Vom Geld hängt der Erfolg eines Fertigers in puncto Digitalisierung nicht ab. Das erklärt der Berater KPMG in der Studie "Beyond the hype - separating ambition from reality in i4.0". Die Consultants wollen Digitalisierungs-Initiativen als strategische Mittel verstanden wissen, nicht etwa als Maßnahmen der Kostensenkung.
KPMG hat mit Entscheidern aus 26 Unternehmen in Europa, Asien und den USA gesprochen. Die Studie liefert damit weniger quantitative Ergebnisse als vielmehr qualitative Einsichten. Deren Fazit: Die Kluft zwischen den Vorstellungen der Entscheider und dem, was ihr Unternehmen tatsächlich umsetzt, wächst derzeit.
Für KPMG geht es daher nicht um massive Investitionen in Lösungen für das Internet der Dinge (IoT) - zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Vorher müssen die Manager, mit denen die Consultants gesprochen haben, andere Entscheider von Organisatorischem überzeugen.
Kernbereiche für Industrie 4.0
Die Berater legen ihrer eigenen Arbeit ein Modell zugrunde, demzufolge Industrie 4.0 folgende sechs Bereiche umfasst: Strategie und Geschäftsmodell, Technologie, Finance und Risiko, Mitarbeiter und ihre Kompetenzen, Systeme und Prozesse sowie Services und Netze. Jeder dieser sechs Bereiche lässt sich feiner zergliedern. Technologie beispielsweise umfasst die Lieferkette, Big Data, Cloud, Cybersicherheit, additive Manufacturing, Robotics und Weiteres (siehe Grafik).
In der Studie sprechen die Befragten von steigendem Druck. Konkret nennen sie drei Punkte. Erstens fordern ihre Kunden immer schneller neue Produkte. Das heißt für die Fertiger, dass die Produktlebenszyklen kürzer werden. Zweitens müssen Fertiger immer schneller liefern. Drittens fordern die Kunden immer mehr Mitsprache bei der Produktgestaltung. Die Fertigungsindustrie muss immer individuellere Produkte liefern.
Stellschrauben für die Industrie-4.0-Strategie
KPMG nennt fünf Punkte, an denen die Fertigungsindustrie ansetzen muss:
1. Strategie
"Stellen sie sicher, dass sie die richtigen Dinge messen, kontrollieren und berichten", empfiehlt KPMG Entscheidern. Industrie 4.0 darf nicht als Technologie-Thema gelten. Unternehmen müssen interne Silos aufbrechen, um die Auswirkungen ihrer Digitalisierungs-Initiativen im Hinblick auf Umsatz, Gewinn und Kapitalwertentwicklung auf allen Unternehmensebenen zu beobachten.
2. Wert
Pilotprojekte eignen sich für den Aufbau von Industrie 4.0-Fähigkeiten. Fertiger brauchen aber konzernweite Standards. Sie müssen die Erfahrungen aus Pilot- oder Sonderprojekten skalieren, um auf allen Unternehmensebenen Mehrwert zu erzielen.
3. Transformation
KPMG spricht von "massiven Veränderungen" in Unternehmen der Fertigungsindustrie. "Der Anspruch, Kundenwünsche bestmöglich zu erfüllen, macht die Produktionsprozesse komplexer und noch stärker abhängig vom grundlegenden Wissen und Know-how der Belegschaften hinsichtlich Struktur und Interaktion der eingesetzten Systeme", erklären die Consultants. Eine Industrie 4.0-Roadmap beinhaltet daher heutige und künftige Talent- und Leistungsanforderungen. Das gehe nicht ohne ein "robustes Change Management-Programm", so KPMG.
4. Produkte
Fertigungsunternehmen befinden sich auf dem Weg vom Produkthersteller zum Dienstleister, sagt KPMG. Bisher aber beziehen die meisten Unternehmen IoT-Lösungen nur auf die Produktionsabläufe, nicht auf intelligente Produkte und intelligente Prozesse. Das können sie mittels durchgängiger Applikationen ändern. Jede Industrie 4.0-Strategie muss das Management des kompletten Produktlebenszyklus einbeziehen.
5. Lieferkette
Hier muss der Weg von der Lieferkette zum Wertschöpfungsnetzwerk verlaufen, fordert KPMG. Ziel ist, Lieferanten und Partner in die eigene Industrie 4.0-Umgebung einzubinden. Wenn die verschiedenen Akteure Daten teilen, werden Entscheidungen transparenter und alle Beteiligten können schneller reagieren. Das steigert die operative Kapitalflexibilität. KPMG betont, dass Datenschutzfragen im Raum stehen. Es muss geklärt sein, wem Daten von Endkunden "gehören" und wer Zugriff darauf hat.
Die Digitalisierung ist ein Kraftakt, räumt KPMG ein. Die Consultants erklären: "Industrie 4.0-Kompetenz gibt es nicht von der Stange; sie erfordert Arbeit und eine intelligente und strategische Roadmap."