In der Versorgungsbranche bahnt sich ein Umbruch an. Deutlichstes Zeichen des Wandels ist die Liberalisierung des Strommarktes. Dem Druck der internationalen Konkurrenz ausgesetzt, streben die Konzerne nach Übernahmen oder Kooperationen. Gleichzeitig müssen sie im Inland die politischen Vorgaben, etwa den Atomausstieg, umsetzen. "Wahrscheinlich ist derzeit keine andere Branche in Deutschland mit ähnlich drastischen strukturellen Veränderungen konfrontiert wie der Energieversorgungssektor", ordnet Karsten Leclerque, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), die Lage ein.
Der Wandel zeigt sich auch in der Umsatzentwicklung von RWE. 2002 erwirtschaftete der Konzern noch 60 Prozent des Umsatzes in Deutschland. Im letzten Jahr lag dieser Anteil nur noch knapp über 50 Prozent. Deutlich ausgedehnt wurde das Geschäft in Europa, besonders in Großbritannien. Durch vorangegangene Zukäufe sah der Konzern zudem die Notwendigkeit einer Umstrukturierung, die im letzten Oktober vorgenommen wurde. Die sechs Konzerntöchter gruppieren sich nun um die zentralen Aktivitäten von Herstellung, Einkauf und Verteilung von Strom, Gas und Wasser. Die siebte Tochter, RWE Systems, tritt als interner Dienstleister für Einkauf und IT-Aktivitäten auf.
Zum ersten Januar 2004 hat Chittur Ramakrishnan den Posten des CIO bei RWE übernommen. Der 53-Jährige kam von Siemens, wo er ab 1997 eine vergleichbare Funktion ausfüllte. Doch im Unterschied zur Stellung bei Siemens berichtet Ramakrishnan nun direkt an den Vorsitzenden des Konzernvorstands. Aufgrund der Struktur mit dem schlanken Zentrum RWE AG fallen ihm die Strategieentwicklung und damit eine Richtlinienkompetenz zu. Ramakrishnan steht vor der Aufgabe, die Synergiepotenziale der Auslandsgesellschaften in Nordamerika und Europa nutzbar zu machen.
Zum Teil können die Aufgaben intern von RWE Systems übernommen werden. Dort hatte sich im letzten Jahr nach Spekulationen um einen Verkauf Verunsicherung breit gemacht. Doch die Überlegungen, etwa das Management von Anwendungen auszulagern, sind vom Tisch. Stattdessen fiel die Entscheidung, RWE Systems weiterhin als internen Dienstleister zu nutzen. Denn die Tochter hatte fast ausschließlich als interner Anbieter gearbeitet und allenfalls zehn Prozent des Umsatzes mit externen Aufträgen erwirtschaftet.
RWE Systems bietet ihre Dienste allen RWE-Gesellschaften an, doch die müssen sie nicht nutzen; es existiert also kein Kontrahierungszwang. So hat etwa die für das Wassergeschäft zuständige Thames Water die Betreuung ihrer IT-Infrastruktur an den indischen Dienstleister Wipro übertragen; zum Teil übernehmen die Konzerntöchter auch selbst IT-Aufgaben. Zur Einschätzung der unterschiedlichen Aktivitäten wird derzeit ein konzernweiter Überblick erarbeitet.
Um Aufträge von den anderen Gesellschaften zu erhalten, müssen die IT-Spezialisten sich an den Ausschreibungen beteiligen und ihre Leistungen zu den gängigen Marktkonditionen anbieten. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit der Verträge über zwei Jahre steht die Gesellschaft zudem unter dem Druck, ihre Preise immer wieder am Markt auszurichten.
Zugute kommt RWE Systems jedoch, "dass die Energieversorgungsbranche noch immer recht skeptisch ist gegenüber der Branchenkompetenz externer Dienstleister", konstatiert Leclerque. Das betrifft vor allem spezielle Aufgaben, etwa die Kraftwerkssteuerung. Zudem verschafften bestehende Verträge der RWE Systems bei der Umstrukturierung des Konzerns Vorteile. Nachdem Rheinbraun mit Power zusammengelegt wurde, kam es nicht zu einer neuen Ausschreibung; stattdessen wurden die bestehenden Verträge mit RWE Systems verlängert. Doch in Standardbereichen, etwa der Personalbetreuung und der Lohnbuchhaltung, muss die IT-Tochter sich an der Konkurrenz messen lassen. Je nach Abmachung mit den Auftraggebern sind unterschiedliche Service Level Agreements zu erfüllen. Zumindest im Bereich der Personalbetreuung greifen die übrigen RWE-Gesellschaften jedoch vorzugsweise auf die Dienste des internen IT-Dienstleisters zurück. Dadurch wurde bereits eine weitgehende Vereinheitlichung der Softwareplattform innerhalb des Konzerns erreicht.
Orientiert an den klassischen Aufgaben der IT, teilt sich RWE Systems in drei Bereiche: Die Beratung entwirft für die Kunden die Konzepte zur Organisations- und Prozesssteuerung. Die Entwicklungsabteilung übernimmt die Einführung und Anpassung der Standardsoftware von SAP und Microsoft, entwickelt aber auch eigene Applikationen. In den Bereich der Betreuung fallen der Rechenzentrumsbetrieb, aber auch die Helpdesk-Funktionen.
"Einer der Grundgedanken von RWE Systems besteht in der Vorgabe, Synergien nutzbar zum machen und die Effektivität zu steigern", sagt Helmut Brümmer, Sprecher der Gesellschaft. Das sei in den letzten Jahren auch gelungen: 300 Millionen Euro habe die IT-Tochter einsparen geholfen.