In London hat die Zukunft bereits begonnen. Wer mit einem benzin- oder dieselgetriebenen Auto an Arbeitstagen und während der Bürostunden in die Innenstadt fahren möchte, muss sich erst für die so genannte congestion charge registrieren und dann eine Citymaut in Höhe von 10 Pfund pro Tag – umgerechnet knapp 12 Euro - entrichten. Ausgenommen davon werden lediglich Motorräder, Busse und Taxen, Feuerwehr-, Polizei- und Krankenwagen sowie Ökomobile: Autos, die weniger als 100 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer ausstoßen sowie Fahrzeuge mit einem Hybrid- oder Elektroantrieb erhalten ein "Greener Vehicle Discount" auf die Citymaut von 100 Prozent.
Die Londoner Stadtverwaltung hatte die Straßenbenutzungsgebühr vor zehn Jahren in erster Linie eingeführt, um die vielen Verkehrsstaus in der Innenstadt einzudämmen. Inzwischen aber wird die congestion charge auch als Maßnahme propagiert, die Luftverschmutzung einzudämmen. Einige europäische Großstädte - Mailand, Bologna, Stockholm - sind inzwischen dem Beispiel Londons gefolgt. Auch in Österreich und in Deutschland machen sich Umweltschützer seit Jahren für eine Citymaut stark, bislang allerdings ohne großen Erfolg.
Doch der Druck wächst: Die EU-Kommission in Brüssel macht den Autoverkehr für die schlechte Luftqualität auch in deutschen Ballungsgebieten verantwortlich und hat von den betroffenen Großstädten erst in diesem Frühjahr wieder Maßnahmen gefordert, um vor allem die Belastung der Luft mit Feinstaub und Stickstoffoxiden deutlich zu reduzieren. Bis spätestens 2015 müssen die strengen Grenzwerte der EU eingehalten werden. Andernfalls drohen den ohnehin schon finanziell klammen Kommunen saftige Geldstrafen.
Diesel sind der Star im Fuhrpark - noch
Vor allem Dieselautos nimmt EU-Umweltkommissar Janez Potocnik aufs Korn. Seit 1995 ist der Anteil der Selbstzünder an den Neuzulassungen in Deutschland stetig gewachsen, von einst 14,6 Prozent auf inzwischen über 50 Prozent. Unter den gewerblich betriebenen Fahrzeugen ist der Dieselanteil sogar noch wesentlich höher. In einigen Fuhrparks kommen sie schon auf über 80 Prozent.
Kein Wunder: Dieselkraftstoff ist dank steuerlicher Subventionen im Schnitt zehn Cent günstiger als Benzin. Und die Benzinkosten sind 2005 um fast 40 Prozent gestiegen. Der Druck auf die Fuhrparkmanager ist enorm. Zu der Kostenexplosion beim Treibstoff kommen Versicherungen, Steuern und Reparaturen, deren Kosten in den vergangenen zehn Jahren nach einer Studie von Lease Trend um 35 Prozent gestiegen sind. Wer jeden Cent zweimal umdrehen muss, dem kommen die modernen, hochaufgeladene Dieselmotoren gerade recht, denn sie verbinden einen niedrigen Spritkonsum mit einem hohen Maß an Fahrfreude. Die Fahrer wollen schließlich auch zufriedengestellt werden, und das gestaltet sich bei den immer strikteren Vorgaben der Unternehmen zunehmend schwierig.
Die Stunde der Stromer hat geschlagen
Die Car Policy vieler großer Flottenbetreiber schreibt inzwischen strikte CO2-Obergrenzen vor. Mitarbeiter, die partout einen Benziner als Dienstwagen fahren möchten, werden mit einem Bonus-/Malus-System zu hohen Zuzahlungen aus der Privatschatulle verpflichtet. Die Folge: Die Dienstwagen werden mit jeder Generation wieder einen Tick kleiner - und haben inzwischen fast ausnahmslos einen Dieselmotor unter der Motorhaube.
