Nahezu im Gleichschritt haben die sechs größten Systemhäuser Deutschlands ihr Wachstum vorangetrieben. So konnten zwar alle führenden Anbieter 2012 kräftig zulegen, die Rangfolge der größten Systemhäuser blieb indes unverändert.
Das ist umso erstaunlicher, als die Kontrahenten auf Rang drei und vier – Cancom und Comparex – im vergangenen Jahr mit ihrer vorsichtigen, organischen Wachstumsstrategie gebrochen und Firmen übernommen haben. Obendrein wuchs Fritz & Macziol auch ohne Zukäufe mit atemberaubendem Tempo: Um 26,6 Prozent schraubte Deutschlands sechstgrößtes Systemhaus den Umsatz nach oben – so flink war kein anderer unter den Top Sechs. Da aber alle Konkurrenten ebenfalls erheblich zulegen konnten, veränderte sich die Reihenfolge nicht.
Spannend blieb das Kopf-an-Kopf-Rennen an der Tabellenspitze: Zwar wuchs Branchenprimus Computacenter im vergangenen Jahr nur halb so viel (plus 58 Millionen Euro) wie Verfolger Bechtle (plus 119 Millionen), für einen Platzwechsel reichte es aber nicht. Zusammen ziehen die beiden ihre Kreise unbedrängt von der Konkurrenz. Der enorme Abstand von knapp einer Milliarde Euro zum Drittplatzierten blieb fast unverändert.
Gerüchte um Cancom
Die Kontinuität schafft Raum für Spekulationen, in deren Zentrum sich Bechtle und Cancom wiederfinden. Ausgangspunkt der Gerüchte ist Karin Schick, Tochter des Bechtle-Gründers Gerhard Schick, die im April 2013 rund zehn Prozent an Cancom erworben hat. Seitdem rätselt die Branche über eine mögliche Übernahme von Cancom durch Bechtle, an dem Karin Schick auch 35 Prozent der Anteile hält. Doch Vater Schick beschwichtigte: Die Beteiligung sei Privatsache. Ganz verstummt sind die Mutmaßungen aber nicht.
Zudem wurde die Branche von einigen Wechseln im Topmanagement aufgerüttelt. Oliver Tuszik, der die Geschicke von Computacenter 18 Jahre lang bestimmte, verließ das Haus Mitte 2013, um als Deutschland-Chef bei Cisco anzuheuern. Seinen Posten übernahm Reiner Louis, der bislang als Vorstand das Managed-Services- und Lösungsgeschäft verantwortete.
Überraschend und ebenfalls in Richtung Netzwerkhersteller machte sich im Juni 2012 Comparex-CEO Walter Denk auf. Seit September ist er bei Avaya der Vorsitzende der Geschäftsführung. Das Ruder bei Comparex führt jetzt Achim Herber, bis dato CEO des IT-Dienstleisters Datalog, den Comparex Anfang 2012 geschluckt hatte.
Von langer Hand geplant, ging Oliver Schallhorn im Sommer 2013 bei Fritz & Macziol von Bord. Er hatte sich bereits Ende 2011 aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Seine Aufgaben obliegen nun dem erweiterten Management-Board, das Mitte 2011 eingerichtet wurde und dem auch Heribert Fritz und Frank Haines angehören.
Computacenter schöpft Atem
Die Nummer eins unter den Systemhäusern machte im Geschäftsjahr 2012 umsatzbezogen zwar eine gute Figur und legte gegenüber 2011 um 4,1 Prozent auf 1,47 Milliarden Euro zu. Verglichen mit dem Rekordjahr 2011, in dem Computacenter ein Plus von 18,5 Prozent erreicht hatte, verlor das Unternehmen jedoch an Schwung. Auch auf Ertragsseite ging Computacenter etwas die Puste aus. Das margenträchtige Dienstleistungsgeschäft brach ein, gleichzeitig wurde kräftig in den Ausbau der Managed Services investiert. Beides drückte auf den Gewinn, der sich infolgedessen auf 14,4 Millionen Euro halbierte.
Gleichwohl scheint der geplante Wandel zum Cloud-Anbieter zu gelingen. Den Löwenanteil (60 Prozent) am Serviceumsatz erwirtschaftet Computacenter hierzulande schon heute über Cloud- und Managed-Services-Projekte. Gemessen am Gesamtumsatz, gehen rund 25 Prozent auf das Konto dieses Geschäftsbereichs. 2013 will das Unternehmen vorrangig aus eigener Kraft und über Kooperationen mit spezialisierten Beratungshäusern wachsen.
