Viele Unternehmen haben ihre Produktion beziehungsweise ihre fachlichen Kernprozesse mithilfe von IT-Lösungen standardisiert und harmonisiert. Dieser Ansatz kann aber auch auf andere Unternehmensfunktionen ausgeweitet werden. So bündeln zum Beispiel Unternehmen verstärkt Querschnittsfunktionen an einer zentralen Stelle und stellen sie konzernübergreifend in einem Shared Service Center (SSC) bereit.
Ziel der Einführung eines Shared Service Centers ist es, die Effizienz der angebotenen Leistungen zu steigern und Skaleneffekte zu nutzen. Außerdem können verschiedene Servicelevel dadurch überhaupt definiert und die Serviceleistung für die Kunden entsprechend verbessert werden.
Neben den IT-Funktionen und den klassischen Betriebsfunktionen wie Call Centern lassen sich auch Querschnittsfunktionen wie Personal, Rechnungswesen, Controlling, Facility Management oder Einkauf in einer zentralen Dienstleistungsgesellschaft zusammenführen (Abbildung 1).
Hierzu müssen Unternehmen fachliche Prozesse vereinheitlichen, die bislang separat liefen, denn so lassen sich gewünschte Effizienz- und Einspareffekte erzielen. Eine Änderung bzw. Optimierung fachlicher Prozesse ist aber erst möglich, nachdem die betroffenen IT-Systeme angepasst und standardisiert wurden.
Um ein Shared Service Center zu implementieren, müssen Unternehmen drei wesentliche IT-Bereiche berücksichtigen (Abbildung 2 auf Seite 3):
1. Collaboration Services
2. Fachsysteme
3. Kennzahlensysteme
1. Collaboration Services
Am Starttag des SSCs müssen alle Mitarbeiter die benötigten IT-Systeme nutzen können. Das heißt, sie müssen miteinander kommunizieren können und für den Zugriff auf jene Fachanwendungen berechtigt sein, die bisher in anderen Infrastrukturen betrieben wurden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die IT-Funktionen im Konzern noch nicht harmonisiert sind und dezentrale IT-Infrastrukturen bestehen. Das Problem ist dann einer Unternehmensintegration sehr ähnlich.
Einheitliches Adressbuch einführen
In diesem Fall sind mehrere IT-Systeme betroffen:
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Active Directories (ADs): Die ADs müssen konsolidiert werden, um den SSC-Mitarbeitern ein einheitliches Adressbuch bereitzustellen und eine zentrale AD-Authentifizierung zu ermöglichen. Neben ADs müssen auch zugehörige Email- und Fileservices zusammengeführt werden, damit die Mitarbeiter Funktionen wie Gruppenpostfächer oder Kalenderanwendungen übergreifend nutzen und Daten austauschen können.
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Berechtigungsprozesse: Bisher unterschiedliche Berechtigungsmechanismen (AD, SAP, Berechtigungsverwaltung, usw.) müssen vereinheitlicht oder zumindest zentral gesteuert und verwaltet werden. Andernfalls ist die Einrichtung von neuen Berechtigungen über unterschiedliche IT-Infrastrukturen und Verfahren hinweg ein aufwändiger und risikoreicher Prozess. Dabei kann ein zentrales Berechtigungsverwaltungstool helfen und Revisionssicherheit gewährleisten.
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Personalsysteme: Die Struktur- und Mitarbeiterinformationen aus den Personalsystemen werden meist als Input für ADs und Berechtigungsvergabe verwendet. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass alle Mitarbeiter in einem Personalsystem erfasst sind und entsprechende Informationen für andere Systeme bereitgestellt werden können.
2. Fachanwendungen
Die Mitarbeiter des SSCs haben bisher in ihren dezentralen Einheiten nach unterschiedlichen fachlichen Prozessen und mit verschiedenen Fachanwendungen gearbeitet. Das soll sich ändern, denn nur durch Harmonisierung der Prozesse lässt sich die Effizienz steigern.
Hierzu sind allerdings die Konsolidierung und die eventuelle Anpassung der jeweiligen IT-Fachsysteme und Workflows auf die Zielprozesse erforderlich. Zusätzlich müssen Schnittstellen zu den jeweiligen Umsystemen berücksichtigt werden.
Definition von SLAs schwierig
3. Kennzahlensysteme
Um einen Shared Service Center errichten zu können, muss das Unternehmen einen einheitlichen Produktkatalog erarbeiten sowie eine verursachungsgerechte Kosten- und Leistungsrechnung festlegen. Außerdem müssen Service Level Agreements (SLAs) definiert werden. Die IT muss hierfür entsprechende Kennzahlen und Reports bereitstellen. Keine leichte Aufgabe bei heterogenen Produktivsystemen mit unterschiedlichen Datenstrukturen und Auswertungssystemen. Um aussagekräftige Daten zu bekommen, sind daher die Definition eines unternehmensweiten Zieldatenmodells sowie die Konsolidierung der verschiedenen Data Warehouses unabdingbar. Nur so kann die Steuerungsfähigkeit des SSC sichergestellt werden.
Ein IT-Transformationsprojekt dieses Ausmaßes ist daher nicht einfach zu bewältigen. Damit es dennoch gelingt, sollten folgende Erfolgsfaktoren beachtet werden:
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Rechtzeitig rückwärts planen: Die Konsolidierung der IT-Infrastruktur und Harmonisierung von Fachsystemen erfordert Monate, oft Jahre. Wer zu spät mit fachlicher und technischer Konzeption beginnt, hat keine Chance, das Projekt rechtzeitig umzusetzen.
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Plan B erarbeiten: Gelingt es nicht, die IT bis zum SSC-Starttag vollständig zu harmonisieren, muss das Unternehmen überlegen, wie SSC-Mitarbeiter mit unterschiedlichen IT-Infrastrukturen und Fachsystemen zusammenarbeiten können. Hierfür müssen geeignete Workarounds vorbereitet werden (z.B. Betrieb von Anwendungen in gemeinsamer virtueller Umgebung), die ebenfalls eine gewisse Umsetzungszeit brauchen.
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Outsourcing-Optionen prüfen: Die Gelegenheit eines weitreichenden Konzernumbaus sollte genutzt werden, um mögliche Outsourcing-Optionen, insbesondere für die IT-Infrastruktur, zu prüfen. Wie immer gilt natürlich auch hier: Erst intern konsolidieren und standardisieren, dann outsourcen.
Standard-Software erleichtert späteres Outsourcing
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Standard-Software favorisieren: Wenn fachliche Prozesse harmonisiert werden, sollte die Einführung von Standardsoftware geprüft werden, um Kosten zu sparen sowie ein mögliches späteres Outsourcing zu erleichtern. Richtlinie sollte sein, die Software so wenig wie möglich zu personalisieren, denn das erhöht die Kosten. Dafür muss der Fachbereich auf Standardprozesse setzen. Im Zweifel müssen einige Fachbereiche auch von der gewünschten Ideallösung abweichen.
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Fachliches Zielbild frühzeitig definieren: Selbst wenn die IT rechtzeitig vorausplant, kann sie erst an Konzeption und Umsetzung arbeiten, wenn die Fachverantwortlichen künftige Prozesse und entsprechende Mitarbeiterfunktionen klar definiert haben.
Matthias Gröbner ist Project Manager und Andreas Spieler ist Senior Consultant, im InfoCom Competence Center bei Roland Berger Strategy Consultants.