung mit ein. Wie die einzelnen Sparkassen die Migration begleiten, entscheiden sie selbst. Manche veranstalten vor dem Start sogenannte Marktplätze und versammeln das ganze Team, andere arbeiten mit E-Learning-Modulen, die die Finanz Informatik bereitstellt.
Masterplan mit 350 Millionen Euro
Bereits vor einigen Jahren hat der Dienstleister angefangen, die Bebauung in drei Stufen zu strukturieren. Basis ist ein auf drei Jahre ausgelegter Masterplan, der die weitere Detailplanung vorgibt. Diese umfasst für die Jahre 2011 bis 2013 Bebauungspläne für insgesamt zehn Großprojekte. Die Finanz Informatik stellt ihren Kunden die Planungsergebnisse in der Broschüre "OSPlus-Mittelfristplanung 2011-2013" und in ihrem Kundenportal zum Download bereit. Vorstände und Führungskräfte der Sparkassen können so elektronisch darauf zugreifen. Der Masterplan für die Jahre 2011 bis 2013 umfasst ein Volumen von fast 350 Millionen Euro. Einige Schwerpunkte beziehen sich auf Banksteuerung und Risiko-Management, andere auf stationären und medialen Vertrieb.
Stichwort Vertrieb: Wie alle anderen Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister müssen die Sparkassen ihre Kunden über immer mehr Kanäle bedienen können. Online und Mobile Banking sind längst Pflicht. Der Versicherer Ergo Direkt zum Beispiel lässt seine Berater bereits skypen, um nachwachsende Verbrauchergenerationen zu erreichen. Banken entwickeln Apps, bieten auf ihrer Website Kontowechsel-Services an und erstellen Portale für Endverbraucher wie für Firmenkunden.
Der US-Marktforscher Forrester hat ein paar Zahlen zum Verhalten europäischer Bankkunden erhoben: 36 Prozent haben innerhalb eines jeden Monats im ersten Quartal 2010 Online-Banking genutzt. 2006 waren es erst 28 Prozent. Im Gegensatz dazu besuchten 38 Prozent eine Filiale - 2006 waren es noch 46 Prozent. Unverändert beliebt (75 Prozent) ist der Gang zum Geldautomaten. Forrester stellt an eine zeitgemäße Multi-Channel-Strategie folgende Ansprüche: SMS Text Alerts, Mobile Websites, Anwendungen für das Smartphone, Apps für das iPad, Instant Messaging, soziale Netzwerke, Microblogging, auf Kundengruppen zugeschnittene Websites und Lösungen für vernetzte TV-Geräte.
Wie die Finanz Informatik betont, soll das aber nicht zulasten der stationären Filiale gehen. Man wolle die verschiedenen Vertriebskanäle verzahnen, nicht einen gegen den anderen ausspielen. Üblicherweise heißt das: Die Endverbraucher sollen Alltägliches wie Überweisungen und Daueraufträge selbst ausführen, Geld abheben sollen sie am Automaten. Die Filiale ist für Anspruchsvolles da, Beratungen über komplexere Geldanlagen zum Beispiel. Denn da verlangten die Kunden nach wie vor das persönliche Gespräch mit dem Berater.