Knapp 17 Milliarden Euro gibt die Öffentliche Hand in Deutschland für Entwicklung und Betrieb der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ihrer Ministerien, Behörden und Verwaltungen aus. Das hat die Boston Consulting Group (BCG) in einer neuen Analyse berechnet. Dies entspricht über 20 Prozent der Gesamtausgaben für IKT in Deutschland. Knapp sieben Milliarden entfallen dabei auf die Kommunen, rund zehn Milliarden auf die Bundes- und Länderebenen. 70 Prozent davon wiederum werden für den laufenden IT-Betrieb ausgegeben, der Rest fließt in Projekte.
Mit den wachsenden Anforderungen an die Modernisierung der Verwaltung – Stichwort E-Government – steigt der Druck in beide Richtungen: die Qualität der Leistungen weiter zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten für die technische Infrastruktur in Informations- und Kommunikationstechnik so gering wie möglich zu halten.
Geht das?, fragt die Unternehmensberatung in ihrer Studie. Skepsis sei angebracht, so die Antwort. "Die jüngsten Erfahrungen mit großen technischen Infrastrukturprojekten, von ELENA, dem inzwischen beerdigten elektronischen Entgeltnachweis-Verfahren, bis zur Haustechnik des BER, dem auf unbestimmte Zeit verschobenen Hauptstadtflughafen, mahnten zur Vorsicht.
Australien zum Vorbild nehmen
"Nur eine sorgfältige Planung sowie die Nutzung vielfach 2013 erprobter Methoden sichern den Projekterfolg", schreiben die Berater. Sie raten den Verantwortlichen in Deutschland ausdrücklich, sich andere OECD-Länder, insbesondere Australien, zum Vorbild zu nehmen.
Übertrüge man die australischen Erfahrungen auf Deutschland, so könnten innerhalb von zwei bis drei Jahren insgesamt IKT-Kosteneinsparungen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich erzielt werden, ohne die Service-Leistungen reduzieren zu müssen. Zu diesem Ergebnis kommt die Analyse der Boston Consulting Group auf der Basis von Vergleichswerten aus einer Reihe von Projekten zu IT-Kostensenkungen für Auftraggeber aus Verwaltung und Industrie.
Weitere 800 Millionen Euro jährlich könnten demnach zusätzlich eingespart werden, wenn über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren in eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Anwendungslandschaft investiert würde, schreiben die Berater.
Einsparpotenzial von 1,3 Milliarden Euro
Dieses Einsparpotenzial von insgesamt 1,3 Milliarden Euro jährlich (rund 20 Prozent der relevanten Gesamtkosten) bezieht sich laut BCG nur auf IKT-Ausgaben des laufenden Betriebs. Zukunftsinvestitionen – etwa in Infrastruktur und E-Government-Dienste – würden dadurch nicht beeinträchtigt.
Für das Jahr 2012 geht die Studie von einem Kostenaufwand von insgesamt 9,6 Milliarden Euro aus (Bund und Länder, ohne Kommunen). Der Löwenanteil von 6,7 Milliarden entfällt dabei auf die Ausgaben für den laufenden IT-Betrieb. Bei den verwendeten Zahlen handelt es sich laut BCG um Werte, die aus offen zugänglichen Quellen ermittelt und validiert wurden.
Eine offizielle Zahl für die IKT-Ausgaben des Deutschen Staates gibt es nämlich nicht. Zitat: "Es darf angenommen werden, dass die tatsächlichen IKT-Kosten der Öffentlichen Hand – ähnlich wie auch in der Privatwirtschaft – die ausgewiesenen Kosten deutlich übersteigen".
Wo aber kann gespart werden? Die wesentlichen Kostensenkungshebel lassen sich laut Analyse drei Feldern zuordnen:
3 Bereiche, IT-Kosten zu senken
Das erste Themenfeld umfasst die Optimierung der IT-Infrastrukturen und -prozesse, einschließlich Server-Virtualisierung, Kapazitätsmanagement und Standardisierung. Hier ließen sich laut BCG unter anderem mit einer weitergehenden Standardisierung von Hard- und Software, einem verbesserten Kapazitätsmanagement sowie dem Einsatz neu verfügbarer Technologien wie SAN oder VoIP und Anpassungen bei Wartungs- und Anschaffungszyklen Einsparungen erzielen, die in den zweistelligen Prozentbereich gehen.
Ein zweites Feld betrifft die Optimierung von Aktivitäten mit Projektcharakter, die jedoch oft fragmentiert als Wartungs- oder Betriebsaktivitäten durchgeführt würden. Durch Bündelung solcher Aktivitäten in Projekte werden sie den notwendigen Projekt Governance-Prozessen unterworfen und dadurch effizienter und effektiver durchgeführt (etwa durch klare Definition von Scope, Ressourcen und Zeitplanung; Kosten/Nutzen-Analyse; Priorisierung gegen andere Investitionen.
Föderalismus macht IT-Steuerung zu komplex
Das dritte Feld umfasst die Ausgaben für externe Dienstleister. Hier können im Durchschnitt Kosteneinsparungen von zwei bis fünf Prozent der IT-Gesamtkosten erreicht werden, wenn bestehende Verträge überprüft, Preise und Leistungen in regelmäßigen Abständen an die Marktveränderungen angepasst werden und wenn es gelingt, die Zahl der externen Partner insgesamt zu verringern. Weitere Maßnahmen wie die Reduzierung von Lieferumfängen oder ein verbesserter Abgleich von Bedarf und Einkauf tragen auch zu Kostensenkungen bei, die bis zu 20 Prozent des Einkaufsvolumens ausmachen könnten.
Hinsichtlich der Realisierbarkeit gibt es, darauf weist die Studie hin, eine Besonderheit in der Öffentlichen Verwaltung: die Strukturen der IT-Steuerung. Diese sind vergleichsweise komplex, insbesondere aufgrund der föderalen Entscheidungsstrukturen, die über die Verwaltungsebenen hinweg fragmentiert sind. Eine Grundvoraussetzung ist daher nach Ansicht der Autoren die Erneuerung der IT-Steuerung in der öffentlichen Verwaltung. Ferner sei eine Konsolidierung von IT-Dienstleistungszentren notwendig, um nicht nur die IT-Nachfrage effektiver zu steuern, sondern auch das IT-Angebot übergreifend zu bündeln.
Fazit: Der weitere Ausbau der Leistungen und Prozesse im E-Government kommt in Deutschland im Vergleich zu europäischen Vorreitern wie Schweden, den Niederlanden oder Großbritannien deutlich langsamer voran. "Mangelnde Ressourcen jedoch sind angesichts der enormen Kostensenkungspotenziale keine ausreichende Erklärung", sagen die Autoren der Studie.