iPad & Co. am Arbeitsplatz

Strategie gegen die Schatten-IT

15.11.2010 von Nicolas Zeitler
Management und Millennials schleppen private Smartphones und Tablets ins Unternehmen. Verbote bringen nichts. CIO Jesper Doub Bauer Verlag berichtet, wie er die Gerätevielfalt unterstützt.

Jesper Doub stellt sich nicht gern hinten an. Der CIO der Bauer Media Group sitzt im Taxi zum Flughafen Hamburg: Eine Dienstreise zum Redaktionssitz des "Heat Magazine" in London steht an. Vom Rücksitz aus checkt Doub über die Lufthansa-App auf seinem iPhone ein - und spart sich 20 Minuten Warterei am Schalter. Mit seinen 40 Jahren zählt der IT-Chef zwar nicht mehr zur Gruppe der sogenannten "Millennials": Menschen bis Anfang 30, die mit leistungsstarken Handys und Computern aufgewachsen sind und damit auch arbeiten wollen. Doch der CIO teilt deren Einstellung. Er sagt: "Dass die Leute diese Geräte mit ins Unternehmen bringen, werde ich sowieso nicht verhindern. Also gestalte ich die Entwicklung lieber mit."

Jesper Doub, CIO bei der Bauer Media Group: "Dass junge Mitarbeiter iPads ins Unternehmen bringen, werde ich sowieso nicht verhindern. Also gestalte ich die Entwicklung lieber mit."
Foto: Frank Peters

Der IT-Chef des Medienhauses, das unter anderem "TV Movie", "Bravo" und "In Touch" herausgibt, hat keine Lust, Gerätepolizist oder Spaßbremse zu sein. Private Smartphones oder die boomenden Tablets zu verbieten wäre ohnehin ein Kampf gegen Windmühlen. Das zeigt ein Blick auf die junge Generation, die in die Unternehmen drängt. Laut einer Befragung von Accenture ist für mehr als ein Drittel der 18- bis 27-Jährigen ein Kriterium für die Auswahl des Arbeitgebers, dass er ihnen neueste Smartphones und Rechner stellt. Bietet das Unternehmen im Standardwarenkorb für die Arbeitshardware kein iPhone oder iPad an, bringen technikaffine Mitarbeiter ihre eigenen Geräte mit.

CIOs nutzen iPad privat und im Büro

Wie die Generation Y arbeiten will.

Und nicht nur sie: Neben der Internet-Generation wollen auch "Manager der C-Ebene" mit Geräten eigener Wahl arbeiten, beobachtet Rüdiger Spies vom Beratungshaus IDC. Dass unter den Besitzern der laut Apple bisher rund 3,3 Millionen verkauften iPads viele CIOs sind, legt eine weltweite Befragung unter 600 IT-Managern nahe. Jeder Vierte von ihnen hat schon eines der Apple-Geräte in seinem Besitz oder zumindest bestellt. Deutlich wird aus der "Apple Consumer and Enterprise Survey" des Beratungsunternehmens ITIC aus Boston auch: Fast alle IT-Führungskräfte, die ein iPad haben, nutzen es sowohl privat als auch geschäftlich. Wer selbst ein eigenes Gerät mit in die Firma bringt, kann das auch seinen Mitarbeitern schwer verbieten.

Die meisten CIOs haben denn auch erkannt, dass die totale Blockade nichts bringt. Die Gruppe der Verweigerer sei äußerst klein, sagt Thomas Hansen. Er ist Geschäftsführer Technology Consulting bei Accenture. Am ehesten sperrten sich noch Unternehmen aus Handel und Industrie gegen die Consumerisierung der IT. Der größte Teil der Unternehmen fahre einen anderen Kurs: Sie propagieren die Arbeit mit iPads oder privaten Smartphones zwar nicht, dulden sie aber. Eine dritte Gruppe fördere den Einsatz solcher mobiler Endgeräte. "Und der Anteil dieser Firmen, die das Thema aktiv angehen, wächst", sagt Hansen.

