Internes Outsourcing

Stada gründet Shared-Service-Center

09.09.2013 von Karin Quack
Indem der Pharmakonzern seine IT-Services vorwiegend von eigenen Mitarbeitern erbringen lässt, hofft er auf jährliche Einsparungen von mehreren Millionen Euro.

Schon im kommenden Jahr will der Arzneimittelproduzent Stada, hierzulande in Bad Vilbel ansässig, seine IT-Ausgaben um mehr als zwei Millionen Euro senken - nicht durch Einschränkungen, sondern durch Verlagern von Dienstleistungen, wie es heißt. Bislang hat der Unternehmensverbund zusätzlich zu seinen insgesamt rund 200 IT-Mitarbeitern noch bis zu 50 externe Berater beschäftigt. Bei Tagessätzen von 1200 Euro, in Einzelfällen sogar mehr, für einen einzigen SAP-Consultant verschlingt dieser Posten leicht mehrere Millionen Euro im Jahr.

Das Führungstrio der Stada IT Solutions (von links): Zoran Verovski, Director IT; ¬Angela Weißenberger, CIO, VP und General Manager; Dusan Milutinovic, CFO Hemofarm und ebenfalls General Manager der Stada IT Solutions.
Foto: Stada

Deshalb lenkte Angela Weißenberger, CIO und Vice President der Stada-Gruppe, ihre Aufmerksamkeit genau auf diesen Punkt, nachdem sie vom Vorstand den Auftrag zur Optimierung der IT-Strukturen erhalten hatte. "Wir wollen externe Consults ablösen, wo es möglich ist", bestätigt sie, "nicht nur wegen der hohen Kosten, sondern auch, weil internes Know-how häufig wichtiger ist als der Blick von außen".

Drei regionale Säulen

Die Stada-IT vereint unter dem Dach der Corporate IT drei regionale Säulen. Das sind: Westeuropa (WE), Russland und die Nachfolgestaaten der UdSSR (Commonwealth of Independent States = CIS) sowie South East Europe (SEE).

Der letztgenannte Bereich bestand aus der IT des serbischen Teilkonzerns Hemofarm, für den er auch hauptsächlich zuständig zeichnete. Laut Weißenberger war er aber für diese Aufgabe allein leicht überdimensioniert. Das machte sich Stada zunutze: Die Hemofarm-IT erbrachte schon seit Längerem diverse Projektdienstleis-tungen für den Gesamtkonzern, beispielsweise im Rahmen von Rollouts oder für die Maintenance.

Model IT Shared Service Center
Foto: Stada

Dieser Regionalbereich soll nun zu einem Kompetenzzentrum für SAP und Microsoft, einem IT-bezogenen Shared-Service-Center in Serbien, ausgebaut werden. Dazu will Stada ein rundes Dutzend weitere IT-Experten anheuern - vorzugsweise in Serbien. Im Vergleich zu Russland und vor allem Westeuropa sei dort nicht nur das Lohnniveau spürbar niedriger, es sei auch einfacher, gute Leute zu finden und nach der Ausbildung zu halten, so Weißenberger: "Das Bildungsniveau in Serbien ist sehr hoch, auf unsere verdeckten Job-Annoncen haben wir sehr gute Bewerbungen bekommen, und der Unterschied zu den Beraterhonoraren ist nicht ganz so groß wie hierzulande oder in Russland." Zudem zähle Stada mit seiner Tochter Hemofarm in Serbien zu den größten Investoren und habe dementsprechend einen "hervorragenden" Ruf auch auf dem Arbeitsmarkt.

Tandem aus CIO und CFO

Neben ihrer CIO-Funktion wird Weißenberger auch die unternehmerische Verantwortung für die neue IT-Gesellschaft tragen, die als Stada IT Solutions firmiert. Allerdings wird der IT- und Business-Spezialistin ein einheimischer Finanzexperte als Co-Geschäftsführer zur Seite stehen: Dusan Milutinovic ist gleichzeitig CFO der Hemofarm. Ob sie sich dadurch kontrolliert fühle, so die nahe liegende Frage. Keineswegs, beteuert die IT-Chefin. Es sei wichtig, dass im Topmanagement der IT-Gesellschaft ein Einheimischer vertreten sei.

Einen Interessenkonflikt zwischen CIO- und Geschäftsführungsfunktion sieht die IT-Managerin auch nicht. Die Stada IT Solutions müsse keinen Profit machen, sondern könne sich auf die Einsparungsziele konzentrieren: mehr als zwei Millionen Euro im Jahr 2014, deutlich mehr als drei Millionen in jedem folgenden Jahr - gemessen am derzeitigen Auftragsvolumen.

