Die Produktion von komplexeren Industriegütern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert: Während früher sehr große Mengen nur weniger Produkte in wenigen Varianten gefertigt wurden, wird der Output heute immer individueller, um sich den Wünschen der Kunden anzupassen. Unzählige Ausstattungsspielarten desselben Grundprodukts sind eher die Regel als die Ausnahme.
Prototypisch dafür steht die Automobilindustrie samt ihrer Zulieferer, ähnliche Tendenzen lassen sich aber auch bei der Produktion elektronischer Geräte oder von weißer Ware, also komplexeren Haushaltsgeräten für Endverbraucher, beobachten. So erhöhte sich bei einem global an mehreren Orten produzierenden OEM-Lieferanten durch neue Produktvarianten die Zahl der Teile zwischen 2008 und 2012 von 268 auf mehr als 650, was mehr Stellplatzbedarf und weit komplexere Prozesse bedeutet hätte. Beispielsweise fertigen Motorenhersteller heute mehr als 10000 Motorvarianten.
Trotz dieser Vielfalt müssen die Fertigungsprozesse weiterhin ununterbrochen und hocheffizient durchlaufen, um die angepeilten Margen zu realisieren. Das bedeutet: Ohne verbesserte Produktions- und Logistikprozesse erhöhen diese Trends der Umfang nicht wertschöpfender Tätigkeiten bei der Montage und verringern die Transparenz der Materialverfügbarkeit, was insgesamt die Profitabilität verschlechtert. Solche Verbesserungen sind vor allem durch intelligente Technologien im Hintergrund der Fertigungsstraßen realisierbar. Bei hochautomatisierter 24*7-Fertigung steigt daher die Bedeutung der Factory-IT, von der selbstverständlich Hochverfügbarkeit verlangt wird. Denn Resilienz, so prognostizierte IDC 2013, wird in der produzierenden Industrie zu einer Top-Priorität.
Die IT-Unterstützung der Fertigung findet auf mehreren Ebenen statt, die eng miteinander zusammenwirken: Manufacturing Execution Systems (MES), branchenspezifisch ausgerichtete Softwareprodukte, steuern die die Details des Herstellungsprozesses, greifen also nach oben auf Planungssysteme wie SAP und nach unten auf die digitalisierten Steuerungen der Maschinen zu. Fließen beide Bereiche in einer Lösung zusammen, entsteht ein umfassendes Manufacturing Operations Management (MOM)-System, das durch die engere Verzahnung beider Bereiche die Flexibilität erhöht.
Alle Softwaresysteme sind eng verzahnt mit der darunterliegenden IT-Infrastruktur aus Servern, Netzwerken, Speichern und Datenbanken. Letztlich hängt es von der Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit dieser IT-Infrastruktur ab, wie viel Effizienz sich durch ein branchenspezifisches MES gewinnen lässt. Ein exzellenter IT-Service, so eine weitere IDC-Prognose für den Manufacturing-Markt, bekommt damit strategische Priorität.
Verstärkend wirkt, da sich Fertigungsprozesse immer mehr globalisieren. Viele auch mittelständische Unternehmen unterhalten Produktionsstätten in mehreren geografischen Regionen mit unterschiedlichen Landessprachen. Auch die IT-Infrastruktur unterscheidet sich in solchen Unternehmen häufig von Fertigungsstandort zu Fertigungsstandort. Unter diesen Umständen sind keine global übergreifenden Steuerungsmaßnahmen auf IT-Infrastrukturebene realisierbar.
Mögliche Synergieeffekte fallen weg, gleichzeitig müssen in jedem Standort IT-Teams unterhalten werden, die im Stande sind, alle Aufgaben rund um die IT-Infrastruktur zu bearbeiten und Probleme zu lösen. Ein sehr hoher Aufwand also für eine Funktion, die den eigentlichen Kernbereich der Geschäftstätigkeit, die Produktion von Gütern, lediglich unterstützt. Gerade für kleinere Unternehmen wird es oft sehr teuer, die nötigen IT-Personalressourcen in allen Standorten bereitzuhalten.
Standardisierung der Fertigungs-IT fordert veränderte Prozesse
Eine Lösung besteht darin, die Factory-IT solcher Unternehmen standortübergreifend zu vereinheitlichen. Doch das in Eigenregie zu erledigen, bedeutet erheblichen technischen und Managementaufwand. Kaum ein Unternehmen dürfte die komplette Breite und Tiefe des erforderlichen Fach- und IT-Wissens intern besitzen, die sich noch dazu ständig verändert. Der Personalaufwand dafür wäre einfach zu hoch. Daher gilt es zu überlegen, welche sonstigen Möglichkeiten es gibt, der steigenden Bedeutung der IT für effiziente Fertigungsprozesse gerecht zu werden, gleichzeitig die Kosten dieser Funktion im Rahmen zu halten, ohne Kompromisse bei fachlicher Exzellenz oder Zuverlässigkeit zu machen.