Jesper Doub mit seinem Apple iPad.
Foto: Frank Peters, Hamburg

Zu den IT-Chefs, die den Einsatz von iPad und Co. vorantreiben, zählt auch Jesper Doub. Der Bauer-CIO macht keinen Hehl daraus, dass er Gefallen an Apples Tablet und dem iPhone gefunden hat. "Für den Medienkonsum, Mails oder in Meetings nutze ich überwiegend diese Geräte", sagt er. Folglich hat Doub Verständnis für Mitarbeiter, die bei Bauer ihr privates Netbook oder iPad einsetzen wollen, das sie "cool und nützlich" finden.

iPhone ist Standardgerät, iPad nicht

Ein weiteres Motiv dafür, dass Doub vor allem Geräte wie das iPad im Unternehmen etablieren will, liegt im Geschäft seines Arbeitgebers - und von dessen Konkurrenten. Springer hat schon Ende 2009 eine iPad-Offensive angekündigt und mittlerweile außer der Welt-App auch das eigens fürs Apple-Gerät produzierte Magazin "The Iconist" herausgebracht. Auch die Bauer Media Group bietet mittlerweile eigene Inhalte für das iPad an. Die Leser von "TV Movie" können sich per App übers aktuelle Fernsehprogramm kundig machen. Für das Food-Magazin "Lecker" hat der Verlag eine Sonderausgabe zusätzlich zum gedruckten Heft als App produziert.

Zehn Apps bietet die Mediengruppe in Deutschland und anderen Ländern zurzeit an, weitere sind gerade in der Entwicklung. Für Doub ist das Grund genug, die Mitarbeiter an den alltäglichen Umgang mit dem iPad zu gewöhnen. "Ein Redakteur, der selbst Erfahrung damit hat, hat eine ganz andere Einstellung gegenüber App-Angeboten", sagt er. Und gerade für die Darstellung von Medieninhalten seien Apples Geräte viel besser geeignet als etwa der Blackberry - der habe seine Stärke eher bei textintensiven Anwendungen.

Je nachdem, was ein Mitarbeiter bei der Bauer Media Group braucht, kann er sein Smartphone auswählen. Wer als sogenannter "Datennutzer" geführt wird und damit Anspruch auf ein dienstliches Smartphone hat, hat die Wahl zwischen fünf Gerätetypen. Neben Blackberry-Modellen enthält der Warenkorb mittlerweile auch das iPhone. Viele Mitarbeiter nutzten das Apple-Telefon, der Blackberry sei aber nach wie vor weiter verbreitet, sagt Jesper Doub.

Was Tablets angeht, hinkt die Realität anders als beim iPhone noch den Wünschen des CIOs hinterher. Das iPad oder gar Tablets anderer Hersteller werden noch nicht als Standardarbeitsgeräte geführt. Die 30 Geräte, die im Verlag im Umlauf sind, wurden jeweils einzeln für bestimmte Abteilungen oder Mitarbeiter gekauft. Außerdem vermutet Jesper Doub, dass zusätzlich eine Handvoll Mitarbeiter regelmäßig ihre privaten Tablets zur Arbeit im Verlag nutzen. Zudem weiß er von Kollegen, deren Ansprüchen die verfügbaren Firmen-Smartphones nicht genügen. "Wir haben hier einige, die mit eigenen Android-Smartphones arbeiten."

Hardware - privat kaufen, im Büro nutzen.

Dass sie ohne Wissen der IT-Abteilung mit eigenen Geräten arbeiten, ist laut der Millennials-Studie von Accenture ein typisches Verhaltensmuster von Angehörigen dieser Generation - viele haben noch dazu nur ein geringes Bewusstsein für Sicherheitsprobleme, die dadurch entstehen. Die Folge: Es bildet sich eine "Schatten-IT", wie die Verfasser der Accenture-Studie schreiben. Besonders drastisch veranschaulicht eine Umfrage von IDC im Auftrag des Dienstleisters Unisys dieses Phänomen. Von fast 1000 befragten Angestellten in Deutschland, Großbritannien, Belgien und den Niederlanden sagten 95 Prozent, dass sie zum Arbeiten mindestens ein Endgerät nutzen, das sie privat angeschafft haben. Von den deutschen Umfrageteilnehmern nutzen 31 Prozent geschäftlich ein Smartphone. Sie tun das häufig ohne Wissen des IT-Chefs. Denn von den parallel befragten CIOs gaben nur 14 Prozent an, Mitarbeiter in ihrem Unternehmen nutzten ein Smartphone.

Mix aus Privat- und Geschäftsdaten

Jesper Doub weiß um diesen Schattenbereich und will ihn ausleuchten. Für den Einsatz privater Geräte hat er bei Bauer Media die Regel aufgestellt: Wer ein privates Gerät wie beispielsweise ein Android-Smartphone über den Microsoft-Exchange-Server und Active-Sync mit Daten seines Arbeitsplatzes synchronisieren will, kann das nur nach vorheriger Anmeldung des Geräts. "Dazu reicht eine kurzer Mail-Workflow - wichtig ist, dass wir Bescheid wissen", sagt CIO Doub.