Bechtle bleibt auf den Fersen
Das erste Geschenk zum 30-jährigen Firmenjubiläum Anfang 2013 bescherte sich die Bechtle AG mit einem Rekordergebnis für das abgelaufene Geschäftsjahr: Dem Unternehmen gelang es, mit Inlands- und Auslandsgeschäft zusammen die Umsatzmarke von zwei Milliarden Euro zu knacken.
Als verlässlicher Wachstumsmotor erwiesen sich die Einnahmen in Deutschland, die mehr als zwei Drittel (68,4 Prozent) des Konzernumsatzes ausmachten. Die lokalen Umsätze kletterten um zehn Prozent auf rund 1,44 Milliarden Euro und legten stärker als der IT-Gesamtmarkt zu, der laut Eito ohne TK um 3,1 Prozent wuchs. So konnte Bechtle das schwächelnde Geschäft in Südeuropa ausgleichen.
Der Löwenanteil des Umsatzes (1,39 Milliarden Euro) kam aus dem Bereich IT-Systemhaus & Managed Services. Das entspricht einem Plus von sechs Prozent. Als Zugpferd erwiesen sich hier die deutschen Töchter, die ihren Umsatz um 9,8 Prozent steigerten.
Der Umsatz im Segment IT-E-Commerce kletterte um 3,4 Prozent auf 702,4 Millionen Euro. Auch hier schlug die stabile Nachfrage im Heimatmarkt zu Buche (plus 4,7 Prozent). Mit der Gründung der Bechtle Remarketing GmbH vollzog das Systemhaus einen weiteren Schritt hin zum Komplett-Dienstleister.
Massiv aufgestockt hat das Unternehmen auch beim Personal: 500 Mitarbeiter wurden 2012 zusätzlich eingestellt. Allein durch Firmenzukäufe – etwa Kumatronik, Teile des CAD-Providers SPI und Sharepoint-Spezialist Viritim – kamen 150 Mitarbeiter hinzu.
2013 will das Unternehmen erneut stärker wachsen als der Markt. Im ersten Quartal ist ihm das gelungen: Der Umsatz stieg um 5,4 Prozent auf 514 Millionen Euro, wobei die Systemhäuser in Deutschland überproportional um 7,2 Prozent auf 295,7 Millionen Euro zulegten.
Cancom rüstet sich
Ehrgeizige Ziele verfolgt auch die Cancom AG. Sie peilt in den nächsten fünf Jahren die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro bei einer Umsatzrendite von fünf Prozent an. Zukäufe sind einkalkuliert, und mittels einer Kapitalerhöhung von rund einer Million Euro auf 11,4 Millionen Euro wurde die Kriegskasse schon aufgestockt. Laut Cancom-Chef Klaus Weinmann bietet das sich eintrübende gesamtwirtschaftliche Umfeld gute Gelegenheiten für Akquisitionen.
Schon 2012 trugen der Zukauf des App-Programmierers Glanzkinder und des im Bildungsbereich aktiven Systemhauses Unicorner dazu bei, Cancom das beste Ergebnis der 20-jährigen Firmengeschichte zu bescheren. Der Konzernumsatz kletterte um 2,5 Prozent auf 558,1 Millionen Euro. Einen satten Zuwachs erzielte das Unternehmen auch beim konzernweiten Ertrag (Ebitda), der um 12,4 Prozent auf 28,1 Millionen Euro stieg. Auf der Suche nach weiteren Übernahmeobjekten wurde Cancom im März 2013 beim UCC-Spezialisten GES schon wieder fündig. Er gehört seit März 2013 zum Unternehmen.
Comparex expandiert
Mit einem kräftigen Umsatzsprung von 25,7 Prozent konnte Comparex hierzulande 2012 den Abstand zur Nummer drei der Branche deutlich verringern. Und die Leipziger wollen noch mehr: Die Unternehmensgruppe plant, bis 2015 den weltweiten Umsatz auf zwei Milliarden Euro zu verdoppeln und die internationalen Standorte auszubauen. Schon im Mai 2013 lieferte man erste Belege und gründete eine Tochter in den USA, um dem Ruf der Großkunden nach länderübergreifender Betreuung Genüge zu tun.
Hierzulande war Comparex allerdings erst einmal damit beschäftigt, die 2012 übernommene Datalog zu integrieren und so das Softwareangebot für Mittelstandskunden auszubauen. Im Unterschied zur Konkurrenz will Comparex dem Software- und Consulting-Geschäft treu bleiben und sich dabei auf das Lizenz- und Software-Asset-Management konzentrieren. Um dieses Standbein zu stärken, hat Comparex die niederländischen Spezialisten Agile Software und Infracontrol übernommen. Das Handelsgeschäft mit Hardware, von dem man sich vor rund drei Jahren getrennt hatte, will Comparex nicht mehr anpacken.
