Interview

"Systeme tauscht man nicht zum Spaß aus"

29.11.2006
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Um die Informationstechnik des eigenen Unternehmens auf eine solide Basis zu stellen, bieten sich unterschiedliche Technologien als Plattform-Lösung an.

Neben Windows und Linux-Varianten buhlen etwa Novell Open Enterprise, Sun Solaris, IBM AIX oder HPUX um Unternehmenskunden. Welches sind die wichtigsten Faktoren bei der Auswahl des verwendeten Produktes? Ein Gespräch mit Andreas Hartl, Leiter Plattform Strategie bei Microsoft Deutschland.

Unix-Systeme und proprietäre Lösungen, die Unternehmen selbst programmiert haben, verlieren an Bedeutung. Was folgt auf diese Software-Urahnen?

HARTL In der Tat beobachten wir, dass verstärkt Altsysteme durch Linux oder Windows ersetzt werden. Die Marktforscher von IDC kommen zu der Einschätzung, dass Microsoft bei dieser Ablösung die Nase vorn haben wird. Laut der Analysten wechseln circa 45 Prozent auf Windows-basierte Systeme und 37 Prozent auf Linux.

Welche Chancen hat Microsoft gegen Linux? Für Microsoft- Produkte werden Lizenzgebühren fällig, Linux kostet nichts. Oder stimmt diese Rechnung nicht?

HARTL Meiner Erfahrung nach wird eine Entscheidung nicht mehr nur auf Grundlage kurzfristig spürbarer Effekte wie der Lizenzkosten getroffen. Die Entscheidung für eine neue technologische Plattform ist ja abhängig von den Unternehmenszielen. Niemand tauscht seine Systeme zum Spaß aus. Es geht um die Frage, wie wirtschaftlich eine Lösung ist und welche Vorteile sie bietet. Hier spielen Funktionalität, Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Investitionssicherheit eine Rolle. Auch die Frage, wie verlässlich der Partner und sein Support sind und ob er mir bei einer langfristigen Planung hilft, sollte man bedenken. Wenn Sie aber dezidiert nach den Kosten fragen, würde ich sagen, dass bei so einer Investition die Gesamtkosten das Entscheidende sind. Hier darf man nicht nur die kurzfristig spürbaren Lizenzkosten mit einbeziehen, sondern muss eine Gesamtkostenanalyse durchführen, die einen Nutzungszeitraum von fünf Jahren oder mehr berücksichtigt.

Wie sehen dann die Vergleiche der Betriebskosten zwischen einer Microsoft-Plattform und Linux-Lösungen aus?

HARTL Microsoft schneidet hier gut ab, denn in die Ausgaben müssen ja zum Beispiel Schulungen, die Kosten für Technologie-Upgrades und Patches oder die Migration von Fachanwendungen aus dem Kundenmanagement, dem Personalwesen oder der Warenwirtschaft eingerechnet werden. Wenn ein Kunde Interesse an solchen Kalkulationen hat, bieten wir und unsere Partnerunternehmen sie an. Wir helfen, zu ermitteln, wann sich welche Investition auszahlt. Meist liegen wir hier sehr gut. Die Analysten der Yankee Group erklären, dass der Einsatz von Linux in großen Unternehmen oder die komplette Umstellung von Windows auf Linux drei- bis viermal so teuer ist wie das Upgrade von einer älteren Windows-Version auf eine neuere.

Weder Linux noch andere Alternativen zu Windows werden aber komplett vom Markt verschwinden. Wie steht es da mit der Interoperabilität von Microsoft-Lösungen?

HARTL Wir haben bei vielen Kunden festgestellt, dass Interoperabilität ein wesentliches Qualitätsmerkmal für alle Infrastruktur-Entscheidungen ist. Wir haben sehr gute eigene Produkte, die alle Bereiche der Unternehmensanwendungen abdecken. Aber wir wissen natürlich, dass kaum jemand auf nur einen einzigen Softwarehersteller setzt, und respektieren die Investitionsentscheidungen, die Unternehmen getroffen haben. Die Integrationsfähigkeit unserer Lösungen und ihre Interoperabilität haben deshalb für uns höchste Priorität. Unter anderem deshalb engagieren wir uns in sämtlichen bedeutenden Standardisierungsgremien der Branche. Und wir unterstützen alle bedeutenden technologische Standards zu einhundert Prozent, zum Beispiel UDDI, ein Verzeichnisdienst für Web-Services, oder Datenaustauschprotokolle wie SOA oder Open XML. Unsere Lösungen arbeiten mit Novells Netware auf allen Ebenen, sie erlauben die Unix-Integration und Interoperabilität zu Legacy-Systemen über Adapter und
zu SAP.

Was bedeutet die Zusammenarbeit von Microsoft und Novell in diesem Zusammenhang für die Kunden?

HARTL Wir kommunizieren schon lange mit der Open-Source-Gemeinde und kooperieren bei der Entwicklung von Technologien. Mit Novell haben wir nun drei gemeinsame Schwerpunkte: Wir arbeiten zusammen an der Kompatibilität von Virtualisierungslösungen und beim Thema Web-Services. Zudem verbessern wir den reibungslosen Austausch von Dokumenten in unterschiedlichen Formaten. Für alle drei Felder haben wir in den Forschungslabors gemeinschaftliche Projekte angestoßen, bei denen beide Unternehmen ihr Know-how in eine Schale werfen.

Zudem erwarten die Kunden zu Recht von Softwareunternehmen, dass wir Patentschutzfragen unter uns regeln, damit sich niemand über etwaige Lizenzprobleme Gedanken machen muss, wenn er IT-Lösungen einkauft. Auch hier haben wir mit Novell zusammen viele Hürden beseitigt.

Zuletzt noch einmal zurück zu Microsoft: Welche Vorteile haben Kunden davon, dass Sie alle Plattform-Komponenten aus einer Hand anbieten?

HARTL Schon bei der Produktentwicklung verfolgen wir ein ganzheitliches Konzept. Jedes Produkt wird im Kontext der gesamten Plattform entwickelt. Das bedeutet zum Beispiel, dass Kommunikations- und Kollaborationsfunktionen nahtlos in alle Anwendungen integriert sind und die Einbindung in den unternehmensweiten Verzeichnisdienst Active Directory sichergestellt ist. Auch Flexibilität und kürzestmögliche Reaktionszeiten auf sich rasant verändernde Marktanforderungen – sei es durch gesetzliche Veränderungen oder durch Fusionen – sind entscheidend, wenn Sie End-to-End-Geschäftsprozesse in der Unternehmens-IT bestmöglich abbilden und unterstützen wollen. Und genau dies leistet die integrierte Entwicklungs-, Anwendungs- und Infrastruktur-Plattform von Microsoft mit ihrem einheitlichen und durchgängigen Programmiermodell, auf dessen Basis bereits die aktuelle Produktgeneration entstanden ist.

Doch unsere Vorstellungen gehen weit darüber hinaus: Dass Plattformen und Systeme unterschiedlicher Hersteller miteinander harmonieren, wird zukünftig eine Selbstverständlichkeit sein. Den entscheidenden Unterschied macht, wie angenehm und produktiv der Mitarbeiter letztendlich mit seinem Endgerät arbeiten kann, sprich wie komfortabel er an alle für ihn wesentlichen Daten in seinem Unternehmen kommt und wie effizient er sie weiterverarbeiten kann. Wir nennen das die Letzte Meile der Produktivität, und hier ist Microsoft Weltklasse.