Das freilich ändert nichts daran, dass auf Geräten, die Mitarbeitern gehören, Privates mit Geschäftsdaten vermischt wird - "ein großes Problem", wie Thomas Hansen von Accenture sagt. Jesper Doub räumt ein, dass er auf diese Frage noch keine endgültige Antwort habe. Derzeit jedenfalls sei es bei Bauer nicht erlaubt, dass ein Mitarbeiter auf seinem privaten Endgerät Kundendaten oder eine Präsentation über die finanzielle Situation des Verlagshauses mit sich herumträgt. Doub weiß aber, dass er eine solche Richtlinie nicht auf Dauer aufrechterhalten kann. Sobald sie fällt, ist das Unternehmen gezwungen, sich anders abzusichern. Wer auf dem eigenen mobilen Gerät sensible Firmendaten transportiert, müsste dann beispielsweise unterschreiben, dass er bei Diebstahl oder Verlust der Löschung aller Daten zustimmt.

Blackberry-Smartphones lassen sich von fern löschen, sofern ein Unternehmen den Blackberry-Enterprise-Server nutzt. Auch Daten auf einem iPhone lassen sich per "Remote Wipe" aus der Ferne ausradieren, wenn das Gerät mit einem Microsoft-Exchange-Konto konfiguriert ist. Weg sind bei Privatgeräten dann neben den Geschäfts-Mails unter Umständen aber auch Urlaubsfotos und die Lieblingsmusik. Bei der Bauer Media Group wird über die Vorgehensweise bei einem solchen Fall noch diskutiert. "Zurzeit habe ich dafür noch keine Lösung", sagt Jesper Doub.

Erst in der Planung sind auch neue Support-Modelle. Denn mit der Gerätevielfalt wächst die Zahl möglicher Fehlerquellen. "Je mehr unterschiedliche Geräte im Einsatz sind, umso mehr Unbekannte gibt es, die Probleme verursachen können", sagt Rüdiger Spies von IDC. Unvermeidbar sei, dass die Support-Kosten steigen, wenn Mitarbeiter neben standardisierter Firmenhardware ihre privat angeschafften Geräte einsetzen. "Das muss jeder CIO der Unternehmensleitung ehrlich sagen", mahnt Spies - und ergänzt: "Ich kann völlige Freiheit bei der Auswahl mobiler Geräte nicht empfehlen." Auch Thomas Hansen von Accenture warnt vor zu viel Offenheit. Im Sinne niedriger Wartungskosten müsse ein Unternehmen "die Zahl der Arbeitsplatztypen begrenzen".

Jesper Doub: "Wir setzen ein Wiki auf, in dem sich Mitarbeiter bei Problemen mit ihren Geräten gegenseitig helfen."

Wer private iPhones und iPads zulasse, dem bleibe nur eines: den Support klar zu begrenzen. "Man muss den Leuten sagen: Bei Fehlern in Anwendungen springen wir ein, aber Störungen am Gerät selbst beheben wir nicht", beschreibt Hansen einen möglichen Ansatz.

So sieht das auch Doub. Bei Bauer Media gilt die Regel: Wer mit einem privaten Gerät arbeitet, hat keinen Anspruch auf Support. Auch künftig wird es keine Rundumbetreuung für iPhones, alle möglichen Android-Telefone und bald auch verschiedene Tablet-Typen geben. Stattdessen propagiert Doub um der Gerätevielfalt willen Self Services: "Wir werden ein Wiki aufsetzen, in dem sich die Mitarbeiter bei Problemen gegenseitig helfen", berichtet er. Der Bauer-CIO sieht in dem Modell eine neue Nutzungsphilosophie: "Ich bin überzeugt, dass wir den Leuten mehr zutrauen können als heute."

Mitarbeiter kaufen Hardware selbst

Mehr Mündigkeit als bisher traut Jesper Doub der Belegschaft bei der Bauer Media Group nicht nur beim Support, sondern schon bei der Anschaffung elektronischen Arbeitsgeräts zu. Derzeit entscheiden sich die Mitarbeiter für einen von drei Laptop-Typen und zwischen fünf verschiedenen Smartphones. Mehr bietet das Unternehmen im Standardwarenkorb nicht an.

