Die Dee GmbH hat sich sportliche Ziele gesetzt: "Wir möchten DEE zum Marktführer für individuelle Textilien entwickeln", sagt Geschäftsführer Thomas Bräutigam. 2012 als Hersteller von individuellen Shirts für Firmenläufe gestartet, umfasst das Produktportfolio heute weit mehr als nur Sportbekleidung. Inzwischen ist das Unternehmen einer der größten Player im Bereich Corporate Sportswear, Corporate Fashion und Workwear. Über 5.000 Unternehmen gehören zum Kundenstamm des Start-ups, darunter Namen wie Porsche, Bosch, Audi und Siemens.
Im Zuge des Wachstums stellte sich für die Verantwortlichen die Frage nach einer passenden ERP-Software, die mit der Expansion Schritt halten kann. "SAP ist natürlich der Goldstandard in Sachen ERP", konstatiert Bräutigam rückblickend. "Trotzdem haben wir zunächst nicht an SAP gedacht." Es war SAP-Partner Innovabee, der die Cloud-Version von SAP S/4HANA ins Spiel brachte.
Aus Sicht der Dee-Verantwortlichen sprachen verschiedene Gründe für die SAP-Option. Als Cloud-Lösung sei S/4HANA mit einem vertretbaren Aufwand einzuführen, so die Erwartungshaltung des Anwenderunternehmens. Um den Betrieb müsse sich DEE gar nicht kümmern, da die Lösung im Rechenzentrum der SAP betrieben und alle drei Monate automatisch aktualisiert wird. "Wir wollen keinen großen IT-Overhead aufbauen und uns lieber auf unser Kerngeschäft und Wachstum konzentrieren", bekräftigt Geschäftsführer Bräutigam. Cloud-Lösungen sind deshalb für ihn eine pragmatische Lösung. Auch andere von DEE genutzte Services kommen bereits aus der Cloud oder sollen künftig aus der Cloud bezogen werden.
In funktionaler Hinsicht brachte SAP S/4HANA Cloud alles mit, was DEE eigenen Angaben zufolge brauchte. Allerdings war Sportbekleidungshersteller auch zu Zugeständnissen bereit und konnte so von den Best Practices profitieren, auf denen die Lösung basiert. "Wer sich für SAP S/4HANA Cloud entscheidet, sollte möglichst nah am Standard bleiben und nicht auf seinen individuellen Prozessen bestehen", erklärt Saskia Fontanive, Projektleiterin bei Innovabee.
"Fit-to-Standard" heiße die Devise: Das Anwenderunternehmen nähert sich dabei an den Standard der Cloud-Lösung an - und nicht umgekehrt. "Wer für seine Standardprozesse damit gut leben kann, für den ist ERP aus der Cloud eine gute Lösung." Zumal die Standards, auf denen SAP S/4HANA Cloud basiert, allesamt ausgereift seien und die unternehmenseigenen Prozesse oft sogar noch optimierten.
Passt SAP S/4HANA Cloud zu den Anforderungen von DEE?
Damit es keine bösen Überraschungen gibt, wird vorab im Detail geprüft, ob der SAP-Standard zu den Anforderungen eines Unternehmens passt. Innovabee hat dafür im Projekt mit DEE sogenannte Fit-to-Standard-Workshops aufgesetzt. In den Workshops wurden mithilfe des "SAP Best Practice Explorers" alle Prozesse, die DEE als wichtig definiert hatte, im Startersystem durchgespielt. Für den Abgleich stellt die SAP Prozessdiagramme und Testskripts zur Verfügung.
Die Workshops helfen also dabei, den genauen Projektumfang zu ermitteln und festzustellen, ob Erweiterungen zum Standard notwendig sind, die dann mithilfe der SAP Cloud Platform umgesetzt werden können. Sie dienen außerdem dazu, die benötigten Konfigurationswerte und die Organisationsstruktur mit dem Kunden abzustimmen. Genau diese Informationen benötigt SAP nämlich, um das Testsystem konfigurieren zu können. SAP setzt diese Informationen im Rahmen einer sogenannten "Expert Configuration" um und stellt anschließend dem Kunden das individualisierte Testsystem bereit.
Konfiguration im Schnelldurchlauf
Die restlichen Konfigurationen konnte DEE dann gemeinsam mit seinem SAP-Partner Innovabee selbst umsetzen. SAP hat hierfür den Begriff "Self-Service Configuration" geprägt. Für die Konfiguration stellt SAP die App "Manage Your Solution" zur Verfügung. Über eine Web-Oberfläche lassen sich die betreffenden Prozesse auswählen und anpassen. Schritt für Schritt kann der Kunde die Funktionalitäten, die vom vordefinierten Standard abweichen, anpassen.
