Zum Jahreswechsel wird für Millionen Haushalte in Deutschland der Strom teurer. Nach Angaben des Vergleichs- und Vermittlungsportals Verivox haben 506 der 820 örtlichen Stromversorger Preiserhöhungen von durchschnittlich 6 Prozent angekündigt. Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden müsse mit Mehrkosten von durchschnittlich 71 Euro pro Jahr rechnen.
Und die Welle der Preiserhöhungen ist damit wohl noch nicht zu Ende. Verivox rechne auch 2020 damit, dass im weiteren Jahresverlauf Preiserhöhungen folgen werden, sagte ein Sprecher.
Unterschiede zwischen den Bundesländern
Die Preiserhöhungen der Grundversorger fallen je nach Bundesland unterschiedlich aus. Während in Berlin und Hamburg nach Verivox-Auswertungen bislang keine Erhöhungen angekündigt sind, steigen sie in den Flächenländern im Durchschnitt zwischen 4,2 Prozent in Schleswig-Holstein und 6,6 Prozent in Hessen sowie dem Saarland und Bremen. In den bevölkerungsreichen Bundesländern NRW und Bayern beträgt das Plus demnach 6,2 Prozent beziehungsweise 5,5 Prozent.
Die Angaben zu den Preiserhöhungen betreffen Haushalte, die Strom in einem Grundversorgungstarif beziehen. Laut Bundesnetzagentur sind das etwa 27 Prozent aller Privathaushalte in Deutschland. Strom in der Grundversorgung ist in der Regel der teuerste Tarif. Die Grundversorger sind verpflichtet, Preiserhöhungen zu veröffentlichen.
Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 sind von den Preiserhöhungen rund 3,9 Millionen Haushalte betroffen, die Strom aus der Grundversorgung beziehen. Aber auch die Preise bei alternativen Anbietern legen nach Angaben des Portals zu, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in der Grundversorgung. Im Dezember zahlten Haushalte demnach bei alternativen Anbietern durchschnittlich zwölf Prozent weniger als in der Grundversorgung.
Gestiegene Umlagen und Netzgebühren
Als Grund für die Strompreiserhöhungen gaben die Versorger gestiegene Umlagen und Netzgebühren an. Die EEG-Umlage, über die der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert wird, steigt zum Jahreswechsel um rund 5 Prozent auf 6,756 Cent je Kilowattstunde. Sie macht rund 22 Prozent des gesamten Strompreises aus. Auch die Gebühren für die Stromnetze, auf die ein weiteres knappes Viertel des Gesamtpreises entfällt, steigen - allerdings regional unterschiedlich. Die Mehrheit der Netzbetreiber in Deutschland hat Verivox zufolge Erhöhungen von rund 6 Prozent angekündigt.
Dabei kaufen die Stromversorger den Strom nach Beobachtungen der Vergleichsportale derzeit viel günstiger ein als noch Anfang 2019. Laut Check24 sind die Großhandelspreise für Strom zwischen Januar und Dezember 2019 um rund 32 Prozent gesunken. "Obwohl der Großhandelspreis für Strom rund ein Drittel niedriger ist als vor einem Jahr, müssen Stromkunden weiterhin Rekordpreise zahlen", sagte Lasse Schmid, Geschäftsführer Energie bei Check24.
Haushaltsstrom in Deutschland so teuer wie nirgends sonst
Haushaltsstrom ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nirgends in Europa so teuer wie in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2019 habe bei einem Jahresverbrauch zwischen 2500 und 5000 Kilowattstunden der Preis pro Kilowattstunde 30,88 Cent betragen. Das war gut ein Cent mehr als im 1. Halbjahr 2018. Die Bundesregierung will die Bürger als Ausgleich für steigende CO2-Preise ab dem Jahr 2021 unter anderem beim Strom entlasten. Dazu soll die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms deutlich gesenkt werden. Für einen Durchschnittshaushalt bedeutet das nach Berechnungen der Regierung eine Entlastung von 63 Euro im Jahr 2021 und von 103 Euro 2025 bei einem dann höheren CO2-Preis und Mehreinnahmen des Staates.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer kritisierte am Sonntag, dass der "Staat der größte Preistreiber beim Strom" sei. "Die FDP-Fraktion fordert deshalb ein Ende der Dauersubventionen nach dem EEG. Zudem müssen Union und SPD schnellstens die Stromsteuer senken, damit Strom für die Bürger bezahlbar bleibt", so Theurer.
Für den Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sind die Versorger die Schuldigen: "Wir haben es offensichtlich mit dem altbekannten Phänomen zu tun, dass Steigerungen bei den Umlagen und Entgelten weitergegeben werden, aber gesunkene Großhandelspreise nicht." Die Bundesregierung müsse dieser "Rosinenpickerei der Versorger gerade bei der Grundversorgung" einen Riegel vorschieben. (dpa/ad)