Audi tauscht vier Vorstände aus

Stadler bleibt Audi-Chef auf Abruf

28.08.2017
Frischer Wind in Ingolstadt: Der Audi-Aufsichtsrat tauscht vier der sieben Vorstände aus. Vorstandschef Stadler bleibt - er wird im Moment noch gebraucht.
Gleich vier Audi-Vorstände müssen gehen. CEO Rupert Stadler dagegen hält sich.
Foto: Audi AG

Der Dieselskandal ist Audis größte Baustelle - aber bei weitem nicht die einzige. Die Verkaufszahlen sind im ersten Halbjahr gesunken, der Rückstand auf die Konkurrenten Mercedes und BMW wächst, die Belegschaft in Ingolstadt und Neckarsulm sorgt sich um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Jetzt hat der Aufsichtsrat der VW-Tochter die Reißleine gezogen und gleich vier der sieben Vorstände vor die Tür gesetzt. Audi-Chef Rupert Stadler dagegen hält sich. Seine Position ist für den Augenblick sogar gefestigt.

Das gilt zumindest, bis die vier Neuen eingearbeitet sind - und solange die Staatsanwaltschaft ihm keine Mitwisserschaft im Abgasbetrug vorwirft. Rückhalt hat Stadler in den Eigentümer-Familien Porsche und Piëch. "In einem anderen Unternehmen wäre er nicht mehr Chef", sagt einer, der das Unternehmen kennt. "Die Familie hält die Hand über Stadler", heißt es aus dem VW-Konzern. Stadler war Büroleiter von Ferndinand Piëch gewesen, bis vor kurzem verwaltetet er einen Teil des Privatvermögens der Familie. Wolfgang Porsche hatte Stadler auf dem Genfer Autosalon im März öffentlich sein Vertrauen ausgesprochen.

Unterschiedlicher Rückhalt für Stadler

Als Audi-Chef war Stadler bis 2015 fast ein Star: Er stärkte Audis Position unter den Top 3 im Premiumsegment, verdoppelte Verkäufe, Umsatz und Betriebsgewinn, wurde zum Unternehmer des Jahres gekürt und als Nachfolger von VW-Chef Martin Winterkorn gehandelt.

Inzwischen läuft es geschäftlich jedoch nicht mehr rund. Auf Arbeitnehmerseite hat Stadler Rückhalt verloren. Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch zeigte ihm auf der Betriebsversammlung im Juli die gelbe Karte. Die Vertragsverlängerung bis 2022 im Mai sei "bloß ein formaler Akt gewesen", heißt es aus dem Konzern. Und nach bald elf Jahren sei eine Ablösung ja nicht unbedingt schlecht.

Im Dieselskandal machte Stadler keine gute Figur. Erst bestritt er die Abgastricks bei Audi, musste dann doch alles einräumen, lavierte herum. Als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im Juni den Rückruf manipulierter Audis anordnete, legte sich Stadler mit ihm an und wurde von VW öffentlich zurückgepfiffen.

Ob Stadler wirklich keine Ahnung hatte von den jahrelangen Tricksereien seiner Ingenieure hatte, prüft die Staatsanwaltschaft noch. Bislang hat sie keinen konkreten Verdacht. Aber auch wenn der Vorstandschef seine Aufsichtspflicht verletzt haben sollte, könnte ihm zumindest ein Bußgeld drohen. "In Wolfsburg herrscht breiter Konsens: Viel darf er sich nicht mehr erlauben", heißt es in Konzernkreisen.

Für einen Nachfolger jetzt wäre es allerdings ein schlechter Start, sollten die Staatsanwälte in ein paar Monaten doch noch schweres Geschütz auffahren. Da solle Stadler noch selbst den Kopf hinhalten, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Außerdem gibt es gegen die als Kandidaten gehandelten Manager von der einen oder anderen Seite auch Vorbehalte. Der frühere Opel-Chef Karl Thomas Neumann etwa hat Opel nicht profitabel gemacht. Der einstige Skoda-Chef Winfried Vahland verließ den Konzern, als VW-Chef Matthias Müller ihn in die USA schicken wollte. Auch das spricht im Moment für Stadlers Verbleib.

Aufsichtsrat will Stabilität

Ein weiterer Grund: "Der Aufsichtsrat will eine gewisse Stabilität." Auf einen Schlag gleich vier neue Vorstände, das ist doch ein massiver Umbruch. Zumal der von Volvo geholte Technikvorstand Peter Mertens erst im Mai in Ingolstadt angefangen hat. Da garantieren Stadler und Einkaufschef Bernd Martens ein Stück weit Kontinuität.

Der geballte Unmut des Aufsichtsrats traf vier andere Vorstände. Vertriebschef Dietmar Voggenreiter wird angelastet, dass die Verkäufe in China im ersten Halbjahr um 12 Prozent eingebrochen sind. Das Bündnis mit einem zweiten Partner dort "hätte man smarter machen können", heißt es im Unternehmen.

Dem Produktionsvorstand Hubert Waltl warf der Betriebsrat vor, er habe keinen Plan für die nachhaltige Auslastung der Stammwerke. Audi baut seine beiden ersten E-Autos in Brüssel und den Audi Q5 im neuen Werk in Mexiko. Für den Bau des A3 auf den nicht ausgelasteten Bändern in Ingolstadt hatte Finanzchef Axel Strotbek plötzlich kein Geld. Auf einer Betriebsversammlung gab es Buhrufe, weil der Vorstand Schichten streichen wollte. Dass der Betriebsrat das verhindern konnte, kreidete Wolfgang Porsche Personalchef Thomas Sigi an.

Alle vier Nachfolger kommen aus dem VW-Konzern. Wendelin Göbel war rund 20 Jahre bei Audi und ist derzeit Generalsekretär des VW-Chefs in Wolfsburg - wie Stadler vor seiner Berufung in den Audi-Vorstand. Göbel wird Personalchef, der derzeit in China tätige VW-Manager Alexander Seitz Finanzchef, und Vertriebsvorstand wird Bram Schot, derzeit noch in gleicher Funktion bei den VW-Nutzfahrzeugen.

Theaterdonner gab es vor der Aufsichtsratssitzung noch um den neuen Produktionschef Peter Kössler. Er leitet Audi Ungarn mit Europas größtem Motorenwerk, sitzt aber auch für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Wolfgang Porsche sei skeptisch gewesen, heißt es. Die Arbeitnehmer beharrten jedoch auf dem Gesamtpaket, und ein offener Streit wäre ein schlechtes Signal gewesen. Die vier Neuen wurden am Montag einstimmig berufen. (dpa/rs)