Im Fall von DEE waren das nur sehr wenige Prozesse, weil sich das Unternehmen entschieden hat, nah am SAP-Standard zu bleiben. Die vorgenommenen Konfigurationen hat Innovabee im wöchentlichen Rhythmus seinem Kunden DEE präsentiert. Über ein Change Project wurden sie dann - ebenfalls wöchentlich - vom Testsystem in das Produktivsystem transportiert, sodass es keine Konflikte mit den vierteljährlichen Upgrades von SAP S/4HANA Cloud gab.
SAP S/4HANA Cloud lässt sich nur agil einführen
Diese Punkte unterscheiden ein SAP S/4HANA Cloud-Projekt von einer klassischen On-Premise-Einführung und machen ein ausgeklügeltes Projektmanagement nötig. "SAP S/4HANA Cloud lässt sich nur agil einführen. Alles andere macht keinen Sinn", erklärt Innovabee-Projektleiterin Fontanive. Bei der agilen Einführung laufen mehrere Projektphasen parallel ab. Im Fokus stehen dabei sogenannte Sprints, also kurze Bearbeitungszyklen, in denen jeweils eine Aufgabe bearbeitet, getestet und abgeschlossen wird. Mit jedem Sprint nähert man sich den Anforderungen des Kunden ein Stück näher an. Das hat den Vorteil, dass der Kunde die in SAP S/4HANA Cloud enthaltenen Prozesse schnell testen und so beurteilen kann, ob sie zu den eigenen Geschäftsprozessen passen.
Neben der Methodik muss auch das Projektmanagement und die Kommunikation stimmen. "Wir haben jeden Projektschritt akribisch dokumentiert und ein Projektportal für die Kommunikation aufgesetzt", berichtet Fontanive. "Bei einem Projekt mit so kurzer Laufzeit müssen alle an einem Strang ziehen und dafür natürlich auch wissen, wo wir gerade stehen." Hilfreich für eine schnelle Einführung war auch, dass das Projekt bei DEE einen hohen Stellenwert genoss und Geschäftsführer Bräutigam selbst an den Steuerungsmeetings teilnahm. "Offene Punkte und Eskalationen konnten wir so schnell und unbürokratisch klären", erinnert sich die Managerin.
Datenmigration auf Basis vordefinierter Templates
Auf die Konfiguration folgte bei DEE schließlich die Datenmigration. Bei SAP S/4HANA Cloud läuft diese auf Basis vordefinierter Templates ab. Dabei lassen sich nicht nur Stamm-, sondern auch Bewegungsdaten migrieren - zum Beispiel offene Kundenaufträge oder Bestellungen. Auch bei der Datenmigration ging Innovabee agil vor. In einem ersten Sprint wurden zunächst alle Daten ins Q-System migriert und anschließend von DEE freigegeben. In einer zweiten Sprint-Phase folgte dann die Migration ins Produktivsystem und eine erneute Freigabe durch den Anwender.
Mit der Freigabe fiel der Startschuss für die eigentliche Systemumstellung. Nach dem Freeze des Altsystems erfolgte die Migration der offenen Vorgänge und finalen Bestände, die zuvor im Rahmen einer Inventur erfasst worden waren. Zum Schluss wurden die ersten Vorgänge im Produktivsystem erfasst. Daran waren alle Key User von DEE und das Projektteam von Innovabee beteiligt. Gemeinsam haben sie die zentralen End-to-End-Prozesse - zum Beispiel den Prozess von der Auftragserfassung über die Schnittstelle zum Lager bis hin zur Rechnungsstellung - intensiv getestet. Danach stand der Freigabe für die produktive Nutzung nichts mehr im Wege.
Fragen und Stimmen zur Migration
Was unterscheidet ein SAP S/4HANA Cloud-Projekt von einem klassischen SAP S/4HANA-Projekt?
