Um das Problem zu verdeutlichen, setzen die McKinsey-Berater auf Fallbeispiele. Etwa das einer europäischen Großbank: Dort litt die IT-Strategie unter den gegenläufigen Wünschen der Führungskräfte. Der Chef des Bereiches Einzelhandel verlangte neue IT-Systeme, um die Kundenbeziehungen zu verbessern. Der Vorstandsvorsitzende setzte auf Konsolidierung innerhalb der Organisation. Der CIO wollte dagegen die wichtigsten Anwendungen und IT-Systeme des Finanzhauses auf Vordermann bringen.
Genau für solche Fälle war die interne Governance definiert worden: Ein Komitee sollte die verschiedenen Vorstellungen gegeneinander abwägen und Prioritäten setzen. Allerdings kam den Beteiligten im Verlauf des haarklein definierten Procederes der Blick für das große Ganze abhanden. Das Gremium war nicht in der Lage, die widerstrebenden Vorstellungen in der Chefetage auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Mehr Governance schafft mehr Probleme
Es mangelte, so die Schlussfolgerung der Berater, an Führungsstärke. An einem starken CIO, der mit einer klaren Vision und Überzeugungskraft die unterschiedlichen Standpunkte versöhnen konnte. Denn Schwierigkeiten lassen sich nicht durch mehr Governance lösen. Sie macht die Entscheidungsfindung nur noch komplizierter – aber nicht besser. Die Bank litt an einem Führungsvakuum, hohen IT-Kosten und Schwierigkeiten, die IT weiterzuentwickeln.
In einer anderen europäischen Bank, das berichten die McKinsey-Berater, lag der Fall anders. Der dortige CIO schaffte es durch Management-Tugenden die divergierenden Vorstellungen zusammenzuführen. In seinem Institut gebe es weniger gravierende Konflikte über IT-Investitionen, da die Rolle der IT auf die der Unternehmensbedürfnisse abgestimmt ist.
Das Erfolgsgeheimnis dieses CIOs liegt offenbar in dem, was man den kurzen Dienstweg nennt. Der IT-Leiter pflegte enge Arbeitsbeziehungen zu den Führungskräften der anderen Abteilungen und konnte die Entscheidungsfindung vorantreiben, weil er sich nicht an einer Reihe vorgeschriebener Meetings abarbeiten musste.
Vertrauen entscheidend
Die Zusammenarbeit profitierte auch davon, dass sich der CIO mit Inhalten und Begriffen der Geschäftswelt bestens auskannte und seine Vorhaben entsprechend planen und an die Kollegen kommunizieren konnte. Er fasste verschiedene Entscheidungsgremien in einem zentralen Komitee zusammen, das über die zentralen Fragen entschied.
Die Schlussfolgerung: Führungsstarke Persönlichkeiten können etwas schaffen, das kein noch so ausgefeiltes Governance-System bewerkstelligen kann: Vertrauen. Ohne Führungspersönlichkeiten gleiche die Governance einem Auto ohne Motor.
Die oberste Management-Ebene müsse entsprechend begabte Persönlichkeiten auf die Position des IT-Leiters berufen. Das Management sollte den CIO unterstützen und die Governance an seine Bedürfnisse anpassen– nicht umgekehrt. Nur so könne Verantwortung eindeutig verortet werden.
Manche Unternehmen gehen im Bemühen um eine übereinstimmende IT- und Geschäftsstrategie so weit, dass sie die IT-Goverance in die Governance-Prozesse des gesamten Unternehmens mit einbeziehen. Bei einem großen europäischen Versicherer beispielsweise entscheiden die Vorstandsmitglieder nicht nur über die wichtigsten Unternehmensstrategien, sondern auch über das Gros der IT-Investitionen. Auch dies ein Weg um zentrale Fragen, etwa die nach der Rolle der IT im Unternehmen, nicht aus dem Blickfeld zu verlieren.
Dem CIO den Rücken stärken
Die McKinsey-Berater haben drei Empfehlungen für Unternehmen formuliert, durch die sie den gewünscht führungsstarken CIO finden und aufbauen können:
1. Kreativität bei der Personalauswahl: Die Suche nach der richtigen Person für den Posten des CIOs ist nicht einfach. Er muss sowohl Entscheidungen im gesamten Unternehmen kommunizieren und durchsetzen können, als auch von der IT-Abteilung akzeptiert werden. Manche Finanzinstitute aus den USA und Europa beschränken sich bei der Rekrutierung des CIOs deshalb nicht auf IT-Fachleute. Bei ihnen bekleidet beispielsweise der CFO (Chief Financial Officer) oder ein COO (Chief Operating Officer) den Posten des IT-Leiters. Ein weltweit agierender Energieversorger setzt auf das Prinzip Rotation: Führungskräfte aus anderen Abteilungen arbeiten für eine begrenzte Zeit an der Spitze der IT um später wieder ins laufende Geschäfts zurückzukehren.
2. CIOs unterstützen: Um die nötige Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft zu haben, sollte der CIO Mitglied des Vorstands sein. Schließlich ist der ideale CIO nicht ausführendes Organ, sondern Teil der Führungsmannschaft. Um die Position des IT-Leiters zu stärken, so ein Vorschlag der McKinsey-Berater, könnte ihm sogar ein Vetorecht eingeräumt werden. So können Projekte verhindert werden, die nicht mit der derzeitigen IT-Architektur vereinbar sind. Ein europäisches Telekommunikationsunternehmen übertrug dem CIO sogar die Entscheidungshoheit über alle Geschäftsprozesse.
3. Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen: Damit Diskussionen nicht in Grundsatzdebatten enden, sollte die IT-Strategie präzise und spezifisch formuliert sein. Auch können Erfolgsvariablen neu angepasst werden: So hat ein Telekommunikationsdienstleister die Vergütung des CIOs an den Unternehmenserfolg gekoppelt, nicht an technische Indikatoren.