Allgeier bleibt sich treu
Konsequent verfolgte auch Deutschlands fünftgrößtes Systemhaus Allgeier seine von Akquisitionen geprägte Wachstumsstrategie. Im August 2012 verleibte es sich den Personaldienstleister Tecops ein und baute das Geschäft mit Personaldienstleistungen im Oktober 2012 durch eine weitere Übernahme in der Türkei aus.
Das trug Allgeier im Geschäftsjahr 2012 erneut ein deutliches Umsatzplus von zwölf Prozent ein. Der Konzernumsatz stieg auf 423 Millionen Euro. Hierzulande fiel das Wachstum mit acht Prozent nicht ganz so stark aus. Immerhin reichte das, um Rang fünf im Gesamt-Ranking der größten Systemhäuser Deutschlands zu verteidigen.
Im Gegensatz zu den Konkurrenten konzentriert Allgeier eigene Kapazitäten zunehmend auf Personaldienstleistungen wie Recruiting, Vermittlung, Überlassung und Management von IT-Spezialisten, kaufmännischen Experten und Ingenieuren. Ein weiteres Standbein sichert sich Allgeier mit der Planung und Implementierung von IT-Infrastrukturlösungen sowie Design und Entwicklung von Software. Auch in diesem Bereich verstärkte sich die Allgeier Gruppe, indem sie die b+m Informatik AG übernahm.
Fritz & Macziol startet durch
Das mit Abstand größte Wachstum unter den Großen der Systemhausbranche konnte 2012 Fritz & Macziol verbuchen. Um 26,6 Prozent legte das Unternehmen im 25. Jahr des Bestehens auf 314 Millionen Euro zu. Erstmals beschäftigt Fritz & Macziol mehr als 1000 Mitarbeiter.
Um den Erfolg auch in den kommenden Jahren zu sichern, will das Systemhaus sich künftig vor allem mit Lösungen in den Segmenten Mobility, Cloud Computing, Big Data und Social Media empfehlen. Und auch für 2013 gilt die Losung: organisch wachsen, und zwar schneller als der Branchendurchschnitt. Sollte das im gleichen Tempo wie 2012 gelingen, könnte Fritz & Macziol im kommenden Jahr Rang fünf im Ranking erobern.
Neue Player drängen vor
Kumuliert erwirtschafteten sämtliche Top-25-Systemhäuser im vergangenen Jahr einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro und damit rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Allein die sechs größten Häuser steuerten fast zwei Drittel, rund 4,6 Milliarden, zu diesem Ergebnis bei. Die Anbieter auf den Rängen sieben bis 25 sind im vergangenen Jahr etwas schneller gewachsen als die großen Konkurrenten. Ihre Gesamteinnahmen legten um 11,3 Prozent zu, die der Top Sechs kumuliert um 9,4 Prozent.
Wenig aussagekräftig ist der vergleichende Blick auf die Vorjahreszahlen der Dienstleister ab Rang sieben. Weil die Geschäftsmodelle von Systemhäusern, Service-Providern und Softwarehäusern zusehends verschmelzen, hat sich ChannelPartner entschlossen, das Ranking nicht ausschließlich auf klassische Systemhäuser zu begrenzen. Das erklärt, weshalb beispielsweise auch All for One Steeb oder der Outsourcing-Anbieter Arvato erstmals in der Liste auftauchen. Das neue Ranking bildet damit die aktuelle und sich verschärfende Wettbewerbssituation ab.
Die Umfrage
Zum 15. Mal in Folge hat die CW-Schwesterpublikation ChannelPartner Systemhäuser in Deutschland befragt. Ziel war wieder, die 25 umsatzstärksten Anbieter zu identifizieren. Zudem soll die Erhebung die wirtschaftliche Stimmungslage, die Sorgen und Pläne sowie die Einschätzung der Anbieter zu Trendthemen und zur Budgetentwicklung bei den Kunden dokumentieren. Da die Grenzen zwischen Systemhäusern, Service-Providern, Integratoren und ISVs zunehmend verschwimmen, befragte ChannelPartner dieses Jahr erstmals Vertreter aller Kategorien.
Die Umfrage begann am 13. März und wurde am 27. Mai 2013 abgeschlossen. Obwohl viele Systemhäuser T-Systems als Wettbewerber einstufen, wurde die Telekom-Tochter nicht in das Ranking aufgenommen. Grund ist die schlechtere Vergleichbarkeit. T-Systems reiht sich mit den Servicestrukturen nicht in den mittelständischen Systemhausmarkt ein: Große Kunden betreut T-Systems selbst, alle anderen bedient die Telekom. Sehr kleine Firmen werden wiederum von Partnern versorgt.