Saskia Fontanive, Projektleiterin bei Innovabee: Während ich bei On-Premise-Projekten sehr viel individuell bestimmen kann - die Prozesse, die Einführungsmethodik, das Customizing - ist bei SAP S/4HANA Cloud vieles vorgegeben. Aber das ist durchaus beabsichtigt. SAP S/4HANA Cloud ist für Unternehmen konzipiert, die nah am Standard bleiben wollen. Das hat viele Vorteile, weil es den Aufwand für die Einführung und den laufenden Betrieb reduziert. Aber es schränkt die eigene Flexibilität auch ein Stück weit ein. Wenn ich als Unternehmen sehr spezifische Anforderungen habe, die ich unter keinen Umständen ändern oder anpassen möchte - sei es aufgrund etablierter Prozesse oder aufgrund von Branchenanforderungen - dann ist SAP S/4HANA Cloud eher keine Option. Wenn ich aber gut mit den in SAP S/4HANA Cloud enthaltenen Best-Practice-Prozessen leben kann, ist SAP S/4HANA eine sehr gute Wahl.
Lässt sich die Lösung überhaupt nicht anpassen?
Saskia Fontanive: Doch. Auch SAP S/4HANA Cloud kann man natürlich konfigurieren. Unternehmensindividuelle Faktoren wie die Organisationsstruktur oder der Kontenplan werden einmal zu Beginn im Rahmen einer sogenannten "Expert Configuration" von der SAP umgesetzt. Andere individuelle Einstellungen, beispielsweise zu Warengruppen oder Preisfindung, kann der Kunde im Rahmen einer "Self-Service Configuration" selbst anpassen. Anders als bei On-Premise-Lösungen kann ich aber nicht auf den Quellcode der Software zugreifen und dort Änderungen vornehmen, um ganz spezifische Kundenanforderungen umzusetzen.
Maria Müller, Managerin IT bei DEE: Als SAP S/4HANA Cloud-Anwender habe ich auch die Möglichkeit, spezifischere Anforderungen als Erweiterung auf Basis der SAP Cloud Platform umzusetzen und über diese dann auch in SAP S/4HANA Cloud zu integrieren. Auch in unserem Projekt haben wir die SAP Cloud Platform für Integrationsszenarien, zum Beispiel für die Anbindung von Salesforce CRM oder EDI-Funktionen, genutzt.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem SAP S/4HANA Cloud-Projekt mit?
Saskia Fontanive: Wer sich für eine Cloud-Lösung entscheidet, sollte dies bewusst tun und im Vorfeld prüfen, ob er mit dem Ansatz "Fit-to-Standard" gut leben kann. Auch funktionell unterscheidet sich SAP S/4HANA On-Premise in einigen Punkten von SAP S/4HANA Cloud. Deshalb sollte man vorab im Detail prüfen, ob die Lösung alle Prozesse abdeckt, die man braucht oder ob sie auf der Roadmap für künftige Releases stehen.
Außerdem sollte man sich klarmachen, dass ein Cloud-Projekt mit der Einführung nicht abgeschlossen ist. SAP S/4HANA Cloud wird von der SAP vierteljährlich aktualisiert und der Anwender profitiert damit regelmäßig von Innovationen. Mit jedem Upgrade kommen neue oder verbesserte Funktionen hinzu. Prinzipiell habe ich als Anwender wenig Aufwand mit den Updates. Aber das System ändert sich eben auch und bleibt nicht wie eine On-Premise-Software über mehrere Monate und Jahre auf dem gleichen funktionalen Level. Wenn es Neuerungen in einem Prozess gibt, den ich als Anwenderunternehmen bereits nutze, kann ich über ein automatisiertes Tool die Kernprozesse testen. Zwei Wochen später wird die Funktion dann automatisch ins Produktivsystem übernommen.
Hat sich die Einführung von SAP S/HANA Cloud für Sie gelohnt?
Maria Müller: Auf jeden Fall. Wir konnten nach vier Monaten Einführung vom ersten Tag an produktiv mit der Lösung arbeiten. Auch die Kollegen, die nicht zum Projektteam gehörten, kamen nach kurzer Zeit gut damit zurecht, weil sie sehr einfach in der Bedienung ist. Und im Vergleich zu vorher haben sich viele Abläufe verbessert. Unsere Liefertreue hat sich seit Einführung fast versechsfacht, der Auftragseingang ist um 20 Prozent gestiegen. In der Zusammenarbeit mit Lohnbearbeitern haben wir heute deutlich mehr Transparenz als vorher.
Aus Unternehmenssicht lohnt sich die neue Lösung, weil neue Anwender innerhalb weniger Tage damit arbeiten können - ohne wochenlange Schulungen. SAP ist da sehr benutzerfreundlich unterwegs. Lohnenswert für das Projektteam und eine schöne Bestätigung für vier Monate intensive Projektarbeit war auch der SAP Quality Award in Gold, den uns die SAP für das Projekt verliehen hat.