Neuartige, Cloud-basierende Services bieten hier Alternativen, die bis vor wenigen Jahren technisch noch undenkbar waren. Nun aber ist es möglich, die Verantwortung für alle standardisierbaren Komponenten einer produktionsunterstützenden IT-Infrastruktur, angefangen bei Servern über Netze, Speicher bis hin zu Datenbanken, im eigenen Unternehmen in einer Private Cloud global zu zentralisieren oder gar ganz an einen auf Infrastruktur spezialisierten Dienstleister auszulagern, der sie in Absprache mit seinen Kunden nach höchsten Sicherheitsstandards ganz oder teilweise für mehrere Kunden parallel nutzen kann. Das senkt für den einzelnen Kunden die Kosten. Dieser Dienstleister kann die Infrastruktur entweder nur bereitstellen oder, falls der Kunde das wünscht, auch verantwortlich betreiben (Factory-IT-as-a-Service, FaaS). Die infrastrukturellen Voraussetzungen für neue Methoden wie Just in Sequence (JIS, sequenzgerechte Anlieferung der Komponenten am Montageband) werden dabei vom Dienstleister gleich mitgeliefert – und zwar übergreifend für alle an den Service angeschlossenen Fabriken.
Das produzierende Unternehmen bleibt dabei meist weiter für die branchenspezifischen Anteile der Gesamtlösung und die betriebswirtschaftliche Software zuständig, es sind aber auch Gesamt-Auslagerungen dieser Teile möglich. Offene Schnittstellen verbinden die IT-Infrastruktur mit dem MES/MOM-System und der betriebswirtschaftlichen IT-Umgebung. Dieses Vorgehen optimiert insgesamt die Wertschöpfung, minimiert die Kosten und befreit das Unternehmen von der Notwendigkeit, entsprechendes IT-Personal vorzuhalten, das sich um infrastrukturelle Aufgaben kümmert. Diese Aufgabe nimmt dem Hersteller der IT-Dienstleister ab.
Allerdings gibt es verschiedene Voraussetzungen für das Gelingen eines solchen Projekts. Denn für die Mitarbeiter in der Montage bedeutet sie eine gewaltige Umstellung. Daher sollte die oberste Managementebene entschlossen hinter der Umsetzung des Projekts stehen und auch die Zulieferer rechtzeitig und umfassend einbinden. Außerdem dürfen nur erprobte IT-Lösungen eingesetzt werden, die alle neuen Geschäftsprozesse des Kunden vollständig abbilden können. Ein Umstieg sollte schrittweise erfolgen können und die IT des Gesamtsystems so gestaltet sein, dass sie später schnell änder- und erweiterbar ist. Die Module einer solchen Lösung sollten unabhängig voneinander implementierbar sein.
Sorgfältige Partnerwahl nötig
Der gewählte IT-Partner muss bereits bewiesen haben, dass er von IT etwas versteht und das Zusammenwirken mit den branchenspezifischen Herstellungsprozessen begreift. Seine internen Ansprechpartner müssen mit den Spezialisten des jeweiligen produzierenden Unternehmens in deren Fachterminologie kommunizieren können. Entsprechende geografische Präsenz inklusive muttersprachlichen Fachkräften ist erforderlich.
Ideal ist die Errichtung eines Plant Operation Center (POC) beim Dienstleister, das zentral für alle Services, die für den oder die jeweiligen Kunden erbracht werden, zuständig ist. 24*7-Besetzung des POC mit ausreichend vielen Fachkräften ist selbstverständlich, wobei diese auch für mehrere Kunden zuständig sein können. Das minimiert die Kosten der produzierenden Kundenunternehmen. Die IT-Infrastruktur des Partners muss redundant und damit ausfallsicher sein und auch ansonsten dem modernsten Standard entsprechen. Gerade hier liegt ja durch die Spezialisierung des IT-Partners ein wichtiger Vorteil einer solchen Lösung.
Von größter Bedeutung sind klar definierte und überprüfbare Service Level. HP vereinbart mit seinen Kunden beispielsweise konkrete Werte für die jeweils spezifische Verfügbarkeit der Applikationen, die Zuverlässigkeit der Anwendungen, gemessen an der Zahl der Defekte in einem bestimmten Zeitraum, die Serviceability, also die Geschwindigkeit, in der beantragte Änderungen umgesetzt werden können, die Reaktionsgeschwindigkeit bei Incidents und die Einhaltung der geplanten Abläufe hinsichtlich neuer Releases, Änderungen etc.
Ariane Rüdiger ist freie IT-Fachjournalistin