Für die meisten Menschen hat das Wort Drohne irgendwie etwas Bedrohliches: Ein unbemanntes Fluggerät, vollgestopft mit Elektronik und Sensorik, von dem niemand weiß, was es genau im Schilde führt. Und wenn man es weiß, dann ist meistens von Kampfdrohnen die Rede, eine Wortkombination, die auch niemanden beruhigt.
Dabei hat das Tierchen, dem die Technologie ihren Namen verdankt, so gar nichts Kämpferisches an sich. Die Drohne - das macht den Begriff zusätzlich verwirrend - ist in Wahrheit der Drohn, ein männliches Insekt der Sorte Biene, Wespe oder Hummel. Und bei all diesen Tieren, die in komplexen Staaten zusammenleben, haben die Männer rein gar nichts Aggressives an sich. Sie verfügen noch nicht einmal über einen Stachel. Einziger Sinn ihres kurzen Lebens ist die Begattung der Königin. Im Falle der Bienen verliert der Drohn dabei erst sein Geschlechtsteil und anschließend sein Leben.
Nützliche Glieder der Gesellschaft also, die nur auf der Welt sind, um einen speziellen Job zu erledigen. Das entspricht ungefähr jener Definition, mit der Accenture an das Thema herangeht, also an die Drohne als technisches Gerät natürlich und nicht an das männliche Insekt.
Top-Abnehmer ist die Öl-Industrie
Der irische Beratungsriese hat in dem ausführlichen Papier "It's Time for Flying Robots" Chancen und Hindernisse für die von Accenture UAVs (Unmanned Aerial Vehicles), in Langform und auf Deutsch "Unbemannte Luftfahrzeuge", genannten Vehikel zusammengefasst. Wichtigste Botschaft: Durch den Einsatz von Drohnen können Unternehmen Kosten und Risiken senken und zugleich ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Und: Die Fluggeräte sind immer stärker in der Lage, bestimmte Aufgaben weitgehend autonom zu erledigen.
Die Autoren des Accenture-Papers, fasziniert von der Technologie, zitieren eine Analysten-Firma namens "Teal Group", nach deren Schätzungen sich die globalen Ausgaben für zivile unbemannte Flugobjekte in den kommenden zehn Jahren auf fast 90 Milliarden Dollar verdoppeln werden, wobei in den USA, so die Researcher, weit mehr als die Hälfte dieser Summe aufgebracht werden wird.
Accenture nennt spannende Einsatzfelder. Zum Beispiel die Kontrolle und Reparatur von Pipelines in der Öl- und Gasindustrie. Die Versorgungsleitungen müssen zwangsläufig auch in abgelegenen und unwirtlichen Gegenden verlegt und regelmäßig überprüft werden, um Leckagen und andere Probleme rechtzeitig zu erkennen. Ein hoher Aufwand, der immense Summen verschlingt.
Daten sammeln: Kernaufgabe der Drohnen
Mit Hilfe von unbemannten Flugrobotern lässt sich diese Aufgabe viel schonender fürs Budget und für die beteiligten Menschen bewältigen. Allerdings liegt die größte Ersparnis dabei nach Ansicht von Accenture nicht darin, dass die unbemannte Inspektion weniger kostet als die bemannte. Sondern viel wichtiger ist, dass Drohnen nicht nur Leckagen sehen und die Infos dazu weitergeben, sondern dass sie auch Daten sammeln und interpretieren, daraus Muster erkennen können. Diese wiederum können zu Entscheidungen führen, die Probleme prophylaktisch vermeiden helfen, beispielsweise die, in einer bestimmten Klimazone gewisse Materialien nicht mehr einzusetzen.
Überhaupt ist die Datensammelei der Kristallisationspunkt des gesamten Drohnenthemas. Die Möglichkeit, mit Hilfe von Sensorik und Elektronik Wissen zu generieren, welches dann die Maschine selbst oder das dahinter stehende menschliche Einsatzteam auswertet, macht diese Technologie so ungeheuer attraktiv.
Fraunhofer führend bei Robotern und Drohnen
Auch für die Entwickler der deutschen halbstaatlichen Fraunhofer-Gesellschaft, die sich in mehreren Instituten dem Thema von unterschiedlichen Seiten nähert. Eine dieser Forschungseinrichtungen ist das IAIS, Fraunhofer Institut für "Intelligente Analyse und Informationssysteme" in Sankt Augustin bei Bonn. Die Forscher betreiben seit mehr als zehn Jahren das Projekt "VolksBot". Dabei geht es um die Bereitstellung von Roboterbausätzen für spezielle Bedürfnisse, wobei es dabei ursprünglich nur um flugunfähige Varianten ging.
Seit vergangenem Jahr gibt es aber aus dem Hause IAIS auch eine Drohne. Bestückt wird sie mit Laserscannern, um die Umgebung abzutasten und dann als 2D- oder 3D-Modell auszugeben. Eingesetzt werden kann diese Technik zum Beispiel zur Überwachung von Gewässern, entsprechende Tests der Bundespolizei in Kooperation mit der spanischen Marine gibt es bereits.
Drohnen untersuchen Erdbebenschäden
Dieses Beispiel wirft ein Licht das erste von drei Hindernissen, mit denen sich die Technologie konfrontiert sieht: Hersteller und Nutzer von Drohnen werden immer unter Rechtfertigungsdruck stehen, weil es eine trennscharfe Abgrenzung zwischen friedlichem und nicht so friedlichem Einsatz nicht gibt.