Der CIO wünscht sich für die Zukunft einen neuen Ansatz: Wem keines der angebotenen Geräte zusagt, der kauft sich für einen Zuschuss vom Verlag selbst mobile Hardware nach eigenem Gusto. Mit dieser Idee hat Jesper Doub mehr Vertrauen in seine Anwender als etwa Analyst Rüdiger Spies. Der sagt: Mit welchem Endgerät die Belegschaft morgens zu Arbeit antrete, könne man ihr nicht völlig selbst überlassen. EineVorauswahl müsse der Arbeitgeber auf jeden Fall treffen. "Die meisten Leute kennen sich nicht gut genug aus, um selbst das für das Unternehmen am besten geeignete Arbeitsgerät auszuwählen", ist der Berater überzeugt.

Das Konzept "Bring your own PC" werde sich unter anderem aus diesem Grund in Deutschland auch nicht so bald durchsetzen. "Das ist in den USA zwar ein breiter werdender Trend, aber in Europa haben die CIOs diesbezüglich noch Schonfrist", sagt Spies.

Kein App-Standard in Aussicht

Die strategische Ausrichtung der Bauer Media Group.

Entgegen der Skepsis des IDC-Analysten belegt eine Untersuchung aus seinem eigenen Haus allerdings sehr wohl die Offenheit gegenüber neuen Beschaffungsmodellen. In der von Unisys beauftragten Studie gaben 40 Prozent der deutschen IT-Leiter an, sie böten Mitarbeitern finanzielle Unterstützung, wenn die selbst Arbeitsgerät kaufen. Für Jesper Doub stellt sich bei diesem Einkaufsmodell allenfalls die Frage, in welcher Form Unternehmen ihren Mitarbeitern das Budget für den Hardware-Kauf zur Verfügung stellen. "Legt man einen bestimmten Betrag fest, könnte sich ein Mitarbeiter ja bewusst ein untertouriges Gerät kaufen, das gerade noch zum Arbeiten taugt, und den Rest des Geldes für den nächsten Urlaub verwenden", gibt Doub zu bedenken.

Stärker als diese Frage treibt ihn allerdings die Entwicklung des Tablet-Markts um. Mehr als 20 iPad-Rivalen sind für die nahe Zukunft angekündigt (siehe iPad-Sonderheft, Seite 6). Dass es bei der Vielfalt schon bald Apps geben wird, die auf allen Tablets laufen, glaubt Doub nicht, auch wenn er sich angesichts von Tablet-Angeboten der Bauer Media Group für die nahe Zukunft einen "Magazin-Standard" wünscht.

Was den Zugriff auf Unternehmensanwendungen über neuartige mobile Geräte angeht, hält Doub den Fortgang der Arbeitsplatzvirtualisierung für entscheidend. Wenn Mitarbeiter über Browser-Anwendungen mit Daten in der Cloud arbeiten, sei letztlich unwesentlich, mit welchem Gerät sie das tun - solange es Verbindung zum Internet hat und die Inhalte lesbar darstellt. Aus der Sicht von Thomas Hansen von Accenture wird diese Entwicklung so weit führen, dass mobile Endgeräte künftig nicht viel mehr sind als "User Interfaces" - Eingabegeräte mit Browser. Das wird umso wahrscheinlicher, je besser auch komplexe Anwendungen für iPad und Co. verfügbar sind. Der deutsche Softwarehersteller Nextevolution etwa hat bereits zwei Demo-Anwendungen vorgestellt, mit denen Entscheider vom iPad aus aufs SAP-System zugreifen können.

Im Zuge der Arbeitsplatzvirtualisierung wird Jesper Doub die Arbeit mit Tablets weiter fördern. Die Umsetzung all seiner Ideen bei der Bauer Media Group wird er allerdings nicht mehr miterleben. Doub wird schon bald wieder übers iPhone einchecken. Dann aber für eine Reise ohne Rückflugticket: Der CIO verlässt Ende des Jahres die Bauer Media Group und wechselt als IT-Verantwortlicher zur Mediengruppe M. DuMont Schauberg in Köln.

Unternehmen

Bauer Media Group

Hauptsitz

Hamburg

Umsatz

2,06 Milliarden Euro (Hochrechnung 2009)

Mitarbeiter

ca. 9000 weltweit

IT- Kennzahlen

Bauer Media Group

IT-Benutzer

3500 (Deutschland)

IT-Budget

25–30 Mio. Euro (Deutschland)

CIO

Jesper Doub