Doch der Siegeszug des Dieselfahrzeugs neigt sich dem Ende entgegen. Die systembedingt höheren Stickoxid-Emissionen und die strikten Grenzwerte der EURO-6-Norm, die ab 2015 gelten, zwingen die Autohersteller zu sehr aufwändigen Systemen der Abgasreinigung und -nachbehandlungen. Das macht die Autos immer teurer und lässt speziell kleinere Dieselfahrzeuge unwirtschaftlicher werden - für den Fahrzeughersteller ebenso wie für den Halter. Denn die Autobauer werden die Mehrkosten an ihn weitergeben. Gleichzeitig wächst der Druck von politischer Seite: Umweltzonen werden vergrößert, die Konditionen für die Einfahrerlaubnis verschärft.
Einen Ausweg zeigen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, also Autos, die beispielsweise mit Erdgas betrieben werden oder die dank Elektromotor und Batterie zumindest Teilstrecken elektrisch und damit emissionsfrei bewegt werden können. Bislang spielen derartige Fahrzeuge in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Nur gute 21.000 oder 0,9 Prozent der Autos, die 2012 neu zugelassen wurden, besaßen einen Hybridantrieb. Und nur 5000 Fahrzeuge der insgesamt drei Millionen Neuzulassungen waren für eine Betankung mit Erdgas vorgesehen.
Die Zahlen für die reinen Stromern ernüchtern noch mehr. Von Januar 2011 bis Februar 2013 wurden hierzulande knapp 6.000 Pkw mit Elektroantrieb neu zugelassen. Allerdings - und das ist die gute Nachricht - seit Juni 2012 in jedem Monat ein wenig mehr und - bereits 45 Prozent aller zugelassenen Elektroautos sind in deutschen Fuhrparks zu finden.
Die Chancen, dass ihre Zahl in den nächsten fünf bis 20 Jahren kräftig ansteigt, steht nach Meinung von Dataforce, ein Marktforschungsunternehmen, das seit 1993 Daten über den Flottenmarkt in Deutschland erhebt, gut. Aktuell nutzen nach einer Studie der Fuhrparkexperten 14 Prozent der Unternehmen andere Antriebe als Benzin und Diesel. Am beliebtesten sind dabei Erdgasantriebe, die von mehr als der Hälfte der Unternehmen eingesetzt werden, die sich für die Nutzung alternativer Antriebe entschieden haben. "Hybrid- und Elektroantriebe kommen hier auf 23 bzw. 13 Prozent, allerdings mit stark steigender Tendenz", erklärt Benjamin Kibies von Dataforce.
Noch zu wenig Erfahrungen
Gerade größere Flotten stünden der Antriebsart sehr aufgeschlossen gegenüber. "Etwa 60 Prozent der Fuhrparkleiter in Unternehmen mit Flotten ab 100 Pkw können sich vorstellen, Elektrofahrzeuge anzuschaffen oder hatten zum Zeitpunkt der Umfrage im Jahr 2011 bereits solche im Einsatz." Heike Proff, Automanagement-Professorin an der Uni Duisburg-Essen glaubt das der Trend zum Firmenelektroauto noch lang anhalten werde. Auch im Jahr 2020 werden Elektroautos noch zu drei Fünfteln von Geschäftskunden gekauft", sagt sie. Der Grund: Unternehmen, Flottenbetreiber und Vermieter könnten umweltfreundliche E-Mobile und gesetzliche CO2-Vorgaben als Imagewerbung für sich nutzen, so Proff.
Tatsächlich trimmen Flottenmanager ihre Fuhrparks immer stärker auf Umweltverträglichkeit, heute schon das Zeitalter der alternativen Antriebe auszurufen wäre jedoch verfrüht. Neben der eingeschränkten Reichweite sind die größten Hindernisse aktuell vor allem die hohen Anschaffungskosten sowie auch fehlende Erfahrungen mit Reparaturkosten, Alltagstauglichkeit und den am Markt erzielbaren Restwerten derartiger Fahrzeuge, die sich in Summe in hohen Leasingraten niederschlagen: Für einen Monatsbeitrag von über 700 Euro, den etwa ein Opel Ampera im Unterhalt kostet, bekäme man auch locker eine S-Klasse von Mercedes als Dienstwagen. Zudem fehlt in den meisten Unternehmen noch eine für den Betrieb von Elektroautos notwendige Ladeinfrastruktur.