2008 zum Beispiel hatte die Polizei der Schweiz Drohnen des Militärs genutzt, um Aktivitäten von Demonstranten rund um den NATO-Gipfel in Strasbourg auszuforschen. Auch die EU-Migrationspolizei Frontex will in Zukunft größere Drohnen zur Überwachung einsetzen und möglicherweise sogar selbst beschaffen.
Retten und Helfen
Auf der anderen Seite geht es beim Einsatz von Drohnen auch sehr häufig um Retten oder Helfen. So haben die Experten des Fraunhofer-Instituts IAIS 2012 eine Drohne entwickelt, die besonders gut als Teil eines Teams gemeinsam mit Menschen Aufgaben lösen kann.
Als im norditalienischen Mirandola (Provinz Modena) die Kirche San Francesco durch ein Erdbeben zum Teil eingestürzt war, konnte aus Sicherheitsgründen niemand die Ruine betreten, um die Schäden zu begutachten. Stattdessen vermaßen ein kleines Raupenfahrzeug und eine Drohne mit Laserscannern die Innenräume, entschließend entstanden 3D-Modelle, aus denen sich Details der Beschädigungen exakt herauslesen ließen.
Einsatz in Fukushima
Ähnliches geschah im japanischen Fukushima, nachdem dort im März 2011 ein schweres Erdbeben zur Kernschmelze im örtlichen Atomkraftwerk geführt hatte. Bis heute werden dort unbemannte Drohnen zur Analyse und Kontrolle eingesetzt.
Das Problem: die Rechtslage
Umfangreich möglich ist das auch deshalb, weil Japan laut Accenture zusammen mit Australien zu den Ländern mit der liberalsten Drohnen-Gesetzgebung gehört. Die Gesetzgebung ist der zweite potenzielle Hemmschuh für die schnelle Verbreitung der Fluggeräte. Drohnen bewegen sich im Luftraum und stellen damit per se eine potentielle Gefahr dar. Erstens könnten sie mit bemannten Fluggeräten kollidieren und zweitens schlicht jemandem auf den Kopf fallen.
Die Rechtsprechung dazu ist von Land zu Land höchst unterschiedlich. In Deutschland gilt: Nur Spielzeugdrohnen dürfen ohne Genehmigung aufsteigen. Jeder Bauer, der mit Hilfe einer professionellen Drohne mal seinen Acker von oben betrachten will, braucht dazu eine Genehmigung. Eine solche Genehmigung kann allgemein für eine Personen und einen Zweck ausgesprochen werden, zum Beispiel für die Dauer von zwei Jahren. Für Flugroboter, die schwerer sind als fünf Kilogramm, gibt es dagegen nur Einzelfallgenehmigungen, wiegt das Geräte mehr als 25 Kilo, wird es grundsätzlich schwierig, eine Flugerlaubnis zu bekommen.
Egal, wie schwer die Drohne ist: Seit 2012 darf das Gerät hierzulande nur noch mit Sichtkontakt zum Steuerer geflogen werden. In der Praxis heißt das: Zwischen Menschen und Drohne dürfen nicht mehr als 200-300 Meter liegen.
Haftungsfrage bei Abstürzen nicht geklärt
Diese Bestimmung dürfte auch Amazons groß angekündigtes Projekt behindern, demnächst Pakete statt per LKW durch fliegende Boten ausliefern zu lassen. Denn wenn der steuernde Bote immer in der Nähe bleiben muss, dann kann er gleich selbst das Paket nehmen und an der Tür des Empfängers klingeln.
Elmar Giemulla, Honorarprofessor für Luftrecht an der TU Berlin, glaubt sogar, dass wir fliegende Lieferanten "in unserer Lebenszeit nicht mehr erleben werden." Und damit sind wir am dritten potenziellen Hindernis: der Versicherungs- und Haftungsfrage. Drohnen im dicht besiedelten Raum laufen ständig Gefahr, irgendwo gegenzuknallen.
Außerdem könnten Kids mit krimineller Neigung auf die Idee kommen, sie mit der guten alten Steinschleuder vom Himmel zu holen. Wer aber haftet, wenn die Drohne zerstört und die bestellte Ware gestohlen wird? Wer kommt für den Schaden auf, sollte eine Drohne warum auch immer jemandem auf den Kopf fallen?
Gesetzeslage und Big Data beachten
Trotz solcher Risiken spricht fast alles dafür, dass sich die zivile Drohnentechnologie für Einsätze in kontrollierbaren (Werkshalle) oder entlegenen (Pipeline in Sibirien) Umfeldern weiter durchsetzen wird. Die Technik ist ausgereift und preiswert.
Um bei ihrer Nutzung Erfolg zu haben, empfiehlt Accenture Unternehmen, vor allem zwei Bereichen große Aufmerksamkeit zu widmen:
Erstens muss die Planung unbedingt im Einklang stehen mit der Gesetzeslage am Einsatzort und zweitens macht die Nutzung von Drohnen, so Accenture, im Grunde nur Sinn, wenn das Ganze auch als Big Data-Thema betrachtet wird. Will sagen: Berge von Daten sammeln zu lassen, ohne sich über deren sinnstiftende Verwendung Gedanken zu machen, bringt nicht so viel.