Externe nur noch im Ausnahmefall

Dieses "Intra-Company-Outsourcing" (O-Ton Weißenberger) funktioniere allerdings nur, wenn sich alle Teile des Konzerns verpflichten, die Stada IT Solutions mit sämtlichen in Frage kommenden Aufträgen zu betrauen, betont die IT-Verantwortliche: "Ab dem kommenden Jahr sind externe Berater genehmigungspflichtig, und die Genehmigung erfolgt auf einer sehr hohen Management-Ebene. Unterstützung von außen ist nur noch erlaubt, wenn spezielles Know-how benötigt wird, um Peaks abzufangen oder neue Themen zu initiieren."

Keine Entlassungen geplant

Die IT-Mitarbeiter aus der Corporate IT und den regionalen Centern seien von der Neugründung nicht betroffen, beteuert Stada. Weder würden Arbeitsplätze abgebaut noch werde jemand zum Wechsel nach Serbien gedrängt. Die einzige Änderung betreffe das Sourcing-Verhalten.

Unverändert bleiben sollen auch die Serviceverträge mit den Outsourcing-Partnern IBM, BASF IT Services und IDS Scheer. Ja, richtig gelesen! Das mehr durch seine Prozessmodellierungs-Werkzeuge bekannte Unternehmen hat im August dieses Jahres das Hosting der SAP-Applikationen für die Hemofarm übernommen.

IT-Governance-Aufgaben

Das Shared-Service-Center erfüllt neben den Einsparungen im operativen Bereich noch eine wichtige Aufgabe, wie Weißenberger ausführt: Es soll die Strukturen und Systeme harmonisieren und damit helfen, Synergien zu erzeugen.

Damit die Effizienzerwartungen möglichst schnell erfüllt werden können, hat Stada IT Solutions bereits begonnen, professionelle IT-Service-Management-Strukturen aufzubauen. Mit den einzelnen Landesgesellschaften werde es interne Verrechnungspreise und formale Serviceverträge mit SLAs geben, erläutert Weißenberger.

Die zu kurzen Wege kappen

Darüber hinaus hat die CIO für ein standardisiertes Anforderungs-Management gesorgt. "Wir wollen die zu kurzen Wege kappen", sagt sie, "das heißt nicht, dass wir unnötigen Overhead erzeugen wollen, aber gewisse Formalien sind notwendig." Diese formale Vorgehensweise betreffe vor allem Projektanträge, aber in abgewandelter Form auch Change Requests: "Dafür gibt es ein Budget, gegen das die Anforderungen über ein spezielles Tool eingestellt, geschätzt und freigegeben werden müssen." Auf diese Weise werde den Fachbereichen auch bewusst, welche Kosten ihre Änderungswünsche verursachen.

Kommentar: Win-win - außer für SAP-Berater

Karin Quack, Ressortleiterin IT-Strategien bei der Computerwoche.

Über den Sinn und Unsinn von IT-Gesellschaften ist auch in diesem Blatt viel geschrieben worden. Die Hoffnung auf nennenswertes Drittgeschäft hat sich jedenfalls nur bei wenigen erfüllt. Prominentestes Positivbeispiel ist T-Systems. Nach zahlreichen Fusionen hat der Servicekonzern mit einer Telekom-IT aber auch nur noch so viel zu tun wie der Internet-Händler Amazon mit dem Buchladen am örtlichen Marktplatz.

Andere IT-Gesellschaften haben den Versuch, sich am Markt zu positionieren, mittlerweile aufgegeben. So ließ beispielsweise Bayer Business Services vor drei Jahren durchblicken, man sei mit der IT des Pharmakonzerns ausgelastet und bemühe sich nicht mehr um externe Aufträge.

Kleinere IT-Bereiche müssen da schon hoch spezialisiert sein, wenn sie in diesem Haifischbecken noch Beute machen wollen. Sie sollten sich lieber auf das konzentrieren, was ihnen niemand streitig machen kann: die Kenntnis der unternehmenseigenen Strukturen und Abläufe, "internes Know-how", wie Angela Weißenberger, CIO der Stada-Gruppe und Geschäftsführerin der neu gegründeten Stada IT Solutions, es nennt.

Economies of Scale lassen sich mit einer solchen 200-köpfigen IT-Gesellschaft sicher nicht erzielen. Trotzdem hoffen Weißenberger und ihre Management-Kollegen auf deutlichen Gewinn: Dank der starken Präsenz in Südosteuropa kann Stada das innereuropäische Gehaltsgefälle nutzen, ohne auf internes Know-how zu verzichten. Und ein gutes Gewissen hat man dabei auch noch: Der Markt für SAP-Experten sei hierzulande ohnehin fast leer. Klingt nach einer Win-win-Situation - wenn man von den externen SAP-Beratern absieht, die dort nicht mehr viel ernten.

Ob das Modell für Stada tatsächlich ein Erfolg wird, hängt allerdings davon ab, wie gut die IT-Gesellschaft mit den Teilkonzernen harmoniert. Ein straffes Service-Management ist sicher wichtig, überlebenswichtig ist jedoch vor allem ein gutes Change-Management.