Apple bezeichnet die Apple Watch als das persönlichste Stück Technik, das man jemals für die zahlreichen, anspruchsvollen Apple-User geschaffen habe. Dies mag auch durchaus stimmen, denn immerhin trägt man die Apple Watch nicht nur am Arm, sondern lässt sich von ihr auch ständig an die eigenen Bewegungssünden erinnern. Die Idee ist grundsätzlich ja auch gut und ehrenhaft, den Träger einer elektronischen Smartwatch zu mehr Bewegung zu animieren. Doch ob die Apple Watch den Job als Fitnesscouch professioneller als etablierte Sportuhren erledigt, muss sie in einem sportlichen Wettkampf erst noch beweisen.
Zu diesem Zweck haben wir die Apple Watch gegen die beiden Sportuhren Garmin fenix 3 und Polar V800in den sommerlichen Sportdisziplinen Radfahren, Laufen und Schwimmen sowie der Indoor-Sportart Crosstraining antreten lassen. Was nach dem Auspacken der beiden Sportuhren sofort auffällt: Sie sind wesentlich klobiger und schwerer als die Apple Watch. Das darf aber auch nicht verwundern, sind doch in beiden Sportuhren unter anderem eigenständige GPS-Empfänger verbaut. Eine Routenaufzeichnung ist damit auch ohne Smartphone möglich. Trotz des größeren Gesamtumfangs und Gewichts sind beide Sportuhren durchaus für den Büroalltag geeignet, auch wenn man den Knopf am Hemdsärmel etwas weiter öffnen muss. In dieser Beziehung wirkt die Apple Watch am Arm wesentlich dezenter und eleganter.
Ein herausragendes Merkmal der beiden Sportuhren sind die jeweiligen Trainingsplattformen. Bei Garmin heißt sie Garmin Connect und ermöglicht die Synchronisation von Aktivitäten, Trainingsplänen und persönlichen Fortschritten. Darüber hinaus kann man mit der Software auch angepasste Apps, Widgets, Datenfelder und Uhrenoberflächen nachladen. Polar nennt seine Trainingsplattform Polar Flow, die ebenfalls die Synchronisation und Anzeige von Trainingsdaten einschließlich Planung und Analyse des Trainings ermöglicht. Was an beiden Trainingsplattformen gefällt: Es sind webbasierte Anwendungen, auf die man zu jeder Zeit und an jedem Ort zugreifen kann. Bei der Apple Watch ist man derzeit ausschließlich an das jeweils gekoppelte iPhone mit den dort installierten Apps Health und Aktivität gebunden.
Brustgurt contra Handgelenk
Die kontinuierliche Messung und Kontrolle der Herzfrequenz ist eine der wirkungsvollsten Methoden, sich bei sportlichen Aktivitäten vor Überlastung und Überanstrengung zu schützen. Anhand dieser Informationen sowie weiterer gesammelter Bewegungsdaten schätzen moderne Sportuhren nicht nur, wie viele Kalorien man verbrannt hat, sondern geben sogar Einschätzungen über den gesundheitlichen Zustand und den aktuellen Leistungsstand des Sportlers ab. Um die Herzfrequenz zu messen, benötigen Sportuhren einen Sensor, der die Herzfrequenz an bestimmten Stellen des Körpers, in der Regel am Herz oder am Handgelenk, misst.
Apple hat sich bei der Apple Watch für die Messung der Herzfrequenz am Handgelenk entschieden und nutzt hierbei eine Technologie, die man als Photoplethysmographie bezeichnet. Hierbei erfasst die Apple Watch mithilfe grüner LEDs und lichtempfindlicher Fotodioden die Menge Blut, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch das Handgelenk fließt. Wenn das Herz schlägt, steigt der Blutfluss im Handgelenk an. Zwischen den Herzschlägen ist der Blutfluss schwächer. Da Blut grünes Licht absorbiert, rotes Licht jedoch reflektiert, kann der blinkende Sensor daraus berechnen, wie oft das Herz in einem bestimmten Zeitraum schlägt. Daraus ergibt sich die Herzfrequenz.
