Die Nachfrage nach Projektleitern ist für Albert Lidl, Vorstandsvorsitzender der top itservices AG aus Unterhaching bei München, nach wie vor ein Dauerthema. Allerdings stellten die Kunden sehr hohe Ansprüche: "Je größer und internationaler das Projekt, desto mehr müssen die IT-Freelancer in diesem Job leisten können", beobachtet der Münchner Manager. Ganz oben auf der Wunschliste der Unternehmen stehe die Erfahrung der Kandidaten. Da der Markt für hochkarätige Projektleiter eng geworden sei, sei auch der Aufwand, die passenden Profis zu finden gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Laut Lidl stellen die Auftraggeber durchaus unterschiedliche Anforderungen. Bei Firmen wie Eon sei etwa SAP IS-U für Energieversorger ein heißes Thema, obwohl oder gerade weil die Software am Markt noch wenig verbreitet ist.
Andere Auftraggeber wiederum setzen auf Microsoft-Produkte. "Hier werden in erster Linie Erfahrungen mit .NET oder Sonderkomponenten wie WPF verlangt", sagt Lidl. Aber auch Externe, die über Kenntnisse in C++ verfügen, seien nach wie vor gefragt. Bei den Banken sind die Anforderungen laut Lidl stark branchenpezifisch. Auf jeden Fall gefragt seien Finanzwelt-Themen wie Single Euro Payments Area (SEPA) oder Basel III. Von den Programmierern werde technisches Know-how verlangt, von den Beratern fundiertes Wissen plus Branchenkenntnis: "Die Freiberufler von heute müssen zwei Voraussetzungen mitbringen - fachliche und soziale Kompetenz", mahnt der Personalvermittler. Selbständige, die nicht sozial kompetent genug seien, würden vom Auftraggeber aus dem Projekt herausgenommen. Lidl: "Diese Entscheidung wird in den letzten Monaten schneller als in den Monaten zuvor getroffen." Sein Fazit: Wenn ein IT-Freelancer neben fachlicher und sozialer noch über interkulturelle Kompetenz verfügt und Fremdsprachen kann, stehen ihm alle Türen offen.
Spezialisierung gibt den Ausschlag
Für Ansgar Nagel, der bei der Solcom Unternehmensberatung in der Geschäftsleitung für Vertrieb und Personal zuständig ist, steht fest, dass die Spezialisierung heute eine entscheidende Rolle spielt. Schließlich setzten die Kunden vorrangig dann Freelancer ein, wenn es sich um sehr spezielle Themen handle. "Die Auftraggeber fragen nicht nach dem normalen Java-Programmierer, sondern nach einem Experten, der sich mit einem speziellen Problem auskennt", sagt der Vertriebs- und Personal-Manager. Er fährt fort: "Die so genannten normalen Probleme lösen unsere Kunden, bei denen es sich vornehmlich um Großkonzerne in Deutschland mit Tausenden IT-Mitarbeitern handelt, letztlich doch selbst."
Die Spezialisten, die Solcom einsetzt, verfügten über das jeweils gefragte spezielle technische Know-how und zumeist auch über den Branchenfokus. Nagel räumt ein, dass es in einem so engen Markt hin und wieder schwierig ist, den Experten mit dem gefragten Wissen zum gewünschten Zeitpunkt vermitteln zu können.
Die Stimmung im Freiberuflermarkt beschreibt der Solcom-Manager als ausgesprochen gut. So sei die Nachfrage ungebrochen stark, die Neuabschlüsse lägen über den Erwartungen. Nagel gibt zu: "Die Personalvermittler sind sozusagen Profiteure des Fachkräftemangels und des zunehmend stärker reglementierten Arbeitsmarkts." Er ist überzeugt, dass in den kommenden Jahren neben den SAP-Projekten auch die hardwarenahen Themen weiter Konjunktur haben. Dies gelte sowohl für das Automobilumfeld als auch für die Maschinenbauer. Für diese Bereiche würden vorrangig Entwickler oder Ingenieure, die konzeptionell arbeiten, gesucht.
"Die Forschung und Entwicklung in diesen Sektoren findet hauptsächlich in Deutschland statt", erklärt Nagel. Hier biete sich für Freelancer ein überaus interessanter, wenn auch nicht allzu ertragsstarker Markt. Größere Bedeutung als zurzeit wird seiner Meinung nach auch der öffentlich-rechtliche Sektor gewinnen. Last, but not least profitieren Freiberufler auch von SAPs Strategie, verstärkt den Mittelstand anzugehen. Qualifizierte IT-Freelancer, die die Augen nach neuen Aufgaben und Themen offenhalten, könnten ohne Angst in die nahe Zukunft schauen.
Günter Hilger, Vorstand der Geco AG in Hamburg, sieht vor allem Spezialisten mit Sicherheits-Know-how, Projektleiter, Migrationsexperten (zum Beispiel für Windows 7), Softwareentwickler sowie Berater für Spezialgebiete im Vorteil. "Bestehende Projekte werden vielfach bis Ultimo verlängert, was zu einer weiteren Verknappung der IT-Experten führt", beobachtet der Hamburger. Die Folge: Die Freelancer könnten sich aus vielen Anfragen die für sie attraktivsten Projekte heraussuchen. Darüber hinaus haben die Freiberufler laut Hilger offenbar vom letzten Zusammenbruch des Projektmarkts gelernt und sich vertrieblich besser aufgestellt.
Projektlaufzeiten werden kürzer
Trotz aller Chancen rät Hilger, den Projektmarkt mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten: "Auf den ersten Blick drängt sich der Eindruck auf, dass die Bäume weiter in den Himmel wachsen." Würden aber Altprojekte auslaufen, könne es für die Freiberufler zunehmend schwieriger werden, Folgeprojekte zu akquirieren. So seien in den letzten beiden Quartalen die Projektlaufzeiten neu abgeschlossener Projekte gesunken. "Dieser Parameter ist, neben anderen, in der Regel ein Vorbote für wirtschaftlich unsichere Zeiten und einen tendenziell rückläufigen Projektmarkt", meint der Geco-Vorstand.
Er ist aber sicher, dass Freiberufler ihre Chancen realistisch einschätzen. Sei der Projektmarkt rückläufig, würden Experten für schwierige Innovationsprojekte weniger nachgefragt. Schließlich könnten die Unternehmen diese leichter verschieben, ohne Wettbewerbsnachteile hinnehmen zu müssen. "Konjunktur dürften aber Freelancer für Infrastrukturprojekte haben."
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Über die IT-Freiberufler-Studie 2011
341 Entscheider aus IT-Abteilungen in Unternehmen mit bundesweit mehr als 500 Mitarbeitern wurden von IDG Business Research Services zu Themen rund um das Thema IT-Freelancer befragt.
Sie beantworteten unter anderem Fragen nach den Rekrutierungswegen, der Zufriedenheit in puncto Zusammenarbeit mit den Externen und deren Vermittlern. Auf dem Prüfstand standen auch IT-Projekte, bei denen IT-Freelancer eingesetzt werden.
Unsere Schwestermedienmarke Computerwoche stellt die wichtigsten Ergebnisse ab Ausgabe 44 vor. Zunächst äußern sich Personaldienstleister in einem Zweiteiler zu Trends im Freiberuflermarkt.
Folgende Unternehmen haben die "IT-Freiberufler-Studie 2011" unterstützt: Gulp Information Services GmbH, Solcom Unternehmensberatung GmbH, Reutax AG, top itservices AG, Hays AG, Geco AG.
(Quelle: Computerwoche)