CIO: Warum schafft jemand ein Data Warehouse an, der zugleich sein IT-Budget halbieren muss?
Franz Baur: Die hohe Investition hat sich für uns gelohnt, weil wir unsere Lösung in die CRM-Landschaft integriert haben. 2000 wussten wir kaum etwas über unsere Kunden. Wenn Sie so wollen, sind wir früher mit einem Blindenstock herumgetappt, und jetzt hat man uns etwas zum Sehen gegeben.
Was sehen Sie denn jetzt?
Durch das Data Warehouse können wir Kundengruppen spezifizieren - zum Beispiel mit Blick auf eine Gruppe mit einem bestimmten Fonds im Portfolio, der nicht gut performed. Dieser Gruppe können wir jetzt gezielt einen ähnlichen Fonds bei einem anderen Emittenten empfehlen.
Das klingt nach einer ganz normalen Kundensegmentierung. Liefert Ihr Data Warehouse auch tiefere Erkenntnisse?
Wir können vor allem dynamisch segmentieren; das heißt, wir wissen: Wie viele Kunden werden Daytrader? Welche Kunden entwickeln sich zu Tradern? Was passiert mit Anlegern, wenn sie mit Derivaten zu handeln beginnen? Hat das Auswirkungen auf die Performance ihres Depots? Die Antworten auf diese Fragen sind für uns von so großem Nutzen - der ist mit Zahlen gar nicht zu fassen.
Haben Sie trotzdem den Return on Investment ausgerechnet?
Wir haben einen RoI berechnet, indem wir Personaleinsparungen nachgewiesen haben. Der wesentlich deutlichere Effekt liegt aber im Campaign Management. Pro Mailing haben wir früher mit Kosten von 2 bis 2,50 Euro gerechnet - mit Nachtelefonieren; jetzt sind wir bei nur noch 40 Cent.
Wie viele Menschen arbeiten bei Consors im Bereich Data Warehouse?
Für die technische Betreuung des Systems sind in Deutschland vier Leute zuständig. Dann gibt es noch einmal vier Mitarbeiter für spezielle Analysen. Ansonsten haben alle Fachbereiche Zugriff auf das Data Warehouse und auch auf die Tools. Die ganze Auswertung läuft sehr dezentral.
Welche Fachbereiche nutzen das Data Warehouse am stärksten?
Letztlich sind es am häufigsten die Kundendivisionen. Die brauchen immer wieder neue Auswertungen - erstens darüber, welche Produkte sie verkaufen können und zweitens, an wen. Und dann brauchen sie Feedback für ihr Produktdesign.
Werden Sie trotz der Fusion mit dem französischen Online-Broker Cortal bei Ihrer alten Data-Warehousing-Lösungen bleiben?
Wir werden wahrscheinlich für eine Übergangszeit zwei Systeme pflegen, weil beide unterschiedliche Fokusse hatten. In Frankreich hat man vor allem Campaign Management unterstützt; bei uns ist es eher Richtung Data Mining und komplexe Datenmodelle gegangen. Da muss man bei den Auswertungs-Tools sehr aufpassen.
Wie lange werden Sie brauchen, um beide Systeme zusammenzuführen?
Wir rechnen mit vier bis sechs Monaten, inklusive der Einführung des neuen Datenmodells. Wir haben das Projekt aber noch nicht gestartet. Aus Budgetgründen werden wir wahrscheinlich erst nächstes Jahr damit beginnen.
Wieso hat eine Bank, die erst vor wenigen Jahren entstanden ist, eigentlich eine so heterogene IT-Landschaft? Sie dürften doch gar keine Legacy-Systeme haben.
Halt, halt! Wir sind ein OnlineBroker, und das bedeutet, dass wir das klassische Legacy-System einer Bank haben. Zugleich hat Consors an der Kundenschnittstelle immer auf Schnelligkeit und Wachstum gesetzt, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Was Sie in solchen Fällen oft vorfinden, ist ein hohes Maß an Parallelität. Wenn Sie schnell wachsen, müssen Sie viel Redundanz in Kauf nehmen; sonst wären Sie viel zu langsam für diesen Markt.
Welchen Tipp würden Sie jemandem geben, der jetzt ein Data Warehouse einführt?
Data Warehousing macht erst dann richtig Spaß, wenn es ins Customer Relationship und ins Campaign Management integriert ist. Wenn Sie zeigen können, dass direkt ein Nutzen für den Kunden entsteht, dann müssen Sie auch nicht mehr um Geld streiten.