Damit die Herzfrequenz am Handgelenk zuverlässig gemessen wird, darf die Apple Watch nicht zu locker, aber auch nicht zu eng am Arm sitzen. Präzise Messergebnisse werden unter anderem durch starke Behaarung, Tattoos, Schweiß oder der eingeschränkten Durchblutung am Handgelenk verfälscht oder verhindert. Dennoch hat die Messung der Herzfrequenz am Handgelenk gegenüber einem Brustgurt auch einige Vorteile. Sie ist für alle diejenigen Sportler eine hervorragende Alternative, die sich durch das Anlegen und Tragen eines Brustgurts in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen.
Und wenn ein Brustgurt zu eng sitzt, kann er drücken, die Atmung behindern oder bei längeren Sportaktivitäten unangenehm auf der Haut scheuern. Sitzt der Brustgurt hingegen zu locker, kann er verrutschen und gegebenenfalls keine präzisen Messergebnisse liefern. Darüber hinaus muss man einen Brustgurt regelmäßig reinigen und desinfizieren, um das Risiko von Hautinfektionen auszuschalten.
Leistungs- und Profisportler schwören hingegen auf die Herzfrequenzmessung mit einem Brustgurt. Nahezu alle namhaften Sportuhren-Hersteller verwenden diese Methode, die annähernd die gleichen Messwerte wie beim medizinischen EKG liefert. Gute Sensoren können sogar die Herzfrequenzvariabilität ermitteln, bei der man die Zeitabstände zwischen den Herzschlägen analysiert. Daraus kann man wiederum Empfehlungen für die Durchführung und Intensität des Trainings ableiten. Weitere Vorteile eines Brustgurts: Die Sensoreinheit verfügt über eine eigene Batterie, die recht lange hält und meistens auch wasserdicht verschlossen ist. Damit könnte man einen Brustgurt sogar mit ins Wasser nehmen, was aber wenig sinnvoll ist, da das Wasser die Übertragung der Messwerte vom Brustgurt an die Sportuhr im Allgemeinen behindert.
Erste Disziplin: Radfahren
Acht Uhr am Sonntagmorgen. Der Wecker klingelt unbarmherzig und erinnert an die geplante Radtour im Frankfurter Norden. So geht es nach einem ergiebigen Frühstück mit drei Uhren, zwei Brustgurten und einem iPhone bei einer Außentemperatur von rund 35° Celsius auf das erste Teilstück Richtung Bad Vilbel. Die etwas verwunderten Blicke entgegenkommender Radfahrer auf die Uhrenvielfalt am Arm werden geflissentlich ignoriert, schließlich heiligt der Zweck die Mittel. Bis zum ersten Zwischenstopp in Bad Vilbel treten nun zunächst die Apple Watch und die Garmin fenix 3 gegeneinander an.
Erster Eindruck: Die Streckendistanz mit rund 7 Kilometern und die Gesamtzeit von rund 35 Minuten sind bei beiden Uhren nahezu identisch. Auch die durchschnittliche Herzfrequenz mit 107 bpm bei der Apple Watch und 104 bpm bei der Garmin Sportuhr liegen nicht weit auseinander. Jedoch schreibt das iPhone nicht die einzelnen Spitzenwerte der Herzfrequenz in die Aktivitäten App. Diese findet man alternativ etwas verschachtelt in der Health App, allerdings wenig komfortabel als nackte Auflistung von einzelnen Datenpunkten.
Weiterer Schwachpunkt: Die Apple Watch registriert keine Stopps in Form von Verkehrsampeln oder Trinkpausen. Das führt auf der Teilstrecke immerhin zu einer Abweichung beim Durchschnittstempo von rund 0,6 km/h gegenüber der Garmin Sportuhr. Diese hält die Kilometerzählung und Zeitmessung an und errechnet die Zeit in Bewegung mit rund 25 Minuten korrekt. Nach dem ersten Zwischenstopp tritt dann die Polar V800 gegen die Apple Watch in den sportlichen Vergleich. Auch hier die grundsätzlich gleichen Beobachtungen. Gesamtzeit, Gesamtstrecke und durchschnittliche Herzfrequenz liegen nahe beieinander.
