Das Landgericht Braunschweig nahm das Verfahren wegen des Verdachts der Marktmanipulation wieder auf, wie das Gericht am Donnerstag mitteilte. Wann der Prozess beginnt, war zunächst unklar. In der Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom September 2019 wird dem Angeklagten vorgeworfen, den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Diesel-Motoren informiert zu haben. Anfang Januar 2021 wurde das Verfahren gegen Winterkorn, der nach Auffliegen des Dieselskandals 2015 zurücktreten musste, vorläufig wegen einer Erkrankung eingestellt.
Landgericht schwenkt um
Die Kammer begründete die Entscheidung damals mit dem sogenannten NOx-Verfahren unter anderem wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs. Die zu erwartenden Strafe in dem Verfahren würde im Vergleich nicht ins Gewicht fallen. Winterkorn hatte die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen und beteuert, vor dem Bekanntwerden der Manipulationen nichts von illegalem Tun gewusst zu haben.
In dem NOx-Verfahren konnte bisher nicht gegen Winterkorn verhandelt werden, weil dieser laut Gericht gesundheitlich nicht in der Lage dazu war. Deshalb nimmt das Landgericht nun auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des Verdachts der Marktmanipulation wieder auf. Außerdem kommt die Kammer nach eigenen Angaben inzwischen zu dem Schluss, dass sich die Strafe wegen Verstoßes gegen das Wertpapierhandelsgesetz doch auswirken könnte.
Gegen vier Volkswagen-Manager wird vor dem Landgericht bereits seit September 2021 verhandelt. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wurde im Juni in München bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Dieselskandal brachte Milliarden-Lasten für VW
Mitte Dezember ließ das Landgericht Braunschweig außerdem die Anklage gegen sieben weitere Mitarbeiter des VW-Konzerns zu. Ihnen wird Betrug in einem besonders schweren Fall sowie ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unerlaubten Wettbewerb vorgeworfen. Bei einzelnen der Angeklagten komme noch eine mögliche Steuerhinterziehung hinzu. Die Namen der Angeklagten nannte das Gericht nicht.
Der Herbst 2006, in dem die gezielten Täuschungen begonnen haben sollen, fiel in eine Zeit, in der VW auf dem schwierigen US-Markt den Rückstand zu Wettbewerbern aufholen wollte. Mit einer großen Marketing-Offensive zum "clean diesel" sollten mehr Kunden gewonnen werden.
Im September 2015 kam heraus, dass das Unternehmen statt des Einsatzes teurerer Abgastechnik die Messwerte mithilfe versteckter Software-Codes fälschte. Diese sorgten dafür, dass bei Tests voll gereinigt wurde, im Straßenbetrieb jedoch ein Vielfaches der Emissionen auftrat. Das Auffliegen des Skandals stürzte VW in die schwerste Krise seiner Geschichte. Die Kosten für die "Folgen der Dieselthematik" bezifferte der Autobauer auf rund 32 Milliarden Euro. (dpa/rs)