Das Tempo nimmt zu. In zwei Jahren wird schon fast jedes zweite Unternehmen mindestens die Hälfte seines Umsatzes außerhalb des Heimatlandes machen. Bisher liegt diese Quote bei rund 30 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die im Auftrag von AT & T durchgeführte Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) "Meeting the Challenges of Global Expansion". Im Fokus der Expansionsstrategien stehen laut Report vor allem China (20 Prozent), die USA (13 Prozent) und Indien (zehn Prozent).
Mit Blick auf diese Pläne erachten deshalb schon heute fast drei Viertel der Unternehmen die weltweite Präsenz ihres Kommunikationsnetzes als "wichtig" oder sogar "sehr wichtig". Wie die EIU-Analysten berichten, ist sich die Wirtschaft durchaus im Klaren, dass Wachstum im Ausland ohne zusätzliche Investitionen nicht umzusetzen ist. Jede fünfte Firma plant deshalb, ihre Ausgaben für Netzwerke in den kommenden zwei Jahren um mehr als 25 Prozent zu steigern.
Investiert wird dabei verstärkt in die Integration der Daten- und Kommunikationsnetze, insbesondere bei Geschäftsausweitungen in nichteuropäische Länder. Denn 13 Prozent der 497 von EIU befragten Führungskräfte sehen gerade in der Integration ein gängiges Problem bei Übernahmen und Fusionen. Als Hauptgrund für das Scheitern bei der Zusammenlegung der Netze nannten die Studienteilnehmer am häufigsten das Alter und die Inkompatibilität der IT-Systeme der beteiligten Unternehmen.
Stellen Unternehmen ihre gesamte Kommunikations-Infrastruktur auf IP-basierte Netze um, haben sie bessere Chancen, die Integrationen auch erfolgreich durchzuführen. In diesem Punkt herrscht Einigkeit unter den Experten. "IP-Netze bieten einen eindeutigen Vorteil. Sie ermöglichen eine flexible, durchgängige und sichere Kommunikation zwischen weltweit verteilten Geschäftseinheiten", fasst Denis Mc-Cauley, Director of Global Technology Research bei EIU, zusammen.
Für Klaus Felsch, Analyst und Partner vom Beratungshaus Oliver Wyman, liegen die Vorteile der neuen Netze auf der Hand: "Es gibt nur eine Infrastruktur, es ist weniger Wartung nötig und die Kosten sinken, vor allem durch standardisierte Komponenten."
"In fünf bis zehn Jahren werden alle TK-Netzbetreiber komplett auf IP-Netze umgestellt haben", prognostiziert der Analyst. Bei den europäischen Anbietern liegen die Planungen schon auf dem Tisch. So will beispielsweise die Telekom das Ziel bis 2012 erreicht haben.
Potenzial für Wettbewerbsvorteile bringt eine IP basierte Infrastruktur auch nach Auffassung von Dan Bieler, Director Consulting, European Telecommunications & Networking bei IDC Central Europe: "Je nach Abschreibungsstand bestehender Lösungen gilt meiner Meinung nach: Je früher man auf IP-Netze umsteigt, umso besser." Nur aus Sicherheitsbedenken beispielsweise nicht umzusteigen sei kein sinnvoller Ansatz.
Scheu vor dem Umstieg
Noch ist die Scheu bei Unternehmen da, auf IP-Technologie umzusteigen. Die Komplexität der Implementierung schreckt viele ab. Dazu kommt die Angst, dabei Fehler zu machen. Nicht nötig, beruhigt Bieler: "Der Kunde kann in gewisser Hinsicht keinen Fehler machen." Seiner Meinung nach ist es Aufgabe der Anbieter, eine vollständige Beratung vor der Umsetzung einer Lösung zu sichern. "Die richtige Planung ist ebenfalls Sache der Anbieter. Das sollte ich als Anwender erwarten können", so der IDC-Analyst.
Auf Anbieterseite gab es einige Veränderungen in den vergangenen Jahren. Ende der neunziger Jahre gingen die Betreiber von Telekommunikationsnetzen daran, global tätige Kunden durch Fusionen oder die Schaffung weltweiter Joint Ventures an sich zu binden. "Diese Aktivitäten sind aber überwiegend im Sande verlaufen", beobachtet Klaus Felsch. Schuld waren seiner Einschätzung nach meist Partikularinteressen sowie Probleme bei der Kommunikation. Heute bestimmen eher nationale Anbieter den Markt, die weltweit mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten.
Dan Bieler von IDC bestätigt: "Der Trend bei den Telcos geht derzeit zu Ad-hoc-Partnerschaften." Das sei aber eher eine Zwischenlösung. Denn, so Bieler: "Die Anbieter sind etwas überfordert mit den Entwicklungen im ITK-Markt." Tiefergehende Partnerschaften und Allianzen seien besser. "Es passiert viel bei der IT, womit sich die traditionellen Telecom-Anbieter nicht sehr gut auskennen", sagt Bieler. Durchlose Partnerschaften würden komplexe Projekte nicht immer adäquat gelöst. Deshalb werden laut Analyst beim Kunden hancen verpasst, Geschäftsprozesse zu verbessern und Kosten zu senken. "Und darum geht es doch."
Kommunikationsprobleme im Markt
Bieler sieht das Grundproblem darin, dass IT-Anbieter und Telcos nicht genug miteinander reden. Das Verständnis für die jeweilige andere Seite bleibt weiterhin beschränkt. "Noch wird zu wenig getan, um die Schnittstellen offener und daher auch sinnvoller zu gestalten", so Bieler.
40 Prozent der für die EIU-Studie befragten Führungskräfte gaben an, den Netzbetrieb ganz oder wenigstens Teile davon auslagern zu wollen. Fragt man nur CIOs und Technikverantwortliche, zeigt sich, dass sich die Begeisterung für das Outsourcing in Grenzen hält: Nur 30 Prozent von ihnen wollen auslagern, 44 Prozent dagegen nicht.
Das wichtigste Argument gegen ein Outsourcing ist die Sorge vor einem Kontrollverlust über das Netz. Auch hier unterscheiden sich CIOs und Technikverantwortliche von der Masse der Befragten. Sie befürchten eher eine Verschlechterung der Servicequalität.
Verantwortlichkeit in eine Hand
Oft erschwert die fehlende Einbeziehung von IT-Experten in frühen Verhandlungsstadien die spätere Integration, wie IDC-Analyst Bieler bestätigt: "Bei Projekten von ITK-Anbietern hinsichtlich der Neuorientierung in Richtung IP-Netze wird leider oft die IT-Perspektive nicht immer ausreichend bedacht."
Hier sind die Unternehmen gefragt. Bisher liegen Telekommunikation und IT in vielen Firmen noch bei verschiedenen Verantwortlichkeiten. "Die Aufgaben müssen aber bei einem Umstieg auf IP-Netze zusammenwachsen", rät Klaus Felsch. Nach Ansicht des Analysten von Oliver Wyman wächst bei einer geplanten Umstrukturierung der Bereich Telekommunikation in das Aufgabenfeld der IT hinein: "Das heißt, die Organisationen werden in den Geschäftsbereich des CIOs integriert."