Die Spitzenwerte der Herzfrequenz und die Pausen werden lediglich bei der Polar Sportuhr protokolliert. Diese kann damit das Durchschnittstempo und die Zeit in Bewegung richtig errechnen. Der daraus resultierende Messwert für die verbrannten Kalorien scheint ebenfalls plausibel zu sein. Die Apple Watch weist hier auf Grund des geringeren Durchschnittstempos einen niedrigeren Wert aus. Was der Apple Watch noch fehlt: Bei beiden Sportuhren kann man die absolvierte Radstrecke inklusive ausführlicher Messwerte auf den jeweiligen Trainingsplattformen nachvollziehen.
Königsdisziplin Laufen
Montagabend. 17:00 Uhr. Die härteste Prüfung steht an, zumindest für den Tester bei fast 38° Celsius in Frankfurt. Eine kurze Runde Laufen um den Frankfurter Berg mit dem iPhone in der Hosentasche, der Apple Watch am einen und der Polar V800 am anderen Arm. Hier fällt die unbequeme und schwere Kombination aus Apple Watch und iPhone zur Aufzeichnung der Streckendaten bereits beim Antritt gnadenlos durch. Gerade beim Laufen spielen Sportuhren mit eingebautem GPS-Empfänger ihre Stärken hinsichtlich des Tragekomforts voll aus. In sportlicher Hinsicht geben sich allerdings die Apple Watch und die Polar Sportuhr nicht viel. Die Messwerte sind nahezu identisch. Wie auch beim Radfahren weist die Apple Watch keine Spitzenwerte bei der Herzfrequenz aus, die für ambitionierte Läufer wichtige Indikatoren sind.
Schwimmen zur Abkühlung
Nach der schweißtreibenden Runde Laufen bei sommerlichen Höchsttemperaturen kann der verdiente Lohn nur eine nasse Abkühlung im Schwimmbad sein. Hier bleibt die Apple Watch außen vor, denn mangels Wasserdichtigkeit darf man sie nicht mit ins kühle Nass nehmen. Apple empfiehlt sogar, die Uhr beim Duschen oder Abspülen abzulegen. Andere Sportuhren, wie auch die beiden Sportuhren von Garmin und Polar, sind beim Schwimmen bis zu einer bestimmten Wassertiefe oder einem maximalen Druck weniger empfindlich. Exemplarisch wird der Schwimmtest nur mit der Garmin Sportuhr durchgeführt.
Anhand der Bewegungen ermittelt der Beschleunigungssensor unter anderem Schwimmstil, Gesamtstrecke, Runden, Intervalldistanz, Kalorienverbrauch, diverse Pace-Werte, Anzahl der Schwimmzüge pro Bahn oder einen Effizienzwert. Damit die Sportuhr diese Werte richtig ermittelt, muss man vorher die Schwimmbadlänge eingeben. Allzu klein darf das Schwimmbad jedoch nicht sein, weil ansonsten keine einwandfreien Daten ermittelt werden.
Auf zum Crosstrainer
Zu guter Letzt steht eine Runde Indoor-Crosstraining an, wobei die Apple Watch diesmal gegen die Polar Sportuhr in den Ring steigt. Die Workout App der Apple Watch verfügt über eine eigene Crosstrainer-Funktion, mit der man wahlweise nach Zeit, nach verbrauchten Kalorien oder ohne Vorgabe trainieren kann. Nach rund zwölf Minuten auf dem Crosstrainer wird die erste Zwischenbilanz gezogen. Gesamtzeit und durchschnittliche Herzfrequenz sind identisch, lediglich die errechneten Werte der verbrauchten Kalorien weichen voneinander ab. Weitere Fitnessdetails sind der Apple Watch bzw. der Workout App nicht zu entlocken.
Die Trainingsplattform der Polar Sportuhr ist hingegen aussagekräftiger. Hier kann man graphisch die Entwicklung der Spitzenwerte der Herzfrequenz verfolgen, zudem ordnet das Programm die einzelnen Werte fünf definierten Herzfrequenz-Zonen zu. Die Health App auf dem iPhone zeigt zwar auch eine graphische Übersicht der Herzfrequenz für einen wählbaren Zeitraum an, allerdings nur wenig aussagekräftig als historisierten Balken mit Minimum-/Maximum-Wert pro Tag.