Von den Fahrzeugen ganz zu schweigen: Erst in diesem Jahr kommen in größerer Zahl Hybrid-, Elektro- und Erdgasautos auf den Markt, die alltagstaugliche Reichweiten zu vertretbaren Preisen bieten. Der französische Renault-Konzern zündet bei den Elektroautos mit dem neuen Zoe eine neue Entwicklungsstufe: Zu Preisen um die 20.000 Euro – zuzüglich einer Monatsmiete ab 79 für die Batterie - und mit einer Reichweite von über 150 Kilometern im Alltagsbetrieb wird der Stromer massentauglich. Allerdings: Aufgeladen werden kann der kompakte, viertürige und viersitzige Stromer nicht an einer konventionellen Haushaltssteckdose. Das dürfte seine Verbreitung als Flottenfahrzeug stark bremsen.
Steuerliche Entlastung für Privatnutzung
Eine Zündung für mehr E-Autos in deutschen Fuhrparks dürfte wiederrum von einer rechtlichen Neuerung ausgehen. Dienstwagen sind für ihre Nutzer vor allem dann interessant, wenn sie sie auch privat nutzen dürfen. Die Anschaffung eines Stromers als Firmenwagen soll nach einem Referenzentwurf für das Jahressteuergesetz 2013 finanziell attraktiver werden. Bei der privaten Nutzung muss der Mitarbeiter ein Prozent des Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Da Elektroautos deutlich teurer sind als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, war bisher auch die Steuerbelastung in einem solchen Fall höher. Der Gesetzentwurf sieht vor, diesen Nachteil zu beseitigen, in dem der Bruttolistenpreis um die Kosten für das Batteriesystem gekürzt wird. Falls der privat genutzte Firmenwagen über ein Fahrtenbuch abgerechnet wird, werden die Kosten für das Batteriesystem ebenfalls steuermindernd berücksichtigt.
Hybride werden zur praktikablen Dauerlösung
Die nächsten Entwicklungssprünge im Fuhrpark sind zum Jahresende zu erwarten, wenn die deutschen Autohersteller das Angebot von Hybridfahrzeugen anreichern werden. Der Volkswagen-Konzern bringt gleich mehrere Hybridautos auf den Markt, deren Batterien an der Steckdose wiederaufgeladen werden können. Zudem will Europas größter Autohersteller das Angebot an erdgasbetriebenen Fahrzeugen in diesem und im nächsten Jahr massiv ausbauen. Wichtige Impulse dürften auch Mercedes zum Jahresende mit der neuen Hybridversion der S-Klasse (mit einem Durchschnittsverbrauch von rund drei Litern Sprit) setzen sowie BMW mit dem i3 – das dank Kohlefaserteilen ultraleichte Elektromobil können Autofahrer mit Reichweitenangst gegen Aufpreis mit einem kleinen Benzinmotor als Range Extender ausstatten.
Nach einer Umfrage von Dataforce werden Hybridantriebe in Fahrzeugflotten aktuell die größten Durchsetzungschancen eingeräumt. Gut 44 Prozent der Befragten teilten die Einschätzung, dass sich Hybridantriebe in den nächsten fünf Jahren durchsetzen werden. Auf die nächsten 20 Jahre gesehen verkehrt sich das Verhältnis zugunsten der Elektrofahrzeuge, Hybridantriebe werden dann nur noch als zweitstärkste Variante gesehen.
Auch im Nutzfahrzeuggeschäft sind die alternativen Antriebe auf dem Vormarsch. Elektrogetriebene Transporter werden in Zukunft sicher nicht nur den Verteilverkehr der Deutschen Post in den Städten geräuscharm und emissionsfrei bestreiten. Und Laster und Busse mit Hybridantrieb werden zumindest bei der Fahrt durch die innerstädtischen Kernzonen ohne Verbrennungsmotor auskommen. Die Einführung einer ökologisch ausgerichteten Citymaut wäre dann eigentlich nur noch eine Formsache. Sicher nicht in diesem Jahr oder im nächsten. Aber spätestens 2015 kommt das Thema sicher auch in Deutschland auf die Tagesordnung.
Wollen wir wetten?
(Quelle: Wirtschaftswoche)