Regierung will alle Register ziehen

Staatsbeteiligung als letzter Ausweg

24.03.2020
Die Auswirkungen der Corona-Krise nehmen für viele Unternehmen immer bedrohlichere Ausmaße an. Was kann der Staat noch tun?
Die Bundesregierung arbeitet unter Hochdruck an Lösungen. Klar ist: Der Bund will sich höher verschulden. Und die EU lockert die Haushaltsregeln.
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Die Ereignisse in der Corona-Krise überschlagen sich, Unternehmen kämpfen um ihre Existenz - die Bundesregierung ist nun bereit, aufs Ganze zu gehen. Sie erwägt eine Staatsbeteiligung an angeschlagenen Firmen über einen milliardenschweren Rettungsfonds. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, ein "Ausverkauf" deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen müsse verhindert werden. Erste bekannte Unternehmen sind zahlungsunfähig. In der Metall- und Elektroindustrie kommt es zu einem Not-Abschluss ohne Lohnerhöhung. Die EU-Kommission lockert in einem einmaligen Schritt Haushaltsregeln. Ein Überblick:

Rettungsfonds der Bundesregierung

Die Regierung hat bereits verschiedene Maßnahmen beschlossen, um Jobs und Firmen zu schützen - das Kurzarbeitergeld wurde erweitert, ein unbegrenztes Kreditprogramm auf den Weg gebracht. Für Solo-Selbstständige und Kleinstfirmen soll es in Form direkter Zuschüsse Staatshilfen geben.

Nun könnte ein weiteres Instrument dazukommen: Nach Informationen aus Regierungskreisen wird derzeit ein Rettungsfonds beraten. Dieser könnte ein Volumen von rund 500 Milliarden Euro haben, über die Summe gebe es aber noch keine Einigkeit. Der Fonds könnte bei einer Sitzung des Kabinetts am Montag beschlossen und noch in derselben Woche im Bundestag auf den Weg gebracht werden.

Ziel ist es, Unternehmen durch das Gewähren von Garantien vor der Pleite zu retten. Vorbild für das neue Instrument soll der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) sein, mit dem der Staat während der Finanzkrise vor zwölf Jahren Banken aus der Schieflage rettete.

Altmaier sagte, es dürfe nun "keine Tabus" geben. "Vorübergehende und zeitlich begrenzte Staatshilfen, bis hin zu Beteiligungen und Übernahmen müssen möglich sein."

Unternehmen brauchen schnelle Hilfe

Ein beschlossenes unbegrenztes Kreditprogramm soll Jobs und Unternehmen schützen, es richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen. Ziel ist es, Liquidität sicherzustellen - damit also Unternehmen weiter laufende Kosten wie Mieten zahlen können, auch wenn Umsätze massiv einbrechen und kaum oder keine Einnahmen in die Kasse kommen.

Die staatliche Förderbank KfW und die Kreditwirtschaft hatten erklärt, Unternehmen könnten ab sofort Hilfskredite beantragen. Die KfW bietet den Geschäftsbanken je nach Programm an, 70 bis 80 Prozent des Kreditrisikos zu übernehmen. Das soll den Finanzinstituten die Vergabe von Darlehen erleichtern. Die Förderbank erhält dafür staatliche Garantien. Eine Sprecherin Altmaiers sagte am Freitag, die Hilfen sollten ab Montag zur Verfügung stehen.

Wirtschaftsverbände aber äußerten massive Kritik daran, dass die Programme zu kompliziert seien. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte: "In der aktuellen Situation werden an sich gut wirkende Soforthilfen wie Steuerstundungen, Zuschüsse und staatliche Kreditgarantien ausgebremst, wenn sie jetzt nicht schnell und einfach funktionieren." Die Hilfen müssten in der nächsten Woche bei den vielen Solo-Selbständigen, bei den Kleinstunternehmen und bei den Mittelständlern ankommen, sonst kämen sie für viele zu spät.

Die angeschlagene Restaurantkette Vapiano meldete am Freitag, sie sei zahlungsunfähig. Das Unterehmen appellierte an die Regierung, die angekündigten wirtschaftlichen Hilfen müssten schnell kommen. Damit hofft der Vorstand, den innerhalb einer Frist von drei Wochen gebotenen Insolvenzantrag doch noch abwenden zu können.

Einmaliger Schritt der EU-Kommission

Die EU-Kommission lockert angesichts der erwarteten Wirtschaftskrise infolge der Coronavirus-Pandemie die Haushaltsregeln. "Heute, und das ist ganz neu, aktivieren wir die allgemeine Ausweichklausel. Das wurde noch nie zuvor getan", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in einem auf Twitter veröffentlichten Video. Nationale Regierungen dürften nun unbegrenzt in die Wirtschaft investieren. So könnten sie den Unternehmen "in dieser unverschuldeten Krise" beistehen. Im Deutschlandfunk hatte von der Leyen betont, die 27 EU-Staaten sollten für die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise großen Spielraum haben. Die einzelnen Länder bräuchten "maximale Beinfreiheit, um gezielt den Unternehmen, die jetzt in der Krise sind, helfen zu können".

Notfallregellung in Schuldenbremse

Deutschland steht in der EU finanziell und wirtschaftlich zwar vergleichsweise hervorragend da. Auch die Bundesregierung aber muss in der Krise nun ihre finanziellen Spielräume erhöhen. Sie will deswegen eine Notfallregelung in der Schuldenbremse ziehen. So soll ermöglicht werden, dass sich der Bund in der Corona-Krise deutlich höher verschuldet als bisher erlaubt. Nach dpa-Informationen soll das Kabinett am Montag eine entsprechende Regelung beschließen, der Bundestag soll im Laufe der Woche zustimmen.

Geplant ist nach dpa-Informationen zudem ein Nachtragshaushalt für das Jahr 2020. Über die Höhe ist noch nicht endgültig entschieden, im Gespräch ist ein Volumen zwischen 60 und 100 Milliarden Euro. Das Geld wird benötigt, um die Folgen der Corona-Pandemie zu lindern.

Not-Abschluss bei Metallern

In der Metall- und Elektroindustrie erzielten Arbeitgeber und Gewerkschaft unter dem Druck der Corona-Krise einen schnellen Tarifabschluss, der für bundesweit 4 Millionen Beschäftigte gelten soll. Die zunächst in Nordrhein-Westfalen geschlossene Pilotvereinbarung sieht vor, die Löhne in diesem Jahr nicht mehr zu erhöhen. Arbeitnehmer mit kleinen Kindern erhalten zusätzliche freie Tage, für Kurzarbeiter soll es Ausgleichszahlungen geben. (dpa/rs)