Sportliche Bewertung
In der Tat sind dedizierte Sportuhren, insbesondere die Premiumprodukte einzelner Hersteller wie die Garmin fenix 3 oder die Polar V800, derzeit die besseren Sportuhren für Profisportler, ambitionierte Sportler oder eben Freizeitsportler. Sie sind alle für ein breites Sportspektrum geeignet, egal ob Jogger, Radfahrer, Schwimmer, Skifahrer oder Indoor-Sportler. Neben den üblichen Messwerten wie Zeit, Distanz oder Geschwindigkeit ermitteln sie nahezu perfekte Herzfrequenzwerte, aus denen man die sportliche Leistungsfähigkeit einschließlich Trainingsplan ableiten kann. Ein großer Vorteil dieser Sportuhren sind zudem die integrierten GPS-Empfänger, die im Vergleich zur Apple Watch das Mitführen eines Smartphones für die Streckenaufzeichnung nicht erfordern.
Die Sportuhren synchronisiert man nach dem Einsatz mit der jeweiligen Trainingsplattform des Herstellers, um nicht nur einen visuellen Eindruck von der absolvierten Trainingsstrecke zu erhalten, sondern um zusätzlich auch auf zahlreiche Messwerte zugreifen zu können. Und es geht noch bequemer. Die Garmin Sportuhr hat sogar eine WLAN-Antenne an Bord, mit der man Workout- und Fitnessdaten direkt von der Uhr via WLAN kabellos ins Internet senden und mit der Garmin Trainingsplattform synchronisieren kann.
Generell fällt auf, dass die angesprochenen Zielgruppen der beiden Sportuhren langsam verschwimmen. Denn auch im Berufsalltag machen die beiden Sportuhren einen schicken Eindruck, wenn sie auch im Gegensatz zur Apple Watch wesentlich wuchtiger am Arm erscheinen. Und dass die Evolution auf dem Gebiet der Sportuhren nicht stehen bleibt, zeigen zudem die ersten zarten Smartwatch-Qualitäten in Form von E-Mail-Einbindung.
Die Apple Watch kommt hingegen aus der Sparte der klassischen Smartwatches und muss erst noch die Evolution hin zur perfekten Sportuhr vollziehen. Im jetzigen Stadium und mit der ersten Betriebssystemversion fehlen noch einige elementare Hardware- und Software-Funktionen. Immerhin ist es sehr nervig und störend, bei ausgedehnten Rad- oder Lauftouren immer das iPhone für die Routenmessung in der Hosentasche haben zu müssen. Hier fehlt ein integrierter GPS-Empfänger. Positiv überrascht hat uns hingegen die überaus präzise Messung der Herzfrequenz am Handgelenk.
In Sachen easy-to-use muss Apple jedoch noch Hausaufgaben machen und sowohl die Aktivitäten App als auch die Health App verbessern. Beide Apps sind unübersichtlich, zudem werden zahlreiche Messwerte wie zum Beispiel die Herzfrequenz nicht mit Spitzenwerten im Zeitablauf historisiert und grafisch aufbereitet. Auf dem Weg zur perfekten Sportuhr fehlt dann auch eine Apple-eigene Trainingsplattform, die bei anderen Herstellern wie Garmin oder Polar völlig selbstverständlich sind.
Empfehlung
An dieser Stelle muss man nun spätestens eine Lanze für die Apple Watch brechen. Sie kann sehr wohl alle Bewegungsmuffel zu einer gesünderen Ernährung und einer sportlicheren Lebenseinstellung motivieren. Gerade weil sie noch nicht so perfekt als Sportuhr ausgestattet ist, verhilft sie allen Sportwilligen mit einfachen Funktionen und Anzeigen zu mehr Fitness. Insofern ist die Apple Watch eine gute Wahl, wenn man seine sportliche Passivität angenehm überwinden möchte.
Eine dedizierte Sportuhr wie von Garmin oder Polar werden stattdessen alle die Sportler bevorzugen, die mit anspruchsvolleren Auswertungen und Trainingsplänen ihr tägliches Sportpensum bewältigen wollen. Apple muss hier mit der Apple Watch noch ein ganzes Stück zulegen, um die Domäne etablierter Sportuhren-Hersteller ernsthaft zu gefährden.